Automatisierung : Hohe Wirkkraft

Industriemagazin Logo
© Industriemagazin

Es gab, CEO Spiesshofer ließ daran keinen Zweifel, Handlungsbedarf. Und zwar nicht zu knapp: Eine Strategie zur Unternehmenstransformation sollte die Organisation des Schweizer Industrieelektronikherstellers ABB straffen und das Ergebnis verbessern. Es blieb nicht bei Worten: Schon ein Jahr nach der Präsentation seiner Next-Level-Strategie kann ABB-Chef Ulrich Spiesshofer ein Fazit ziehen: "Wir haben den Turnaround bei der Division Energietechniksysteme geschafft und den Rahmen dafür geschaffen, eine dynamische Leistungskultur zu entfalten". Mit Stufe zwei des Programms soll nun die Neuausrichtung beschleunigt werden, was nicht ohne Einschnitte ablaufen wird: Spiesshofer kündigte Einsparungen im Angestelltenbereich von einer Milliarde Dollar bis 2017 an – zudem wolle man das Portfolio der Division Stromnetze "einer strategischen Überprüfung" unterziehen. An einen Verkauf der Sparte will Spiesshofer nicht denken. „Bei einem Verkauf sind wir noch lange nicht“, so der ABB-Chef gegenüber einer Schweizer Zeitung. Aber man stelle das Geschäft auf den Prüfstand – wie dies Ende 2009 auch beim Robotergeschäft passierte. Dort ist ein schöner Werdegang nachweisbar: Das ehemalige "Sorgenkind" habe sich zu einem "Teenager mit großartigen Aussichte"“ entwickelt, sagt Spiesshofer.

Rekorde trotz "Schlechtwetters"

Und das ist nicht zu dick aufgetragen. Industrierobotik ist bei den beiden großen europäischen Lieferanten, der Augsburger KUKA und der Züricher ABB, zum einträglichen Geschäft geworden. Und das, obwohl in der Branche derzeit eher „Schlechtwetter-Segeln“ angesagt ist, wie es bei ABB mit Blick auf die nächsten Monate heißt. KUKA etwa steigerte das Ergebnis im Segment Robotik im letzten Quartal um mehr als zehn Prozent (24 Millionen Euro), die Gewinnmarge lag über dem Vorjahr. Mit der Übernahme des Robotersystemlösungsanbieters Reis gelang es den Augsburgern nicht nur, die lukrativen Anlagenbauaufträge – 70 Prozent der in China gefertigten Zylinderköpfe etwa gießen Reisanlagen – an Land zu ziehen. Auch die Position in der General Industry wurde weiter gestärkt. Übernahmen wie jene des Schweizer Logistikautomatisierers Swisslog und Unternehmensverkäufe verschoben die Gewichte stärker zugunsten der Robotik. Eine Genese.

Abgeblasene Projekte in Serie, tiefrote Ergebniszah len: Industrieautomatisierer bekamen die Konjunkturkrise besonders zu spüren. Um fast 30 Prozent brachen die Auftragseingänge 2009 beim Industrieautomatisierer KUKA ein – besonders das Geschäft mit Automotive-Kunden war belastet. 2009 warf die Branche auf das Umsatzniveau von 2002 zurück, die Aufträge halbierten sich sprunghaft. ABB-Chef Joe Hogan aber bekam den Wagen wieder flott, er reorganisierte das Automatisierungsgeschäft und machte aus den beiden Sparten Automationsprodukte und Robotik zwei neue Divisionen: Industrieautomation und Antriebe sowie Niederspannungsprodukte. "Wir bündeln Geschäftsfelder mit ähnlichen Kunden, Technologien und Servicemodellen, um noch schneller Lösungen zu entwickeln", lautete Hogans Plan. Der Plan ging auf. Insgesamt konnte ABB 2009 die Kosten um mehr als 1,5 Milliarden Euro senken – und schöne Zuwächse bei der Zahl der verkauften Robotereinheiten erreichen, speziell in Europa. Die Variablen von Spiesshofers Erfolg: "Gelungene Reorganisation und professionelles Changemanagement", heißt es bei ABB.

Und plötzlich sah die Welt wieder anders aus: 17,4 Prozent Gewinnmarge (EBITDA) im vorigen Geschäftsjahr – nur noch bei den Niederspannungsprodukten verdiente der Schweizer Roboterhersteller ABB 2014 mehr als im Segment Industrieautomation. Das Robotergeschäft ist seit 2010 wieder extrem margenträchtig, "15 bis 20 Prozent sind in der Automatisierung ja auch normal", meint ein Automatisierungsexperte. Die letzten Jahre baute ABB-CEO Ulrich Spiesshofer "unser Team Robotics weiter auf", heißt es in einer ABB-Länderorganisation – vor allem auch hinsichtlich Serviceaktivitäten. 2014 seien laut Internationalem Roboterverband erstmals mehr als 200.000 Roboter abgesetzt worden, eine Zahl, die zusätzlich für Optimismus sorgt. Dass das Segment Robotik bei ABB künftig eine Aufwertung erfährt, kommt also nicht überraschend. Während der Infrastruktur- und Transportsektor bei ABB im Vorjahr durchwachsen war, fragte die Automobilindustrie in großem Umfang Geräte nach. Die Schweizer erhielten so etwa einen Auftrag von Changan Ford Automobile in China für schnelle, flexible Schweißroboter. Auftragswert: 52 Millionen Dollar. Auch der Augsburger Kontrahent KUKA wird sich global weiter diversifizieren und auf den Wachstumsmarkt China setzen. "Zuletzt konnten wir in China vor allem im Bereich Automotive wichtige Aufträge verbuchen", sagt KUKA-Chef Till Reuter. Mit darunter: ein Großauftrag von Geely-Volvo im zweistelligen Millionen-EuroBereich. Alle drei deutschen Hersteller, aber auch etliche chinesische Hersteller vergaben zuletzt Roboteraufträge, heißt es bei KUKA. Profitabilität ist auch hier das Stichwort. Trotz der höheren Ausgaben für F&E, den Mitarbeiteraufbau sowie Investitionen im Segment General Industry konnten die Deutschen das Ergebnis verbessern. "Positiv wirkten sich die höheren Umsätze aus der General Industry sowie aus dem Service aus", heißt es aus Augsburg.

Die Ausgangssituation für die Emanzipation von der Autoindustrie ist bei KUKA jedenfalls nicht die schlechteste. 2013 entfielen bei KUKA auf den General Industry-Bereich innerhalb des Geschäftsbereichs Robotik schon über 40 Prozent – mehr als aufs Segment Automotive. Zwei Milliarden Euro Umsatz und eine EBIT-Marge von 6,5 Prozent waren im Vorjahr angepeilt. Mit den Zukäufen der letzten Monate wächst der Hersteller noch einmal in die Breite. Mit der Übernahme des Robotersystemlösungs-Anbieters Reis gelang es den Augsburgern nicht nur, die lukrativen Anlagenbauaufträge – 70 Prozent der in China gefertigten Zylinderköpfe etwa gießen Reisanlagen – an Land zu ziehen.

Auch die Hoffnung, die Position in der General Industry zu stärken, sollte aufgehen. "Die Kollegen sind mittlerweile gut integriert", heißt es bei KUKA. Außerdem geglückt: die deutliche Ergebnisverbesserung bei Reis. Die Akquisition des Logistikautomatisierers Swisslog Ende des Jahres dagegen soll die Augsburger endgültig zu einem globalen Automatisierungsunternehmen machen. Durch Swisslog erhalte KUKA Zugang "zu besonders attraktiven Wachstumsmärkten in der Automation wie der WarehouseLogistik und der Healthcare-Industrie. „Wir können uns so stärker diversifizieren", sagt KUKA-Vorstandsvorsitzender Till Reuter. Anders gesagt: KUKA wird künftig in noch stärkerem Maß "von der Komponente über die Zelle bis hin zur kompletten Anlage" alles liefern können. Integrierte Systeme und Services für Automatisierungslösungen für Krankenhäuser, Lager- und Verteilzentren rutschen so mit einem Schlag ins Portfolio der Deutschen.

Umwälzungen

Dass ABB-CEO Spiesshofer die Divisionen Industrieautomation und Antriebe sowie Prozessautomation anpassen will, um, wie er selbst sagt, "die Bedürfnisse der Kunden besser abzudecken", sorgt jetzt in einer ABB-Länderorganisation für Anspannung. Der Mitbewerb jedenfalls wundert sich nicht über das Sparprogramm der Schweizer – ähnliche gab es ja auch in anderen Unternehmen: „Wir haben die Umorganisation bei ABB eigentlich schon früher erwartet”, meint ein Experte. Zeichen, dass der Robotikbereich in Zukunft aufgewertet würde, vernimmt ein ABB-Länderchef jedenfalls eindeutige: Es gebe die nächsten Monate eine Modelloffensive und Roboter „erschließen nun auch neue Segmente wie Logistik oder Pharmazeutik”, meint er. Auch der große Kontrahent aus Augsburg erwartet für 2015 eine gute Nachfrage – er peilt einen Umsatz von fast drei Milliarden Euro an. Und er verspricht einen Technologieschub – unter anderem dank einer neuen Schwerlastroboterserie für Traglasten von 360 bis 600 Kilo, Applikationen im Bereich der mobilen Robotik sowie neuen Roboteranwendungen im Flugzeugbau.

Was plant der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea? Dahinter steht ein dickes Fragezeichen. Erst wenige Wochen ist der Einstieg der Chinesen beim Augsburger Roboterbauer KUKA alt, der sich damit überraschend 5,43 Prozent des deutschen Roboterkonzerns einverleibt. Entsprechend wild schießen die Gerüchte ins Kraut. Da werden Analogien zu anderen chinesischen Investoren gezogen, die sich auf Einkaufstour nach Europa begaben und Unternehmen mit asiatischer Langmut schrittweise von innen heraus ummodellierten. Oder es winken Analysten ab, die den Einstieg nicht überbewerten wollen. Fakt ist: In den Eigentümerstrukturen der großen Roboterbauer KUKA und ABB tut sich was. Seit dem Vorjahr ist der schwäbische Maschinenbauer Voith Großaktionär bei KUKA, der frühere Eigner Grenzebach stieg komplett aus. Und im Juni stieg beim Schweizer Kontrahent ABB der schwedische Finanzinvestor Cevian ein und sicherte sich damit drei Prozent am Unternehmen. Es geht auch um Machtausbau: Spätestens im Frühjahr, so berichtet eine Zeitung, soll ein Cevian-Mann in den Verwaltungsrat von ABB einziehen. Dass sich Cevian mit seinem jetzigen Anteil zufrieden gibt, wird in der Branche heftig angezweifelt. Bei ABB kommt zudem ein Sparprogramm dazu. Bis 2017 will Vorstand Spiesshofer eine Milliarde Euro Personalkosten einsparen – das erinnert an den vor zwei Jahren eingeleiteten Sparkurs des Elektronikers Siemens.