Abgasskandal : Günter Verheugen: EU-Gesetze waren nicht das Problem

Der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen hat Mutmaßungen zurückgewiesen, Schlupflöcher in den Brüsseler Vorschriften hätten den VW-Abgas-Skandal begünstigt. "Es gab kein Problem mit der Gesetzgebung, sondern mit der Einhaltung der Gesetze durch die Hersteller", erklärte er auf Fragen des Untersuchungsausschusses im Europaparlament.

Verheugen äußerte sich vor einer Anhörung zunächst schriftlich. Das Schönen von Abgaswerten mit sogenannten Defeat devices oder Abschalteinrichtungen - zum Beispiel Software, die bei Messungen die Motorleistung drosselt - sei grundsätzlich verboten, betonte er.

Ausnahmen für solche Mechanismen seien "klar und eng definiert" - mit dem Ziel, "das sichere Funktionieren des Fahrzeugs sicherzustellen, um nicht die Gesundheit des Fahrers oder anderer Bürger zu gefährden". Er habe nicht erwartet, dass ein europäischer Autohersteller die Vorschriften missachte.

"Verheugen ist der Vater der Gesetze zu Autoabgasen"

"Verheugen ist der Vater der EU-Gesetze zu Autoabgasen. Er spielt eine zentrale Rolle in dem Skandal und muss endlich für Aufklärung sorgen", sagte die ÖVP-Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger im Untersuchungsausschuss. "Oberstes Ziel für uns ist es, endlich wieder Vertrauen herzustellen."

Verheugen war von 2004 bis 2010 Industriekommissar und damals mit der Vorbereitung der EU-Abgasnormen 5 und 6 befasst - also in der Zeit der Vorgeschichte des Abgas-Skandals, der Volkswagen seit fast einem Jahr erschüttert.

Der deutsche Hersteller hat eingeräumt, dass er die strengen Normen bei Millionen Dieselautos nur mit Hilfe einer Manipulations-Software auf dem Prüfstand schaffte. Im normalen Verkehr lagen die tatsächlichen Abgaswerte um ein Vielfaches über dem Grenzwert.

Neue Abgasnormen 5 und 6 sollten den Ausstoß von Schadstoffen senken

Verheugen räumte ein, dass vor der Einführung der Abgasnormen 5 und 6 "allgemein bekannt" gewesen sei, dass die Testergebnisse auf dem Prüfstand den normalen Fahrbedingungen nicht mehr entsprachen. "Es bestand völlige Übereinstimmung, dass die vorhandenen Tests nicht die tatsächlichen Emissions-Werte wiedergeben", sagte Verheugen während seiner Anhörung. "Das wusste jeder."

Doch habe man entschieden, die neuen Normen deshalb nicht zu verschieben. Von diesen habe man sich eine deutliche Senkung des Schadstoffausstoßes erwartet.

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Die seit 1998 verbotenen Abschalteinrichtungen, die im Zentrum des VW-Skandals stehen, sind laut Verheugen während seiner Amtszeit kaum diskutiert worden, auch nicht in Gesprächen mit Europaparlamentariern. "Die haben in der damaligen Debatte erstaunlicherweise überhaupt keine Rolle gespielt."

Niemand habe vermutet, dass Autobauer Abgaswerte mit Hilfe von Abschalteinrichtungen manipulierten. "Ich habe das auch nicht für möglich gehalten. Ich habe es sozusagen moralisch nicht für möglich gehalten, ich habe aber auch gar nicht gedacht, dass es technisch möglich ist, so etwas zu tun." Er beteuerte in seiner Anhörung: "Da gab es nicht den geringsten Hinweis, es gab nicht die geringste Information und es gab auch nicht den geringsten Verdacht." (dpa/apa/red)

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