Stahlindustrie : Fusionspläne von Tata und Thyssenkrupp: Die vier wichtigsten Hintergründe

Die seit Jahren erwartete Konsolidierung der europäischen Stahlbranche könnte bald einen großen Schritt vorankommen. Durch eine Fusion der europäischen Stahlsparte von Thyssenkrupp mit Teilen Tata Steels würde der zweitgrößte Stahlkocher Europas nach ArcelorMittal geschmiedet. Der Stahlindustrie machen Überkapazitäten, Billigkonkurrenz aus Asien und immer strengere Klimaschutzauflagen zu schaffen.

Folgend die wichtigsten Hintergründe im Überblick.

Insider gehen davon aus, dass Tata und Thyssenkrupp ihre Werke in Deutschland und den Niederlanden zusammenführen wollen. Die zum Verkauf gestellten älteren Tata-Werke in Großbritannien würden nicht dazu gehören.

Tata beschäftigt im niederländischen IJmuiden rund 9.000 Mitarbeiter. Das Werk mit einer Jahreskapazität von über sieben Millionen Tonnen erzielte zuletzt ein operatives Ergebnis (Ebitda) von rund 500 Mio. Euro. Kunden sind etwa die Automobil-, die Bau- und die Verpackungsindustrie.

Tata Steel Europe gehört zum indischen Tata-Konzern mit über 100 Unternehmen und mehr als 600.000 Mitarbeitern. Zu dessen Geschäften zählen auch die Automobilproduktion mit der Marke Jaguar, die Telekommunikation, die Energieerzeugung oder Hotels. Die Gruppe erzielte zuletzt einen Umsatz von fast 100 Mrd. Euro.

Der größte Stahlkonzern Deutschlands mit Sitz in Duisburg beschäftigt fast 28.000 Mitarbeiter.

Vor allem dank Kostensenkungen hatte das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr einen operativen Gewinn von knapp einer halben Milliarde Euro eingefahren, zuletzt gab es aber deutliche Einbußen. Jährlich produziert der Stahlkocher über zwölf Millionen Tonnen des für viele Wirtschaftsbereiche wichtigen Werkstoffs.

Wichtige Kunden sind unter anderem die Automobilbranche, der Bausektor, der Maschinenbau, die Verpackungsindustrie und die Energiewirtschaft.

Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger macht sich seit Monaten für Zusammenschlüsse der Branche mit über 300.000 Beschäftigten in Europa stark.

"Aufgrund der extrem angespannten wirtschaftlichen Situation hält Thyssenkrupp eine Konsolidierung der europäischen Stahlindustrie für erforderlich", erklärt der Konzern.

Einige Analysten halten die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit anschließendem Börsengang für möglich. Durch einen Zusammenschluss könne der operative Gewinn des Joint Ventures um mehrere hundert Millionen Euro zulegen.

Gegen den Widerstand der mächtigen Arbeitnehmervertreter wird Thyssenkrupp eine Fusion kaum durchsetzen können. Sie befürchten im Fall eines Zusammengehens der Konzerne, dass Arbeitsplätze gestrichen werden.

Sollten Einsparungen vor allem durch einen Jobabbau und die Stilllegung von Hochöfen erzielt werden, dürften Betriebsrat und Gewerkschaften dem Management die Rote Karte zeigen.

"Ich sehe keinen plausiblen Grund für eine Fusion mit Tata Steel", sagt Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath. Thyssenkrupp Steel Europe gehöre zu den besten Stahlkonzernen in Europa. "Ich sehe nicht ein, warum hier Anlagen und Standorte geschlossen werden sollten. Das würde zu Widerstand führen."

"Wir sehen nicht, was durch einen Zusammenschluss mit Tata für uns besser werden soll", sagt auch Stahlbetriebsratschef Günter Back zu Reuters. "Das muss Herr Hiesinger uns erklären."

(APA/Reuters/red)