G-7-Treffen in Japan : Die vier größten Probleme westlicher Industriestaaten mit China

Bereits vor Beginn des japanischen G-7-Gipfels hatte Ministerpräsident Shinzo Abe darauf verwiesen, dass man sich auf einer Insel treffen werde, die übersetzt "Insel der Weisen" heiße. Vielleicht versuchten die sieben Staats- und Regierungschefs der westlichen Industriestaaten deshalb so kunstvoll, ein immer zentraler werdendes Thema ihrer Treffen öffentlich nur indirekt zu erwähnen - China.

Intern aber arbeitete sich der G-7-Klub gerade in immer mehr Feldern an der erstarkenden asiatischen Wirtschafts- und Militärmacht ab. Weil der besorgte Nachbar Japan diesmal Gastgeber des G-7-Treffens ist, lässt sich dies aber kaum überspielen.

Folgend die größten vier Probleme, die westliche Industrieländer mit der Politik und der Strategie von China haben.

Problem 1: Die Lage der Stahlindustrie als zentrales Thema des G-7-Gipfels

Ministerpräsident Shinzo Abe zieht also beim Blick auf die aktuelle Situation der Weltwirtschaft einen düsteren Vergleich zur Lage vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2008.

Bereits vor dem Gipfelbeginn hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darauf hingewiesen, dass Chinas Überkapazitäten die gesamte Stahlindustrie der Welt durcheinanderbringe. Auch die britische und die deutsche Regierung sind alarmiert.

So war auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Zahlen munitioniert nach Ise-Shima gekommen, nach denen Chinas Weltmarktanteil an der Stahlproduktion von 2004 bis 2014 von 25 auf 50 Prozent gestiegen und der EU-Anteil von 19 auf zehn Prozent gesunken ist. Anders ausgedrückt: Chinas Überproduktion ist derzeit so groß wie die gesamte Stahlproduktion der EU.

Ein-Parteien-Staat China drängt auf Anerkennung als Marktwirtschaft

Deshalb setzte die US-Regierung kurz vor dem G-7-Treffen mit der Verhängung hoher Antidumpingzölle für rostfreie Stahlimporte aus China in Höhe von 450 Prozent ein deutliches Zeichen. Die Botschaft von Ise-Shima soll heißen: Die EU, die Amerikaner und Japan wollen das von ihnen empfundene Dumping nicht länger hinnehmen.

Die Debatte, so hieß es in EU-Kreisen, könnte auch Auswirkungen auf die Entscheidung über einen Marktwirtschaftsstatus haben, den China unbedingt von der EU erhalten will. Denn rückt das Land möglicherweise noch in diesem Jahr in den Klub der anerkannten Marktwirtschaften auf, damit würden Antidumping-Maßnahmen sehr viel schwieriger.

Problem 2: Neue Strategie des Westens in Entwicklungsländern nötig

Zweites Thema mit China-Bezug ist in Ise-Shima die von den Japanern forcierte "Qualitätsinfrastruktur"-Initiative in Entwicklungsländern. Auch dahinter steckt die Sorge vor wachsender Konkurrenz Chinas auf den Weltmärkten.

Denn die Firmen aus dem Reich der Mitte kommen mit Hilfe der großen Devisenreserven des Landes und großzügigen Finanzierungen immer häufiger beim Bau großer Infrastrukturprojekte in Asien und Afrika zum Zuge.

Also versucht die G7 nun, die Thema "Qualität" und "Standards" dagegen zu setzen. Staaten hätten länger mehr von Investitionen, wenn diese "nachhaltig" seien, wird argumentiert. Also pocht die G7 auf rechtsstaatliche Standards und preisen diese als Stabilitätsfaktoren auch in Wirtschaftsbeziehungen.

Problem 3: Die Freihandelsabkommen TPP, TTIP, und die Rolle Chinas

Dazu wurde bei dem Zusammentreffen in Ise-Shima ein dritter Themenbereich deutlich: Die Verhandlungen zu den Freihandelabkommen der G-7-Staaten untereinander. Auch diese Initiativen zielen auf China, auch wenn man das nur hinter vorgehaltener Hand zugeben will.

Die USA haben mit asiatischen Ländern (ohne China) bereits das Abkommen TPP ausgehandelt. Die EU hat das Ceta-Abkommen mit Kanada abgeschlossen.

Ausklammerung der "Problemstaaten" China und Russland als Ziel

Nun verhandeln die Europäer noch mit Japan und feilen mit den USA feilen am sehr umstrittenen transatlantischen TTIP-Wirtschaftsabkommen. Sollten wie von Merkel gefordert beide Abkommen noch in diesem Jahr fertig werden, entstünde ein breiter Freihandelsraum auf der Nordhalbkugel - ohne die beiden "Problemstaaten" China und Russland.

Denn beiden wurde nach Angaben von Diplomaten auch bei den Beratungen in Ise-Shima vorgeworfen, die Spielregeln der internationalen Ordnung notfalls auch militärisch verändern zu wollen. Dazu nun der vierte Punkt >>

Problem 4: Militärische Eskalation im südchinesischen Meer nicht auszuschließen

Der vierte und mittlerweile fast dringendste Punkt in der Auseinandersetzung mit China ist die Lage im ost- und südchinesischen Meer. Die Streitigkeiten zwischen China und einer Reihe von Nachbarstaaten um unbewohnte Inseln haben eine Dimension erreicht, die in diplomatischen Kreisen die Sorge vor einer Eskalation wachsen lässt. So hatte es vor wenigen Tagen fast eine bewaffnete Auseinandersetzung amerikanischer und chinesischer Kampfflugzeuge gegeben.

Einigung auf gegenseitigen Beistand

Die G-7-Staaten einigten sich in Ise-Shima deshalb darauf, fest zusammenzustehen. Dies zielt vor allem auf ein in wenigen Tagen erwartetes Urteil des von den Philippinen angerufenen Seegerichtshofes. China hat bereits angekündigt, dass es den Schiedsspruch auf keinen Fall akzeptieren werde. Schließlich habe man sich nicht gemeinsam auf dieses Schiedsgerichtsverfahren geeinigt.

Eine ähnliche Situation wie in der Ostukraine ist denkbar

Für Japaner und die USA ist dies jedoch ein entscheidender Punkt: Kann China etwa mit dem Bau künstlicher Inseln und Militärstützpunkte seinen Kurs fortsetzen, droht in Ostasien aus Sicht des Westens dieselbe Entwicklung wie in der Ukraine. Dort hat Russland mit militärischen Mitteln durch die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim neue Fakten geschaffen.

Weil beides die internationalen Spielregeln aus Sicht der G-7-Staaten verletzt, rückten die sieben in Ise-Shima trotz aller ökonomischer Meinungsverschiedenheiten, wie man Wachstum fördert, so eng zusammen wie selten zuvor.

(Von Andreas Rinke / Reuters / APA / red)