Die Ereignisse im Überblick : Auch Benziner vom Abgasskandal betroffen - VW-Aktie bricht ein

Der Abgasskandal bei Volkswagen erreicht eine neue Dimension: Nicht nur gefährliche Stickoxide (NOx), auch klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) dürfte laut internen Untersuchungen von vielen Modellen in größeren Mengen ausgestoßen worden sein als angegeben. Damit könnte der tatsächliche Spritverbrauch von hunderttausenden Fahrzeugen höher liegen, als deren Besitzer bisher annahmen.

Am Dienstagabend hatte VW nach Manipulationen bei Stickoxid-Werten auch "Unregelmäßigkeiten" bei CO2-Werten einräumen müssen. Es gehe dabei hauptsächlich um Dieselautos, aber auch um eine geringe Anzahl von Benzinern. Wie hoch der gemessene Ausstoß über den offiziellen Werten liegt, sagte ein Sprecher zunächst nicht.

VW-Aktien in Frankfurt brechen um zehn Prozent ein

Die neuen Hiobsbotschaften schickten die Vorzugsaktie der Wolfsburger am Mittwoch abermals auf eine Talfahrt. Das Papier sackte nach dem Handelsbeginn in Frankfurt zeitweise um mehr als zehn Prozent ab. Europas größter Autobauer taxierte die wirtschaftlichen Risiken in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro.

VW sei in der Verantwortung und in der Pflicht, den entstandenen Schaden für die Kunden zu beheben, sagte der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch im Deutschen Bundestag. Am CO2-Ausstoß hängt bei Pkw mit Erstzulassung ab 1. Juli 2009 auch die Kfz-Steuer.

Deutscher Verkehrsminister will keine Mehrkosten nicht den Kunden

Nach Angaben des deutschen Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) sind unter den 800.000 Fahrzeugen mit falschen CO2-Werten auch 98.000 Benziner. Damit sind erstmals seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals Mitte September nicht mehr nur Diesel betroffen. Bisher ging es um Millionen Dieselautos und Werte zum gesundheitsschädlichen Stickoxid, diesmal um den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2).

"In Summe sind in Deutschland von den in Rede stehenden 800.000 Fahrzeugen rund 200.000 Fahrzeuge auf der Straße", so Dobrindt bei einer Rede im Deutschen Bundestag. "Wir gehen davon aus, dass es in diesen Fällen dazu kommt, dass die Kfz-Steuer angepasst werden muss", ergänzte er. "Wir arbeiten an einer Gesetzgebung, die dafür sorgt, dass nicht der Kunde durch diese Mehrkosten belastet wird, sondern der Volkswagen-Konzern."

Österreichs Autofahrer müssen Nova nicht nachzahlen

In Deutschland könnte die neue Dimension der Ereignisse auch finanziell gravierende Folgen haben. In dem Land hängt die Höhe der Kfz-Steuer für jüngere Pkw mit Erstzulassungsdatum ab 1. Juli 2009 auch am CO2-Ausstoß. Damit steht das Risiko im Raum, dass durch die Abgasmanipulationen Kfz-Steuern für Autos aus dem VW-Konzern zu niedrig festgesetzt worden sind.

In Österreich dagegen gibt es gute Nachricht für alle, die eines der vom Abgasskandal betroffenen Autos fahren: Autobesitzer müssen die NoVA nicht nachzahlen (mehr dazu hier). Die Autofahrer brauchen sich keine Sorgen über Steuernachzahlungen zu machen, heißt es aus dem Finanzministerium. Dagegen stehen die Händler in der Pflicht.

Vorstandschef Matthias Müller verspricht Aufklärung

Der neue Vorstandschef Matthias Müller versprach erneut eine "schonungslose" Aufklärung: "Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative." Der Aufsichtsrat reagierte "mit Betroffenheit und Sorge" auf die neuen Erkenntnisse.

Bisher ging es in dem Skandal ausschließlich um Stickoxide. Im September hatte VW eingestanden, bei Abgastests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Dieselmotoren manipuliert zu haben. Das Programm schaltet in Testsituationen in einen Sparmodus. In dem Zusammenhang musste VW bereits 6,7 Mrd. Euro zurückstellen.

Bei neuen Beschuldigungen der EPA steht es Aussage gegen Aussage

In den USA, wo der Abgasskandal seinen Ausgang nahm, wandte sich nach einem Bericht des Deutschlandfunks das Energie- und Handelskomitee des US-Repräsentantenhauses mit der Bitte um weitere Informationen an VW-Landeschef Michael Horn. Bis zum 16. November solle dieser weitere Dokumente vorlegen. Die Umweltbehörde EPA wirft VW, Audi und Porsche vor, auch bei größeren Dieselmotoren getäuscht zu haben.

Bis jetzt allerdings bestreitet VW die Vorwürfe vehement - es steht Aussage gegen Aussage. Doch falls die US-Behörde auch diesmal recht hat, muss sich Volkswagen dringend eine neue Verteidigungsstrategie überlegen.

Dazu berichtet die "Süddeutsche Zeitung", die AECD-Software, um die es bei den Ermittlungen geht, sei eine völlig legale Zusatzeinrichtung zur Emissionskontrolle. Mehr dazu hier.

Porsche stoppt den Verkauf des "Cayenne"

Porsche hat inzwischen den Verkauf des Geländewagens Cayenne mit Dieselmotor in den USA gestoppt. Man habe die Auslieferung der entsprechenden Modelle dort vorerst eingestellt, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. Man prüfe die Vorwürfe der EPA noch.

Mit Blick auf die CO2-Werte hatte die Holding der Stuttgarter VW-Luxustochter schon am Dienstagabend angedeutet, dass auch im Ergebnis der Porsche SE ein "belastender Effekt" eintreten könnte. Derzeit gehe man aber für 2015 weiter von einem Gewinn nach Steuern zwischen 0,8 und 1,8 Mrd. Euro aus - auch "unter dem Vorbehalt weiterer Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Dieselthematik".

Um welche Modelle es diesmal geht

VW hatte erklärt, im Rahmen der laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren sei aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden. Betroffen seien überwiegend Fahrzeuge mit Dieselmotoren. Es gehe um den Polo, Golf und Passat, sagte ein Sprecher. Bei Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia, bei Seat um den Leon und Ibiza.

Auch bei einem Benzinmotor mit Zylinderabschaltung gebe es Auffälligkeiten. Es handle sich aber um eine geringe Stückzahl. Bei den Dieselmotoren seien 1,4-, 1,6- und 2,0-Liter-Varianten betroffen.

Kohlendioxid ist stärkster Treiber des Klimawandels

CO2 ist zwar unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Treibhausgas und wesentlich für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Die CO2-Grenzwerte sind in der EU in den vergangenen Jahren nach schwierigen Verhandlungen verschärft worden.

Deutsche Politiker hinterfragen Rolle des Kraftfahrt-Bundesamts

Die Grünen sehen nun auch der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Zug. "Angesichts der Dimension des Skandals und dem damit verbundenen Schaden für die gesamte deutsche Automobilbranche reicht es nicht mehr aus, Aufklärung als Show zu simulieren", sagte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. Dobrindt müsse klare politische Regeln und Kontrollen durchsetzen.

Die Chefin des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, Bärbel Höhn, erklärte: "Offenbar hat VW bei der Ermittlung des Spritverbrauches illegale Techniken angewendet, um ihn nach unten zu korrigieren." Strittig ist auch die Rolle des Kraftfahrt-Bundesamts. Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sagte der "Rheinischen Post": "Es ist jetzt die Stunde des Kraftfahrt-Bundesamtes, das dringend für Aufklärung bezüglich der Abgaswerte im Realverkehr und bei Tests sorgen muss." (dpa/apa/red)