Luftfahrtindustrie : Airbus - neuer Auslieferungsrekord, neue Schwierigkeiten

Der Luftverkehr wächst in der ganzen Welt und die Flugzeughersteller kommen mit dem Bau neuer Jets kaum hinterher. Vor allem beim europäischen Airbus-Konzern wächst der unerledigte Auftragsberg dank der viel gefragten Mittelstreckenjets in bisher unerreichte Höhen, bei der Fertigung behielt der US-Rivale Boeing die Nase 2015 erneut deutlich vorn.

Airbus hat im Jahr 2015 mit 635 Maschinen so viele Flieger ausgeliefert wie noch nie in der Firmengeschichte. Gleichzeitig konnte sich das Unternehmen unter Chef Fabrice Bregier nach Abzug der Stornierungen 1.036 neue Aufträge sichern.

Riesiger Auftragsberg: Nicht nur ein Grund zur Freude

Damit ist die Zahl der bestellten Flugzeuge bis zum Jahresende auf insgesamt 6.787 gestiegen, ein Plus von 401 Maschinen gegenüber dem Vorjahr. Airbus gab den Gesamtwert der Aufträge bei der Präsentation der Zahlen in Paris mit 996,3 Milliarden Dollar oder umgerechnet rund 915 Milliarden Euro auf der Grundlage der Preisliste von 2015 an.

Bei der Präsentation der neuesten Zahlen zu den Aufträgen und zu den ausgelieferten Maschinen des vergangenen Jahres geht es wie immer um das Kräftemessen mit dem Rivalen aus den USA. Für Boeing sind die Zahlen schon bekannt: 762 neue Jets haben die Amerikaner 2015 an ihre Kunden ausgeliefert. Unterdessen gingen ähnlich viele Aufträge ein - nämlich für 768 neue Maschinen, Stornierungen herausgerechnet.

Der Auftragsberg ist vor allem für die Europäer auch ein Problem. Weil die Produktion nicht hinterherkommt, müssen Fluggesellschaften auf frisch georderte Maschinen immer länger warten. Ende November beliefen sich die Bestellungen bei Airbus auf 6.837 Flugzeuge. Den Berg abzuarbeiten, würde rein rechnerisch zehn Jahre dauern. Solange die Produktionszahlen nicht mithalten, wird der Stapel immer größer.

Sehr ungleiche Nachfrage in der Modellpalette

Die Nachfrage verteilt sich höchst ungleich auf die verschiedenen Flugzeugmodelle. Der neue Großraumflieger A350 ist gut gefragt, doch die Produktion läuft nur langsam hoch. Und von den kleineren Mittelstreckenjets der A320-Familie und der spritsparenden Neuauflage A320neo ordern Fluglinien oft hundert und mehr Flieger auf einen Schlag. Airbus baut deshalb in Hamburg eine neue Fertigungslinie. Weil auch die Zulieferer aufrüsten müssen, sollen erst ab Mitte 2019 jährlich rund 720 Mittelstreckenjets die Werke in Hamburg, Toulouse, Tianjin (China) und Mobile (USA) verlassen, um rund 200 mehr als bisher.

Auch deshalb war die im Dezember geplatzte Auslieferung der ersten A320neo ein herber Rückschlag. Nachdem die vorgesehene Erstkundin Qatar Airways an dem Flieger herummäkelte und sich die Lufthansa als erste Abnehmerin in Szene gesetzt hatte, verschob der Hersteller die Erstauslieferung kurz vor Silvester überraschend um einige Wochen - Termin offen.

Dabei hatte Airbus mit der "Neo" als erster die Zeichen der Zeit erkannt. Boeing verordnete seinem Konkurrenzmodell 737 erst eine spritsparende Frischzellenkur mit neuen Triebwerken und verbesserter Aerodynamik, nachdem Fluggesellschaften reihenweise die A320neo und deren Schwestermodelle A319neo und A321neo geordert hatten.

Verzögerungen und Schwierigkeiten beim Militärtransporter A400M

Schwierigkeiten hat Airbus auch mit seinem für das Militär entwickelten Transportflugzeug Airbus A400M. Ausgerechnet Frankreich, also neben Deutschland das Land, in dem sich die wichtigsten Standorte von Airbus befinden, hat wegen Problemen mit dem A400M für den Kauf von vier Transportern C130 Hercules des US-Herstellers Lockheed-Martin entschieden. Die Lieferung der C130 könnte nach Informationen aus Militärkreisen 2017 beginnen.

Der Militärtransporter war für 20 Milliarden Euro für sieben europäische NATO-Staaten entwickelt worden. Die französischen Streitkräfte setzten ihn in Mali ein. Andere Käufer sind Belgien, Großbritannien, Deutschland, Luxemburg, Spanien und die Türkei. Einziger Exportkunde ist bisher Malaysia. Zuletzt hatte Airbus seine europäischen Kunden vergangenen Juli über Lieferprobleme informiert. Im Mai 2015 war ein A400M bei einem Testflug abgestürzt.

Auch kam es beim Airbus A400M mehrfach zu Verzögerungen und Kostensteigerungen. Derzeit kann Airbus noch nicht die geplanten hochmodernen Verteidigungssysteme des Flugzeugs gegen Raketen oder gegnerisches Radar installieren. Die Kunden müssen sich daher für eine Standardversion entscheiden oder auf eine spätere Lieferung warten.

Verkauf der Militärsparte Orlando macht "gute Fortschritte"

Ein in Fachkreisen mit großer Spannung verfolgter Prozess ist auch der gerade laufende Verkauf der Militärsparte von Airbus an zuletzt nur mehr zwei Finanzfirmen - KKR und Carlyle. Die Verkaufsgespräche der Militärsparte "Orlando" machten gute Fortschritte, sagen dazu auf Nachfrage Strategie-Chef Marwan Lahoud vor wenigen Tagen. Der deutsche Waffenhersteller Rheinmetall ist offenbar trotz einer Befürwortung aus Berlin aus dem Bieterprozess wieder draussen - mehr dazu hier.

Das unter dem Namen "Orlando" zusammengefasste Elektronikgeschäft umfasst Radarkomponenten, Optronik, Grenzkontrollsysteme und Komponenten zur elektronischen Kriegsführung. Ob die Grenzsicherungssysteme und die Immobilien mit verkauft werden, gilt als offen.

Zuletzt kündigte der Flugzeug- und Rüstungskonzern im Dezember an, schon bald einen Käufer für das auf bis zu 1 Mrd. Euro taxierte Geschäft auszuwählen. Das sei eine Frage von Stunden oder Tagen, sagte damals Marwan Lahoud. Für Airbus Defence Electronics seien sechs Angebote eingegangen. Zwei davon seien deutlich höher gewesen als die anderen, wie Eingeweihte berichten.

Riesenflieger als Riesenproblem

Bei ihren größten Maschinen blieben die Hersteller im vergangenen Jahr hingegen Leidensgenossen. Boeings Jumbo-Jet 747-8 und der doppelstöckige Airbus A380 machen kaum noch eine Airline heiß. Boeing sammelte für seinen Jumbo-Jet 747-8 netto zwei Aufträge ein, und dies nur dank der Frachtversion. Airbus ging bei der A380 nach bisherigem Stand leer aus. Insidern zufolge soll immerhin die japanische All Nippon Airways (ANA) drei A380 abnehmen, doch selbst das wäre für Airbus nur ein Trostpflaster. Denn ANA ist bei der insolventen Fluglinie Skymark eingestiegen, die sechs A380 bestellt hatte. Laut der japanischen Zeitung "Nikkei" ist der ANA-Airbus-Deal ein Kompromiss mit Airbus, um einer Vertragsstrafe aus der stornierten Skymark-Bestellung zu entgehen.

Noch im Sommer hatte sich Airbus-Verkaufschef John Leahy für 2015 Aufträge für 25 Exemplare des Riesenfliegers zum Ziel gesetzt. Wenn sich der Vorstand für seine Jahresbilanz keine Überraschung aufgehoben hat, drohen Airbus bei der A380 weiterhin die Bestellungen auszugehen.

Großkunde Emirates, der 140 Exemplare geordert und rund die Hälfte davon bereits in Betrieb hat, dringt auf eine Neuauflage als A380neo, die deutlich weniger Sprit verbraucht. Doch der Hersteller ziert sich wegen der hohen Entwicklungskosten. Eine zunächst für Ende 2015 anvisierte Entscheidung hat Airbus-Konzernchef Tom Enders ins neue Jahr verschoben. (dpa/reuters/apa/red)