Pumpspeicherkraftwerke in Tirol : Umweltschutz als Hemmschuh für die Energiewende?

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Erfahren Sie, wie der Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken in Tirol eine Debatte über Umweltschutz und die Zukunft der Energiewende ausgelöst hat. Welche Argumente stehen auf beiden Seiten und wie wirken sich diese Projekte auf die Umwelt aus?

- © Getty Images/iStockphoto

Zwei sehr gute Beispiele, um dieses Spannungsfeld aufzuzeigen, finden sich in Tirol. Dort realisiert beziehungsweise plant der Landesenergieversorger Tiroler Wasserkraft, kurz TIWAG, zwei Pumpspeicherkraftwerke. Eines davon, das Kraftwerk „Kühtai 2“, befindet sich bereits seit 2021 im Bau und das andere, das Kraftwerk „Kaunertal“, wurde im Februar dieses Jahres erneuert zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht.

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Streit ums Wasser

Die Geschichte des Projekts im Kaunertal reicht bereits mehr als zehn Jahre zurück. Die Pläne für das Projekt der TIWAG wurden 2012 erstmals zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht. Zwischenzeitlich lag die Umweltverträglichkeitsprüfung auf Eis, da es einen Streit um die Verwendung des Wassers der Venter Ache gab. Das Landesverwaltungsgericht Tirol, welches über den Fall zu entscheiden hatte, gab dem Projektwerber TIWAG im April 2021 Recht. Doch dagegen wurde Beschwerde eingelegt, weshalb sich der Verwaltungsgerichtshof damit zu befassen hatte. Dieser bestätigte das Urteil des Landesverwaltungsgerichts und wies die Beschwerde ab. Somit steht einer Wiederaufnahme der Umweltverträglichkeitsprüfung nichts mehr im Weg.

Gigantischer Ausbau & Kritik wird laut

Die aktuellen Pläne der TIWAG umfassen einen Ausbau des zwischen 1961 und 1964 erbauten Kraftwerks Kaunertal. Dieses mehr als zwei Milliarden Euro teure Projekt umfasst den Bau eines Staudamms mit 120 Meter Höhe und 450 Meter Breite im benachbarten Platzertal, welches damit im Staubereich geflutet werden würde. Um diesen, durch den Damm entstehenden gigantischen Speichersee mit einem Fassungsvermögen von 42 Millionen m3 mit Wasser füllen zu können, muss Wasser aus dem Ferwallbach, dem Königsbach, der Gurgler Ache und der Venter Ache ausgeleitet werden. Hier knüpft auch die Kritik der Kraftwerksgegner an. Diese machen sich für den Erhalt des Platzertals in seiner bestehenden Form stark, da sich dort ein Moor in einer weitestgehend unberührten Landschaft befindet, welche von einem komplett unregulierten, naturbelassenen Fluss durchquert wird. Weiters wird von den Umweltschützern vorgebracht, dass durch die Wasserausleitungen an den Gebirgsbächen und -flüssen die Wassermenge im Ötztal merklich reduziert wird. Somit wird einem bereits von Natur aus niederschlagsarmen Gebiet weiter Wasser entzogen.

Am anderen Ende des Kraftwerks wiederum, also bei der Ausleitung, welche bei Prutz in den Inn mündet, käme es laut Einschätzung der Umweltschützer zu einer weiteren Verstärkung der Schwallbelastung durch das eingeleitete Wasser des Kraftwerks und damit zu ökologischen Schäden. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die umfangreichen Baumaßnahmen, die zur Errichtung notwendig sind. Diese umfassen neben der Staumauer vor allem die Stollen für den Wassertransport. Das Ötztal, aus welchem das Wasser zugeleitet werden soll und der geplante Speichersee im Platzertal sind 23 Kilometer entfernt. Diese Distanz muss überbrückt werden. Die Liste der Kritiker umfasst neben dem österreichischen auch den deutschen Alpenverein, den Naturschutzbund, den WWF und einige mehr. Unter Federführung des WWF wurde 2022 die „Kaunertaler Erklärung“ präsentiert, mit der der WWF und 30 weitere Organisationen den Stopp des Ausbaus des Kraftwerks fordern.

„Kühtai 2“ bereits im Bau

Neben der Kritik am geplanten Kraftwerk im Kaunertal verweisen die Kritiker hinsichtlich der befürchteten Auswirkungen auf ein weiteres Kraftwerk, welches die TIWAG einige Kilometer entfernt errichtet, das Kraftwerk „Kühtai 2“. Dieses Projekt ist die letzte Ausbaustufe der Kraftwerksgruppe Sellrain- Silz und umfasst neben der Errichtung eines dritten Speichersees, dem „Speicher Kühtai“ mit einem Fassungsvermögen von 31 Millionen m3, auch den Bau eines weiteren unterirdischen Pumpspeicherkraftwerks, dem Kraftwerk „Kühtai 2“. Auch hier gab es massiven Widerstand der Kritiker und Umweltschützer, die auch in eine juristische Auseinandersetzung mündeten.

Dieser Rechtsstreit ging bis zum Verwaltungsgerichtshof, der im Juni 2020 grünes Licht für den Ausbau gab. Auch hier richtete sich die Kritik gegen die Baumaßnahmen selbst und die notwendig gewordene Erschließung zusätzlicher Wasserquellen aus dem Stubai- und dem Ötztal. Neben Umweltverbänden haben sich auch die Grünen im Tiroler Landtagswahlkampf vergangenen Herbst gegen Pumpspeicherkraftwerke positioniert. Zuvor, von 2013 bis 2022, waren die Grünen Koalitionspartner der ÖVP in der Landesregierung. Die aktuell regierende Koalition aus ÖVP & SPÖ steht hinter dem Projekt. Von den Grünen wurde als Gegenvorschlag zu den Erweiterungsvorhaben der TIWAG angeregt, auf den Ausbau von Photovoltaik und Windrädern zu setzen und so dieselbe Leistung wie die Kraftwerke zu erzielen.

Für und wider

Das diese Kraftwerksbauten einen massiven Einschnitt in die Natur bedeuten, steht außer Frage. Jedoch muss in einer umfassenden Interessensabwägung berücksichtigt werden, dass die Möglichkeit, Energieüberschüsse speichern und Netzstabilität gewährleisten zu können, gerade in Zeiten des beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energien dringend geboten und in dieser Form aktuell nur mit Pumpspeicherkraftwerken zuverlässig möglich ist. Dafür braucht es auch eine entsprechende Topographie, die nur an ausgewählten Orten zu finden ist. Sicher wird auch an Anlagen mit Batteriespeichern gearbeitet und erste Pilotanlagen befinden sich in Betrieb, jedoch unterliegen auch Batterien einem Alterungsprozess, welcher die Kapazität schwanken lässt.

Ob ein Batteriespeicher ökologisch besser abschneidet, muss ebenfalls kritisch hinterfragt werden. Weiters wurden vom Projektwerber auch Ausgleichsmaßnahmen wie die Verpflanzung des Moors und die Renaturierung bereits verbauter Gewässerstrecken realisiert sowie bereits bestehende Querbauwerke hinsichtlich ihrer Fischdurchgängigkeit adaptiert. Nach Fertigstellung des Pumpspeicherkraftwerks „Kühtai 2“ kann dieses 216 Millionen Kilowattstunden und das Pendant im Kaunertal ungefähr 886 Millionen Kilowattstunden an erneuerbarer Energie liefern. Unabhängig von Sonne oder Wind, Tag und Nacht.

  • Nach Fertigstellung kann das Kraftwerk „Kühtai 2“ 216 Millionen kWh und das Pendant im Kaunertal ungefähr 886 Millionen kWh liefern.
  • Die Investitionen in den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal betragen mehr als zwei Milliarden Euro.
  • Das Ötztal, aus dem das Wasser zugeleitet werden soll und der geplante Speichersee im Platzertal sind 23 km entfernt.