Wirtschaft Kärnten & Steiermark : Wie den Wohlstand erhalten? Mandl und Herk im Interview

Präsidente der Wirtschaftskammer Steiermark, Josef Herk

Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark, Josef Herk: "Bei der Verbesserung der internationalen Wahrnehmung der Steiermark gibt es noch Potenzial nach oben."

- © oliver wolf foto gmbh

Die Wirtschaft startet mit eher getrübtem Ausblick in das neue Jahr. Wie sehen Sie den Wirtschaftsstandort Südösterreich gerüstet? Wo sehen Sie für die Landespolitik die größten Handlungsfelder hinsichtlich der Standortqualität?

Josef Herk:
Wenn die Leistungsanreize für die Wirtschaft auf politischer Seite verbessert werden, blicke ich dem Jahr positiv entgegen: Steuerliche Anreize zur Erhöhung der Vollzeitquote oder Erleichterungen am Arbeitsmarkt für internationale Fachkräfte um hier nur zwei Beispiele zu nennen. Die Landespolitik kann diese Maßnahmen einfordern und parallel dazu die Rahmenbedingungen im Bereich Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur schaffen. Bei der Verbesserung der internationalen Wahrnehmung der Steiermark gibt es auch noch Potenzial nach oben. 


Jürgen Mandl:
„Eher getrübt“ ist eine Untertreibung. Bei unserem regelmäßig abgefragten Konjunkturbarometer vor Weihnachten war die Stimmung bei den Unternehmerinnen und Unternehmern so mäßig wie noch nie, sogar schlechter als bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 oder während der Corona-Pandemie 2021. Die Landespolitik kann der Wirtschaft dann am meisten helfen, wenn sie sie ihre Arbeit machen lässt und die bürokratischen Hürden auf ein Mindestmaß senkt.

Der Faktor Arbeit ist knapp und wird aufgrund der demographischen Entwicklung knapp bleiben
Josef Herk

Sie sind mit dem Motto “Leistung muss sich lohnen“ ins neue Jahr gestartet. Warum braucht es wieder ein Bekenntnis zur Leistung, um Sozialstaat und Wohlstand abzusichern?

Mandl:
Das fordere ich seit Monaten. Wir brauchen nicht über Schlagworte wie die Work-Life-Balance und 32-Stunden-Wochen nachzudenken, sondern sollten verstehen, dass wir uns wieder mehr anstrengen sollten, nicht weniger. So heißt auch die österreichweite Kampagne, die wir gegen die Arbeitszeitverkürzung gestartet haben, um den Wert von Arbeit und Leistung für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft wieder stärker in den Vordergrund zu rücken.


Herk:
Weil es sich sonst nicht ausgehen wird, unseren Status Quo beim Wohlstand ansatzweise aufrecht zu erhalten. Der Faktor Arbeit ist knapp und wird aufgrund der demographischen Entwicklung knapp bleiben. Daher müssen die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt werden, damit wir unseren gesamtwirtschaftlichen Output aufrechterhalten können. Schaffen wir das nicht, begeben wir uns in ökonomische Abhängigkeiten, eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit ist die Folge. Arbeitskräfte fehlen zudem im Gesundheits- und Pflegewesen, der Kinderbetreuung oder dem Bildungspersonal generell. Brechen diese Bereiche weg, ist unser gesellschaftliches Wohlergehen massiv gefährdet. Am Ende des Tages geht es hier auch um Solidarität.



Wie wirken sich die nach wie vor hohen Energiepreise und gestiegene KV-Abschlüsse auf die Betriebe in der Steiermark aus und was sind Ihre Forderungen bzgl. Maßnahmen von der Politik, um den Kostendruck auf die Wirtschaft wieder zu senken?



Mandl:
Für unsere Wettbewerbsfähigkeit ist das Gift. Die Politik muss umgehend die Lohnnebenkosten und die Energiepreise senken und die Inflation in den Griff kriegen – sonst wird sie einen Kahlschlag in der Wirtschaft erleben, wie es ihn noch selten gegeben hat.


Herk:
Mittelfristig müssen zudem Wege von staatlicher Seite gefunden werden, die Energiepreise zu stabilisieren, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes nicht weiter zu gefährden. Der erwartete, massive Anstieg der Netzausbaukosten aufgrund der ambitionierten Zielvorgaben darf z.B. nicht 1:1 auf die Unternehmen und private Konsumenten abgewälzt werden.

Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten, Jürgen Mandl
Jürgen Mandl: "Die Politik muss umgehend die Lohnnebenkosten und die Energiepreise senken und die Inflation in den Griff kriegen." - © WK Kärnten/Helge Bauer
Die Politik muss umgehend die Lohnnebenkosten und die Energiepreise senken und die Inflation in den Griff kriegen
Jürgen Mandl

Welche infrastrukturellen Investitionen braucht der Wirtschaftsstandort Steiermark, um wettbewerbsfähig zu bleiben?


Herk:
Den Bau des neuen Bosruck-Eisenbahntunnels bis zum Jahr 2040 zur Verlagerung von mehr Gütern von der Straße auf die Schiene, zwei zusätzliche Gleise zwischen Graz und Bruck/Mur sowie auf der Straße den dreispurigen Ausbau der A9 - Pyhrnautobahn. Die Fortsetzung der Breitbandinitiative sehe ich ebenfalls als essentiell an.


Mandl:
Wir sind seit Jahrzehnten benachteiligt. Die Südautobahn wurde erst 1999 fertig, eine vernünftige Bahnverbindung nach Wien wird erst mit Inbetriebnahme des Koralmtunnels 2025 und des Semmeringtunnels vielleicht 2027 Realität. Wie die Baltisch-Adriatische Achse durch Kärnten geführt wird, ohne das touristische Herz Kärntens, den Wörthersee, zu zerstören, steht in den Sternen. Sie sehen: Da ist noch viel zu tun.


Trotz aller Herausforderungen im heurigen Jahr: Welche Potenziale und Chancen bietet der gemeinsame Wirtschaftsraum Südösterreich für die Zukunft? 



Herk:
Generell sollte die Area Süd noch stärker in den Fokus der Landespolitik rücken, um die Jahrhundertchance Koralmbahn nutzen zu können. Eine gemeinsame Regierungsklausur auf Expertenebene unter Einbindung der Sozialpartner in der Steiermark und Kärnten sollte dabei der nächste Schritt sein. Potentiale gibt es in allen wirtschaftspolitischen Kernbereichen (von Bildung und Innovation bis hin zur Infrastruktur, der Internationalisierung oder gemeinsamer Projekte im Verwaltungsbereich).


Mandl:
Die Koralmbahn und die damit entstehende AREA Süd als zweitgrößter Wirtschaftsraum Österreichs mit 70 Mrd. Euro Wertschöpfung können der Gamechanger für den Süden sein – wenn wir uns infrastrukturell, mit der Anbindung aller Regionen, mit abgestimmter Wirtschafts-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik gut darauf vorbereiten.