Emissionen : Jetzt kommt das große Umdenken in der Klimapolitik

Solar Photovoltaik Innogy RWE Eon Energie Strom Stromnetz Energiewende

Fotovoltaikanlagen in den ertragreichsten Regionen der Welt können 10-Mal so viel Sonnenstrom erzeugen als jene im globalen Norden. Entsprechend sind auch die Investitionskosten effizienter.

- © Innogy

In Österreich sanken die Treibhausgasemissionen von 2021 auf 2022 erstmals um 5,8 Prozent und 2023 nochmals um knapp sieben Prozent. Insgesamt sind die Emissionen aus fossilen Energieträgern aber weiter angestiegen.

Betrachtet man die Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamtes, so ist der Rückgang fast ausschließlich auf einen geringeren Energieverbrauch zurückzuführen. Zum einen durch Einsparungen in den Betrieben, zum anderen durch milde Winter, die die Heizperiode deutlich verkürzten. Der geringere Energieverbrauch der Unternehmen ist wiederum eine Folge von Effizienzsteigerungsmaßnahmen, aber auch der eingetrübten Wirtschaftslage. Das ist nicht unbedingt ein Grund zum Jubeln, denn die Emissionsreduktionen in Österreich gingen mit realen Wohlstandsverlusten einher.

Nie mehr die wichtigsten Nachrichten über Österreichs Wirtschaft und Politik verpassen. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter: Hier geht’s zur Anmeldung!

Wie mehrere europäische Wirtschaftsforschungsinstitute im vergangenen Jahr errechnet haben, wäre deutlich mehr Wachstum nötig, um den Green Deal der EU-Kommission umzusetzen. Dazu braucht es aber eine starke Wirtschaft, die die nötige Wertschöpfung generiert. Für Österreich hat das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria (im Auftrag von Oecolution) kürzlich errechnet, dass wir ein Wirtschaftswachstum von 9,9 Prozent brauchen, um bis 2040 Null-Emissionen zu erreichen, und 7,4 Prozent Wachstum, um zumindest klimaneutral zu werden.

Emissionen pro BIP-Einheit (2021)

Tonnen CO2-Äquivalent pro Millionen EUR BIP

Quelle: Umweltbundesamt


Schweden: 94

Dänemark: 142

Luxemburg: 151

Irland: 154

Malta: 164

Frankreich: 179

Finnland: 207

Österreich: 212

EU-27: 237

Unbezahlbar ohne Wachstum

Ohne entsprechendes Wachstum können weder die Kosten der Energie- und Mobilitätswende finanziert noch Wohlstand und Sozialstaat erhalten werden. Wichtig ist, dass es sich um grünes Wachstum handelt und die Entkopplung von Treibhausgasemissionen gelingt.

Dass dies möglich ist, hat bereits 2014 eine umfassende Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der grünen Heinrich-Böll-Stiftung gezeigt. Bis 2014 ging der Anstieg der globalen Wirtschaftsleistung mit einem Anstieg der BIP-basierten CO2-Emissionen einher. Seit 2014 ist weltweit eine Entkopplung zu beobachten.

Das heißt, die Wirtschaft wächst global, aber die Emissionen sinken relativ zum Anstieg der Wirtschaftsleistung. Eine 2022 veröffentlichte Studie von William F. Lamb et al. am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hat festgestellt, dass es bisher 24 Ländern weltweit gelungen ist, ihre CO2-Emissionen zwischen 1970 und 2018 konstant zu reduzieren. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen Wohlstand und Klimafreundlichkeit. So zeigt auch eine Analyse des Umweltbundesamtes von 2021, dass die klimafreundlichsten Länder vor allem Staaten mit hochentwickelten Sozialsystemen und hoher Wirtschaftskraft sind. Ausschlaggebend dafür ist der CO2-Ausstoß pro BIP-Einheit.

Auch Österreich konnte in den letzten 20 Jahren seine Emissionen vom Wirtschaftswachstum entkoppeln. Insgesamt stieg das BIP in diesem Zeitraum um rund 25 Prozent, die Emissionen sanken relativ um 21,6 Prozent.

Hinkende Vergleiche

Dass es aber mehr marktwirtschaftliche Anreize braucht, um die Klimaziele zu erreichen, wird von Umwelt-NGOs oft bestritten. Und auch in der Wissenschaft werden oft Birnen mit Äpfeln verglichen. Zahlreiche Studien belegen angeblich immer wieder, dass grünes Wachstum nicht funktioniert und eine Reduktion des Wirtschaftswachstums, also quasi ein Schrumpfen, notwendig ist.

Beispielsweise argumentiert eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Leeds und der Universität Barcelona, dass bisher nur 11 Länder die Entkoppelung geschafft haben (Österreich ist eines davon), es aber noch 220 Jahre dauern wird, bis die angestrebte Reduktion von 95 Prozent bis 2050 erreicht ist. Grünes Wachstum, so die Schlussfolgerung, funktioniere nicht.

Der ORF berichtete ausführlich über diese Studie. Das Gegenteil ist der Fall. Emissionsreduktionen waren bisher nur durch grünes Wachstum möglich (Ziel ist immer die gleichzeitige Aufrechterhaltung von Wohlstand und sozialstaatlichen Leistungen). Dass sich dies nicht auf die weltweiten CO2-Emissionen ausgewirkt hat, liegt daran, dass das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern und den so genannten neuen Industrieländern (wie z.B. Indien, China oder auch Indonesien) noch nicht von den Emissionen entkoppelt ist.

Die Messung absoluter CO2-Emissionen pro Land ist ebenso wenig aussagekräftig wie die Berechnung von Pro-Kopf-Emissionen. Im ersten Fall werden unterentwickelte Länder immer weniger CO2 ausstoßen als entwickelte Wohlfahrtsstaaten. So sind die CO2-Emissionen in Venezuela seit der Machtübernahme des sozialistischen Präsidenten Maduro im Jahr 2013 dramatisch gesunken.

Aber auch der Wohlstand ist eingebrochen. Bei den Pro-Kopf-Emissionen wird die materielle Ungleichheit in einem Land zu wenig berücksichtigt. So haben die über sechs Millionen Millionäre in China sicherlich einen weit höheren ökologischen Fußabdruck als der Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung. Die große Masse der wesentlich ärmeren Mehrheitsbevölkerung verzerrt aber das Ergebnis. Jene Länder, die ihre CO2-Emissionen in Relation zum BIP reduzieren konnten, sind aber tendenziell auch jene, die absolute Reduktionen erreicht haben.

Energieproduktion als größter Hebel

Es zeigt sich, dass die Art und Weise, wie ein Land seine Energie erzeugt, der größte Hebel ist, um eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionen zu erreichen. So schneidet Frankreich aufgrund seiner starken Nutzung der Kernenergie sehr gut ab. Auch Schweden und Dänemark, die fast vollständig dekarbonisierte Energieversorgungssysteme haben, schneiden sehr gut ab.

Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, sind also weltweit deutlich mehr Investitionen in erneuerbare Energien notwendig. Die Frage ist jedoch, wo die Mittel am effektivsten eingesetzt werden können. So ist die Produktion erneuerbarer Energien in den Ländern des globalen Südens um den Faktor 10 effizienter.

Das heißt, wenn nur 10 Prozent der Kosten für die Energiewende eines führenden Industrielandes wie Deutschland (geschätzt 1,1 Billionen Euro bis 2045) in Ländern rund um den Äquator investiert würden (also rund 100 Milliarden Euro), könnte der gleiche globale Einsparungseffekt durch Dekarbonisierung der globalen Primärenergie deutlich günstiger erreicht werden. Kosteneffizienz pro eingesparter Tonne CO2 ist eine wesentliche Denkrichtung, die die Politik einschlagen sollte, wenn sie tatsächlich globale Emissionsreduktionen erreichen will.