WK-Spartenobmann Michael Velmeden : „Die Situation ist wirklich ernst“

Michael Velmeden, Industrieller und Industrie-Spartenobmann der WK-Kärnten.

"Arbeitsintensivere Unternehmen zum Beispiel in der in Kärnten so starken Metallindustrie wissen nicht mehr, wie sie ihre Löhne zahlen sollen."

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WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN: Sehr geehrter Hr. Velmeden, die Lage der Industrie ist aktuell in ganz Österreich angespannt. Wie stellt sich die Lage für die Kärntner Industrie im Speziellen dar?


Michael Velmeden:
Die konjunkturellen Erwartungen sind gedämpft. Dazu tragen vor allem die hohen und asymmetrischen KV-Abschlüsse bei. Kaum irgendwo lag die Inflationsrate so hoch, kaum irgendwo waren die Lohnerhöhungen so hoch. Das trifft uns massiv auf allen Märkten. Arbeitsintensivere Unternehmen z.B. in der in Kärnten so starken Metallindustrie wissen nicht mehr, wie sie ihre Löhne zahlen sollen. Die höheren Kosten sind nicht in den Preisen unterzubringen.

Sie haben bereits mehrfach die hohen Energiepreise für die Betriebe kritisiert. Immer mehr Energieversorger weisen aber beträchtliche Gewinne in ihren Bilanzen aus. Waren die Maßnahmen der Politik richtig gesetzt bzw. braucht es ein Eingreifen in die Strommarktpreise vonseiten der Politik, um den Industriestandort abzusichern?


Velmeden:
Die Energiepreise sind immer noch deutlich höher als vor der Pandemie und vor allem deutlich höher als in anderen Regionen sogar Europas. Das kostet uns Wettbewerbsfähigkeit. Die schleichende Abwanderung der energieintensiven Industrie ist eine Tatsache, die wir nicht leugnen können. Staatliche Kompensationen für zu hohe Energiepreise sind zwar positiv, werden uns auf Dauer aber nicht retten. Von der Energiepreisbremse konnte die Industrie nicht profitieren, sondern nur Haushalte. Die Energieversorger sollten die Gewinne jetzt in den Netzausbau investieren, damit der Industriestandort abgesichert ist.

Das eigentliche Problem ist die Strompreisbildung. Zu den Gewinnen der Stromversorger möchte ich Sie bitten, direkt dort nachzufragen. Dass all jene, die stark in der erneuerbaren Eigenerzeugung sind, von der Marktsituation der vergangenen Jahre profitiert haben, ist evident. Energiepolitik ist ein sehr komplexes Thema. Das beginnt mit der Versorgungssicherheit, bei der entsprechend realistische Entwicklungspläne beim klimafreundlichen Umbau der Energiesysteme zugrunde gelegt werden müssen und endet bei Preisniveaus, die unsere Industrie braucht, um überleben zu können. Ohne auf Details einzugehen: Österreich ist hier wenig vorausschauend, was auch mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen im gelebten „Förderalismus“ zusammenhängt. Schauen Sie sich allein den Windkraftausbau an, vergleichen Sie das Burgenland mit Tirol oder Salzburg. Da muss sich dringend schnell etwas ändern.

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Michael Velmeden: "Kaum irgendwo lag die Inflationsrate so hoch, kaum irgendwo waren die Lohnerhöhungen so hoch. Das trifft uns massiv auf allen Märkten."

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Kärnten hat eine schwierige demographische Entwicklung. Ausreichend Fachkräfte sind aber ein entscheidendes Asset für den Wirtschaftsstandort Kärnten. Haben Standortmarketing und Co. bislang die gewünschten Anwerbe-Erfolge gebracht? 

Velmeden:
Die Kärntner Industrie hat schon vor vielen Jahren als erste Institution überhaupt auf Kärntens schwierige demografische Situation hingewiesen. Das Problem wurde von Seiten der Politik lange unterschätzt. Standortmarketing & Co, wie Sie es nennen, hatten einen holprigen Start. Unterdotiert und untereinander zu wenig vernetzt, hatten Institutionen wie das Standortmarketing oder die BABEG (Betriebsansiedlungs- und Beteiligungsgesellschaft) potenziellen Zuwanderern kaum attraktive Angebote zu machen. Kärnten war da gegenüber anderen Bundesländern kaum sichtbar. Seine volle Wirksamkeit wird das System erst entwickeln können, wenn die im Regierungsprogramm der SP-VP-Koalition vereinbarte Arbeitskräfteagentur umgesetzt ist. Wichtig ist uns jedenfalls, dass hier auch das von der Industrie mit initiierte und privat von Unternehmen und Institutionen finanzierte Carinthian International Center mit eingebunden wird, das schon seit Jahren sehr erfolgreich „Expats“ beim Ankommen in Kärnten unterstützt.


Wo muss das Land Kärnten in Sachen Standortqualität aus Ihrer Sicht am dringendsten nachbessern?


Velmeden:
Standortqualität ist von so vielen Faktoren abhängig. Nehmen Sie z.B. das eben auf europäischer Ebene beschlossene Lieferkettengesetz, das sich zum regelrechten Supergau entwickeln könnte. Dass jetzt am Papier nur große Betriebe betroffen sind, heißt gar nichts. Auch die kleinen in Europa werden sich in den Lieferketten dem Druck nicht entziehen können. Für Kärnten habe ich schon einige Probleme im Energiebereich skizziert. Wir begrüßen es sehr, dass das Energiereferat hier im Bereich Entbürokratisierung einiges vorhat. Das Standortmarketing ist – wie gesagt – ebenfalls wichtig. Besonders wird sich Kärnten aber auch bei der Intensivierung von Forschung & Entwicklung engagieren müssen. Wir haben die Situation, dass inzwischen fast drei Viertel der Forschungsausgaben von nur einem einzigen Unternehmen geleistet werden. Das verstellt den Blick auf völlig unzureichende Forschungsleistungen der übrigen Player. Ja, wir haben seit Jahrzehnten erfolgreich Forschungszentren in Kärnten angesiedelt. Allein es ist uns nicht gelungen, dass diese auch entsprechend in der heimischen Wirtschaft verankert sind. Bei unserem hohen Lohnniveau brauchen wir mehr Innovation. Das wird für die kommenden Jahre eine der größten Herausforderungen.

Bei unserem hohen Lohnniveau brauchen wir mehr Innovation. Das wird für die kommenden Jahre eine der größten Herausforderungen.

WK-Präsident Harald Mahrer ließ kürzlich aufhorchen, dass 4 von 10 Betrieben in Österreich über Abwanderung nachdenken. Wie ist ihre Einschätzung für Kärnten? Wie entwickelt sich das Investitionsverhalten?

Velmeden:
Die Situation ist wirklich ernst, darin möchte ich Präsident Mahrer unbedingt zustimmen. Ich möchte hier eine differenzierte Antwort geben. Einmal haben wir auf Landesebene keine Zahlen, welche Betriebe die Absicht hätten, abzuwandern. Abwandern wird auch eher für größere internationale Unternehmen ein Thema sein. Andere werden sich vielleicht darauf beschränken, bestimmte teure und arbeitsintensive Produktionsteile auszulagern. Noch andere werden vielleicht gar nicht mehr in Österreich produzieren wollen, oder sie sperren überhaupt zu. In den meisten Fällen gehen solche Prozesse schleichend vonstatten, wie wir es etwa jetzt schon in der energieintensiven Industrie sehen. Das Investitionsverhalten ist sehr zögerlich, das bestätigen uns alle Wirtschaftsforscher. Das deckt sich auch mit den Rückmeldungen unserer Betriebe. Das Umfeld ist auch nicht einladend. Die Folgen davon wird man allerdings erst in Jahren sehen. Das ist leider das Gefährliche daran.