Österreich : Der Standort braucht Lebensraum

Standort Österreich: Wo Gewerbe- und Wirtschaftsstrukturen entstehen, hat großen Einfluss auf Transport- und Pendlerwege und wie sich die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für Betriebe entwickelt.

Wo Gewerbe- und Wirtschaftsstrukturen entstehen, hat großen Einfluss auf Transport- und Pendlerwege und wie sich die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für Betriebe entwickelt.

- © Industrial Arts - stock.adobe.com

Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag begrenzen. Während Umweltverbände, die Hagelversicherung und die Landwirtschaftskammer dieses Ziel unterstützen, kommt von den Landesregierungen und Gemeinden zum Teil ablehnende Skepsis.

Auch die Wirtschaft ist über die standortpolitischen Auswirkungen dieser Vorgaben verunsichert. Heruntergebrochen auf die Gemeinden würde dieses Ziel bedeuten, dass jede Gemeinde nur noch rund 3.000 Quadratmeter pro Jahr bebauen dürfte.

Dabei handelt es sich allerdings um einen kumulierten Wert. Es wird befürchtet, dass die Wirtschaft dadurch in ihrem weiteren Wachstum gebremst wird.

Unordnung in der Raumordnung

Tatsache ist, dass gerade die sehr ungeregelte Raumplanung der letzten Jahrzehnte Wirtschaftsstrukturen gefördert hat, die sich heute vielerorts als standortpolitisch nicht nachhaltig erweisen.

Die Ausweisung von Gewerbegebieten in peripheren Lagen und an Autobahnkreuzen mitten in der Landschaft hat zu einer starken Abwanderung von Gewerbe und Dienstleistungen aus den Städten und Ortskernen geführt, die man nun allerorts mit regionalpolitischen Konzepten mühsam wieder zu beleben versucht.

Verursacht wurde das Aussterben der Innenstädte jedoch durch raumordnungspolitische Maßnahmen, die Einkaufszentren und Gewerbeparks auf der grünen Wiese förderten. Auch so mancher Großkonzern hat sich vor Jahren durch billige Gewerbeflächen dazu verleiten lassen, Logistikzentren und Hauptverwaltungen in Randlagen anzusiedeln; und wundert sich nun, dass die Transportkosten steigen und er keine spezialisierten Fachkräfte bekommt, weil diese nicht in eine ansonsten strukturschwache Region ziehen oder lange Anfahrtswege in Kauf nehmen wollen.

Errichtung eines Hochregallagers in Waldneukirchen, Oberösterreich.
Gewerbe- und Industriestandorte entstehen in Österreich immer noch zu oft an Standorten, die längerfristig nicht effizient genutzt werden können. - © Spitzi-Foto - stock.adobe.com

Fachkräftemangel ist hausgemacht

Die Tatsache, dass die Raumplanung in den letzten Jahren zu wenig darauf geachtet hat, attraktive Lebensräume mit kurzen Wegen zum Arbeitsplatz zu schaffen, ist ein hausgemachter Aspekt des Fachkräftemangels, den viele Unternehmen jetzt zu spüren bekommen.

Wenn Unternehmen Standorte errichten, an denen sie hochspezialisierte Fachkräfte benötigen, sollten sie dies in Regionen tun, in denen auch das entsprechende Ausbildungsprofil durch das Vorhandensein von Fachhochschulen und Universitäten vorhanden ist.

Die Nähe zu Städten wie Wien, Graz, Linz oder Salzburg hat sich als vorteilhaft erwiesen. Manche Standorte abseits der großen Zentren werden aber in Zukunft schwer zu halten sein.

Die Effizienz der Wirtschaftsstrukturen ist ein komparativer Kostenvorteil im harten internationalen Wettbewerb

Verlust der Landwirtschaft

Für einen Wirtschaftssektor hat der hohe Flächenverbrauch mittlerweile deutliche Nachteile: für die Landwirtschaft. Neben quantitativen Maßnahmen ist aus Sicht der österreichischen Hagelversicherung ein umfassendes Maßnahmenbündel notwendig, um den Bodenverbrauch einzudämmen.

Dazu gehört vor allem der Schutz besonders wertvoller landwirtschaftlicher Vorrangflächen, die nicht nur für die heimische Lebensmittelproduktion, sondern zunehmend auch für die Gewinnung von Energierohstoffen benötigt werden.

Am Beispiel der Schweiz, wo die für die Ernährungssicherung der Bevölkerung produktivsten landwirtschaftlichen Flächen gesetzlich vor Bebauung geschützt sind, kann gezeigt werden, dass andere Länder deutlich bessere raumordnungspolitische Strategien verfolgen als Österreich.

Aber auch steuerliche Anreize sind laut einer WIFO-Studie ein Hebel, um in die richtige Richtung zu lenken. Ein Beispiel dafür ist eine verpflichtende interkommunale Teilung der Kommunalsteuereinnahmen. Damit könnten Umwidmungsanreize verhindert und die Zersiedelung eingedämmt werden.

Nach Ansicht der Hagelversicherung werden derzeit über die Kommunal- und Grundsteuer bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks etc. belohnt, während aber bodenschonende Gemeinden belohnt werden sollten.

Die Belebung von Innenstädten ist vielerorts ein politisches Anliegen geworden. Dafür braucht es auch langfristig effiziente Strukturen in der Raumordnung.

- © Alek - stock.adobe.com

Leerstand ist ineffizient

Ein weiteres Indiz für Ineffizienz in der Raumplanung ist der hohe Leerstand von Gewerbe- und Industrieflächen. Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes stehen in Österreich Industrie-, Gewerbe- und Wohnflächen im Ausmaß von 40.000 Hektar leer. Das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien.

Für diese leerstehenden Strukturen gibt es einerseits keine vollständige Erfassung und Bewertung, die für die Erstellung entsprechender Nachnutzungskonzepte notwendig wären, andererseits aber auch keine ausreichenden Anreize zur Revitalisierung bzw. Renaturierung durch Gemeinden und Länder. Nur sehr vereinzelt werden veraltete und nicht mehr effizient nutzbare Gewerbe- und Industrieflächen saniert.

Schaffung von Lebensraum

Europaweit schneiden in Standortrankings jene Länder besonders gut ab, die wie Dänemark, Schweden oder die Schweiz standort- und raumordnungspolitische Vorgaben geschaffen haben, die effiziente und kurze Verkehrs- und Arbeitswege fördern und Arbeitsplätze dort ansiedeln, wo attraktiver Wohn- und Lebensraum vorhanden ist. Die Effizienz der Wirtschaftsstrukturen ist ein komparativer Kostenvorteil im harten internationalen Wettbewerb und muss verstärkt in den Fokus der nationalen Politik rücken.

Dazu gehört nicht nur das Bekenntnis z.B. zur Revitalisierung der Innenstädte, sondern auch die weitere Förderung des Wohnungsbaus. Um den Flächenverbrauch gering zu halten, sind staatliche Förderprogramme zur Altbausanierung besonders geeignet, attraktive Siedlungsstrukturen zu schaffen.

Österreichische Bodenstrategie in der Warteschleife

Die von der türkis-grünen Bundesregierung seit langem angestrebte Bodenstrategie, die den Flächenverbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag verbindlich begrenzen soll, ist nach langen und zähen Verhandlungen noch immer nicht beschlossen.

Dagegen wehrt sich vor allem der Gemeindebund, aber zum Beispiel auch das Land Oberösterreich. Der dortige Raumordnungslandesrat Markus Achleitner hält dieses Ziel für nicht umsetzbar, wenn den Gemeinden nur mehr 3.000 Quadratmeter pro Jahr für Verkehrswege, Kindergärten etc. zur Verfügung stünden.

Auch Arthur Kannonier, Leiter des Forschungsbereichs Bodenpolitik und Bodenmanagement am Institut für Raumplanung der Technischen Universität Wien, hält das 2,5-Hektar-Ziel für nicht realistisch. So müsse etwa zwischen Umwidmung und tatsächlicher Versiegelung unterschieden werden. Die Vorgaben in der Bodenstrategie der Bundesregierung seien noch zu undifferenziert, um das Bauen auf der grünen Wiese wirklich zu verhindern.

Auch beim verbindlichen 2,5-Hektar-Ziel gibt es aus Sicht des Gemeindebundes zu viele offene Fragen. „Die Gemeinden und Städte sind in vielerlei Hinsicht gefordert. Von der Errichtung von Kindergärten und der Schaffung von Wohnraum über Wirtschaft und Arbeitsplätze bis hin zur Energieversorgung oder auch überregionaler Infrastruktur wie dem Bahnausbau“, so Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss.

Wichtig sei auch die Unterscheidung zwischen Umwidmung, Bodenverbrauch und Bodenversiegelung. „In der politischen und medialen Diskussion werden alle Begriffe in einen Topf geworfen. Solange sich nicht alle Partner auf eine klare Definition geeinigt haben, kann es aus unserer Sicht keine Zustimmung zu einem unbestimmten 2,5-Hektar-Ziel geben. Wir werden uns aber selbstverständlich weiterhin aktiv in die Diskussion um die Bodenstrategie einbringen“, erklärt Leiss.

Raumordnung als Standortvorteil

Dass Österreich eine neue Strategie für den Umgang mit Grund und Boden braucht, darüber sind sich alle Interessensvertreter aber einig. Eine effiziente und sparsame Raumordnung wäre jedenfalls sehr im Sinne der Wirtschaft und zur weiteren Attraktivierung des Standortes Österreich, der heute viel stärker auf effiziente Strukturen setzen muss, um komparative Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen EU-Ländern nicht zu verlieren.

Es muss in Lebensraumkonzepten gedacht werden, damit sich qualifizierte Arbeitskräfte ansiedeln, Verkehrswege kostenoptimiert werden, Pendler auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen und Unternehmen letztlich Kosten sparen können.