Logistik : Geopolitische Risiken für Lieferketten – auch in Österreich

Im Hafen Hamburg spürt man bereits die Krise im Roten Meer.

Im Hafen Hamburg spürt man bereits die Krise im Roten Meer. Weniger Schiffe kommen an, Güter werden auf die Bahn verlagert.

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Frächter wie Hapag-Lloyd oder Maersk haben bereits reagiert und meiden das Rote Meer und somit auch die Passage durch den Suez-Kanal. Grund dafür sind die andauernden Angriffe jemenitischer Rebellen, die die internationale Schifffahrt gefährden. Die veränderte geopolitische Lage lässt nun viele Frächter umdenken und nach neuen Handelsrouten suchen.

Landweg durch Asien


Chinas Jahrhundertprojekt, die neue Seidenstraße, bekommt wieder Rückenwind. Hat es zunächst so ausgesehen, als würden die angespannten Handelsbeziehungen zwischen China und den USA auch das Seidenstraßenprojekt gefährden, so findet aktuell eine signifikante Verlagerung von Gütern auf die Schiene statt. Der Hamburger Hafen spürt jedenfalls bereits die Krise der Seewege und verzeichnet einen verstärkten Schienengüterverkehr.

„Das Aufkommen ist laut mit den mit den Bahntransporten befassten Unternehmen zuletzt wieder deutlich angestiegen“, werden die Hamburger etwa in der deutschen Wirtschaftswoche zitiert. Grund dafür seien neben der verlängerten Lieferzeit eine „deutlich geringer gewordene Preisdifferenz zwischen Schienenfracht und Seefracht“. Auch der Hafen Duisport vermeldet gegenüber dem deutschen Wirtschaftsmedium: „In Bezug auf die Zugverkehre aus China registrieren wir derzeit einen spürbaren Anstieg der Nachfrage.“

Der Schienenverkehr aus China macht in den Zielhäfen allerdings nur einen Bruchteil der gesamten Umschlagsmenge aus. Ersetzen kann die Bahn daher Containerschiffe nicht.

So kamen in Hamburg im Jahr 2021 insgesamt 160.000 20-Fuß-Container mit dem Zug an – 2022 waren es sogar nur 81.000. Zum Vergleich: Per Schiff kamen 2022 insgesamt 2,5 Millionen Container aus China in Hamburg an. Im Duisport verhält es sich ähnlich: „Die Schienengütertransporte aus China machen nur rund drei bis fünf Prozent des jährlichen Gesamtcontainerumschlags im Duisburger Hafen aus“, berichtet das Unternehmen gegenüber der Wirtschaftswoche.

Dass die Seidenstraße aktuell wieder profitiert, berichtet auch die DVZ (Deutsche Verkehrszeitung). Neben der verringerten Preisdifferenz seien auch die längeren Transitzeiten, die man aktuell auf dem Seeweg einrechnen muss, ein Grund für mehr Schienengüterverkehr.

Preise und Transportzeiten nähern sich an

Die Transportzeiten per Schiff haben sich seit der neuen Nahost-Krise je nach Enddestination um zehn bis 14 Tage verlängert, wie die DVZ mit Berufung auf Branchenexperten schreibt. Der Transport auf der Schiene dauere demgegenüber im Schnitt in Summe 12 bis 15 Tage. Beim Preis gleichen sich die beiden Verkehrsträger hingegen mehr und mehr an. Mit rund 7.000 bis 9.000 US-ollar pro TEU ist die Bahn zwar auf den ersten Blick noch deutlich teurer als die Seefracht mit zuletzt im Spotmarkt zu findenden Durchschnittsfrachten von 4.500 Dollar per TEU. Containerschiffe werden aber nicht nur durch längere Transportwege teurer, sondern auch wegen steigender Versicherungskosten und teureren Hafengebühren.

Für Bahnakteure entlang der Seidenstraße bedeutet die Situation eine willkommene Wiederbelebung des Geschäfts, nachdem die Nachfrage im vergangenen Jahr schwach war. Wegen der Russland-Sanktionen sei exportseitig in den letzten zwei Jahren deutlich weniger exportiert worden. Die neue Bedeutung der Eurasischen Schienenverbindungen macht die Bahn auch für Investoren wieder interessant. Vor allem chinesische Unternehmen sind aktuell stark daran interessiert, neben Häfen auch in europäische Bahninfrastruktur und Bahnunternehmen zu investieren, wie Brancheninsider berichten.

Die Arktische Seidenstraße wird aktuell verstärkt für den Gütertransport nach Europa genutzt. Russland ist Profiteur dieser Entwicklung.
Die Arktische Seidenstraße wird aktuell verstärkt für den Gütertransport nach Europa genutzt. Russland ist Profiteur dieser Entwicklung. - © Jean Landry - stock.adobe.com

Massive Auswirkungen auf den Welthandel

Die Krisensituation im Roten Meer hat bereits weitreichende Auswirkungen. Trotz westlicher Militärpräsenz haben eine Reihe von großen Reedereien die Fahrten durch das Rote Meer ausgesetzt. Laut Goldman Sachs sind rund 30 Prozent des Containerhandels weltweit betroffen. 70 bis 80 Prozent der Schiffe, die für die Durchfahrt durch das Rote Meer vorgesehen waren, werden aktuell über das Kap der Guten Hoffnung umgeleitet. Die um rund zwei Wochen längeren Transportwege auf dem Seeweg führen außerdem wieder zu einem Container-Mangel in manchen Häfen, weil Schiffe länger auf See sind.


Arktische Seidenstraße als Alternative


Waren bislang die Seewege über das Rote Meer, den Suez-Kanal oder die längere Strecke über das Kap der GutenHoffnung die einzigen ganzjährigen Seewege, die dem Handel zwischen Asien und Europa zur Verfügung standen, so wird nicht zuletzt wegen des Klimawandels die Nordostpassage über die Arktis in den Fokus genommen.

Russland nutzt etwa die geopolitischen Konflikte im Roten Meer aus und bietet Reederei-Unternehmen die Alternativroute über die so genannte Arktische Seidenstraße an. Russische Eisbrecher sorgen für eine sichere Passage auch während des Winters. China hat an dieser Route schon länger Interesse, ist die Fahrzeit nach Europa bei optimalen Bedingungen doch etwas kürzer. Seit 2017 steigt das Frachtaufkommen über die so genannte Arktische Seidenstraße stetig.

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Afrika als neuer Logistik-Hub?

Auch Seehäfen an der Ostküste Afrikas sind im Gespräch. Von dort sollen Waren auf dem Landweg zum Suez-Kanal weitertransportiert werden. Auch hinsichtlich seines Rohstoffreichtums könnte der afrikanische Kontinent für die weltweiten Logistiknetzwerke an Bedeutung gewinnen. Die Europäische Union sucht bereits nach Wegen, um die Rohstoffabhängigkeit von China und Russland zu verringern.

Afrikanische Partnerländer bieten sich grundsätzlich an. Die logistische Erschließung des schwarzen Kontinents hätte noch einen anderen Vorteil: Ertragreiche Regionen zur Gewinnung von Wind- und Sonnenenergie könnten als Produktionsstätten für synthetische Treibstoffe im großen Stil genutzt werden, welche dann auf dem Landweg nach Europa transportiert werden. Doch dafür müsste Europa in Afrika stärker investieren.

Vor allem chinesische Unternehmen sind aktuell stark daran interessiert, neben Häfen auch in europäische Bahninfrastruktur und Bahnunternehmen zu investieren

Für östliche Mittelmeerhäfen bringt die Krise im Roten Meer große Unsicherheiten. Beispielsweise befürchtet der Hafen Triest, dass dauerhafte Krisen die Unternehmen dazu zwingt, ihre Routen dauerhaft aus dem Mittelmeer zu verlagern.

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Logistikstandort Österreich in „geopolitisch“ guter Lage?

Der Umstand, dass weniger Schiffe durch das Rote Meer und anschließend durch den Suez-Kanal fahren, bringt einen Bedeutungsverlust für die östlichen Mittelmeerhäfen mit sich. Fahren Containerschiffe über das Kap der Guten Hoffnung, werden Häfen an der portugiesischen oder spanischen Atlantikküste attraktiver. Mittelfristig könnte sich dadurch eine Verlagerung des südeuropäischen Handelsverkehrs ergeben.

Für Österreich hätte das standortrelevante Auswirkungen. Grundsätzlich liegen heimische Logistikzentren geopolitisch günstig und bieten mit ihrer Nähe zur den Adria-Häfen rasche Verbindungen nach Ost- und Nordeuropa. Mit der Krise im Roten Meer könnte aber die Passage durch den Suez-Kanal an Bedeutung verlieren, was bedeutet, dass Warenströme auf der Schiene von West-Europa und Ost-Europa an Bedeutung gewinnen könnten. Spezielle Aufwertung könnte auch die Donau als Wasserstraße erfahren, wenn vermehrt Warenströme über Zentralasien an die Schwarzmeerhäfen umgeleitet werden. Auch die Luftfracht ist wortwörtlich im Aufwind. Unsichere Seewege führen bereits zu einer starken Nachfrage nach Luftfrachtkapazitäten.


Diversifizierung der Logistik-Infrastruktur unerlässlich


Die aktuelle Krise der Lieferketten zeigt, wo die Achillesferse des Welthandels ist. Zu viel Waren werden über wenige Hot-Spots abgewickelt. Der Seehandel hat einen viel zu großen Anteil am internationalen Handel, es fehlen Alternativen. Der Ausbau der Bahninfrastruktur und die stärkere Vernetzung der eurasischen Schienennetze wurde verstärkt Kapazitäten über den Landweg eröffnen.

Der Ausbau der Bahninfrastruktur und die stärkere Vernetzung der eurasischen Schienennetze würde verstärkt Kapazitäten über den Landweg eröffnen. Auch braucht es eine Stärkung der Luftfracht in Europa. Gerade für die Regionen würden flexible Luftfrachtkapazitäten zu mehr Resilienz in den Lieferketten führen. Eine Verschärfung der EU-Gesetze hilft den Unternehmen derzeit überhaupt nicht. Ausbau und Diversifizierung der Logistik-Infrastrukturen allerdings schon.