Digitalisierung Abfallwirtschaft : Late Follower auf der Überholspur

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KI macht die Abfallsammlung, etwa von Glas, smart

- © Aylin - stock.adobe.com

Innovationsgeist war eine Eigenschaft, die der Abfallwirtschaft lange Jahre kaum zugestanden wurde. Mittlerweile hat sich das Bild geändert, hat die Digitalisierung spät, aber doch, Einzug in der Branche gehalten. „Wir sind ein late follower“, sagt Ralf Mittermayr, CEO der Saubermacher Dienstleistungs AG. Das Schöne daran sei allerdings, dass sich die Branche durch „diese Gnade der späten Geburt“ verschiedene Umwege erspart hätten. „Uns stehen nun viele Tools zur Verfügung“, so Mittermayr.

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Viele Einsatzmöglichkeiten

Deren Einsatzgebiete sind breit gestreut: „Das gilt beispielsweise für die Logistik“, weiß Patrick Taschner, Gruppenleiter Digitale Logistik und Automatisierung bei Fraunhofer Austria. Etwa dann, wenn es um die Optimierung der Routen geht. „Jedes unserer Müllfahrzeuge verfügt über einen Bordcomputer“, sagt Mittermayr. Ziel sei es, die Routen so effizient als möglich zu planen und zu fahren. „Unsere Autos fahren leer los, legen sukzessive an Gewicht zu und kommen voll zurück. Daher ist es für die Fahrer wichtig zu wissen, ob sie beispielsweise nicht zu schwer für die eine oder andere Brücke sind“, beschreibt Mittermayr. Ebenfalls digital wird ihnen unter anderem mitgeteilt, ob es eine Umkehrmöglichkeit gibt oder ob sie eine längere Strecke rückwärts zu fahren haben. „Das ist besonders dann hilfreich, wenn Fahrer einmal nicht auf ihrer Stammstrecke eingesetzt werden“, ist der Saubermacher-CEO überzeugt. Abgerundet wird das Ganze durch Infos über Staus, Unfälle, Wetter und anderes. Die Logistik wird aber noch auf andere Art und Weise digital optimiert: „Dazu tragen automatische Füllstandsanzeiger bei“, erklärt Taschner.

Mit der „Smart Collection Plattform“, einem Sensor- und KI-gestützten System, hat das steirische Abfallunternehmen auch diese bereits im Einsatz: Rund 600 High-Tech-Sensoren in öffentlichen Glascontainern messen mittels Ultraschall und komplexer Algorithmen den Füllstand der Behälter. Eine intelligente Plattform bündelt relevante Logistik-Informationen wie die maximale LKW-Nutzlast, Verkehrsdaten und Ähnliches mit den Live-Daten der Sensoren, der Spezial-Algorithmus ermittelt schließlich die optimale Entleerungstour. „Mittlerweile brauchen wir gar nicht mehr an jedem Container einen Sensor, da die KI die Vorhersagen berechnet“, sagt Mittermayr. Wie ein rund vier Jahre laufendes Pilotprojekt in Niederösterreich gezeigt hat, macht das System durchaus Sinn: Im Pilotversuch wurde die Effizienz der Altglassammlung um 15 Prozent erhöht, während die Zahl der Transportkilometer samt dem Ausstoß klimaschädlicher Gase um 15 Prozent gesunken ist. Außerdem konnte die Zahl der Tage mit überfüllten Sammelstellen um 65 Prozent reduziert werden. Weiters sind die Überstunden der LKW-Fahrer um 42 Prozent zurückgegangen.

Weniger Fehlwürfe

Ein anderes Thema, mit dem die Abfallwirtschaft kämpft, sind Fehlwürfe: Nahrungsmittelreste im Restmüll, Kunststoff in der Biotonne - um diese und ähnliche Fehlwürfe zu verringern, laufen bei Saubermacher aktuell Versuche mit einem Wertstoffscanner. „An mehreren Fahrzeugen wurden Sensoren angebracht, die die Qualität des Mülls erkennen“, erklärt Mittermayr. Interessierte könnten sich anmelden und würden via App nicht nur eine Analyse ihres Mülls, sondern weitere nützliche Informationen erhalten. Apropos App: „Um richtig zu trennen, könnten Apps mit Bilderkennung eine Option für die Zukunft sein. Damit würde man wissen, was in welchen Container gehört“, ist Taschner überzeugt. Störstoffscanner sind auch bei Brantner Green Solution im Einsatz. „Die KI kann je nach Training zur Erkennung verschiedener Stoffe bzw. Objekte eingesetzt werden. So werden auch Störstoffe, die Weiterverarbeitungsanlagen wie etwa zur Energiegewinnung beschädigen können, frühzeitig erkannt – auch hier ist die Technologie im täglichen Einsatz. Umgekehrt kann der Scanner auch in der Wertstofferkennung wertvolle Dienste leisten, etwa in der Sortierung“, heißt es bei Brantner.

Bilderkennung hilft

Wertstoffscanner und Bilderkennung sind somit zunehmend in Sortieranlagen zu finden. Sie tragen laut Taschner dazu bei, die Sortierquote laufend zu verbessern und mit Hilfe der KI die optimale Materialreihenfolge für einen Recyclingprozess zu erkennen oder die Mengenverteilung von Wertstoffströmen ausgewogen zu halten. „Abfallverwertungsfabriken sind auf dem Weg zur digitalen Fabrik“, so Taschner.

Die Vorteile der Digitalisierung liegen für ihn sowie Mittermayr auf der Hand: Mit ihr könnten Prozesse optimiert und Ressourcen besser genutzt werden. Nicht zuletzt biete sie die Chance, Wachstumspotenziale zu erkennen, auszuschöpfen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Intensive Forschung

Um die Transformation der Branche weiter zu treiben, laufen auch Forschung und Entwicklung – Saubermacher etwa betreibt mit dem Technikum seit Jahren ein eigenes Forschungszentrum - auf Hochtouren. Im Oktober des Vorjahres wurde im obersteirischen St. Michael das Digital Waste Research Lab (DWRL) der Montanuniversität Leoben – Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft – eröffnet. Das modular aufgebaute kooperative DWRL, das grundsätzlich aus verfahrenstechnischen Aggregaten, verschiedenen Sensoren, einer Sortiereinheit und einer digitalen Datenmanagementplattform besteht, soll Forschung im Bereich digitaler Abfallanalytik, Abfallverfahrenstechnik sowie im Bereich der computergestützten Abfalltechnik ermöglichen.

„Die neue Forschungsanlage ist ein technisches und digitales Werkzeug für Ingenieure. Damit können wir komplett neue Grundlagen wie digitale, sensorbasierte Abfallanalytik und Sortiertechnologien erforschen. Auch unsere Kooperationspartner aus der Industrie haben Fragestellungen, die nur in einer solchen Forschungsanlage untersucht werden können“, so Laborleiter Renato Sarc. Der Schwerpunkt der Forschung ist zum einen die partikel-, sensor- und datenbasierte Abfall- und Recyclingtechnik, zum anderen die Digitalisierung der Abfallaufbereitungsprozesse. Unter dem Namen „ReWaste Prototype“ sind beispielsweise Versuche geplant, bei denen verschiedene Aufbereitungsmaschinen von Industriepartnern eingesetzt werden. Ziel ist der Aufbau und der Test einer „Smart Waste Factory“, bei der verbundene Maschinen durch eine gemeinsame digitale Datenbasis gesteuert und während des Betriebs dynamisch verändert werden. Dadurch sollen noch bessere Sortier- und damit in der Folge Recyclingergebnisse erzielt werden. „Es wird sich in den nächsten Jahren noch viel tun“, ist Mittermayr überzeugt.

Dem im Sommer 2023 präsentierten Statusbericht zum Bundes-Abfallwirtschaftsplan zufolge lag das gesamte Abfallaufkommen Österreichs im Jahr 2021 bei rund 77,4 Millionen Tonnen. Die größten Anteile stellen Aushubmaterialien und Abfälle aus dem Bauwesen mit etwa 46,1 Millionen Tonnen bzw. 12,5 Millionen Tonnen dar. Das Aufkommen von Siedlungsabfällen in Österreich lag bei rund 7,5 Millionen Tonnen. Davon fielen etwa 4,7 Millionen Tonnen in Haushalten und ähnlichen Einrichtungen an, was einem Pro-Kopf-Aufkommen von 521 kg entspricht.