Wirtschaftswachstum Österreich 2024 : „Die Politik muss möglichst rasch langfristige Maßnahmen auf den Weg bringen“

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Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes ist in Gefahr, wenn nicht in manchen Bereichen – etwa bei den Pensionen – Reformen erfolgen, warnt Holger Bonin, Chef des IHS

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Ursula Rischanek: Umfragen zeigen bei heimischen Unternehmern einen wenn auch verhaltenen Optimismus. Ist dieser tatsächlich gerechtfertigt?

Holger Bonin: In den USA und Asien hat es bereits im Vorjahr ein starkes Wirtschaftswachstum gegeben, dieser Aufschwung kommt jetzt allmählich in Europa an. Man kann somit sagen, dass die Talsohle in vielen europäischen Wirtschaften erreicht ist.

Ursula Rischanek
: Das Wachstum ist allerdings eher verhalten...Holger Bonin: Das stimmt. Wir rechnen für heuer in Österreich mit einem BIP-Wachstum von 0,8 Prozent, das WIFO mit 0,9 Prozent. Im kommenden Jahr sollte dann eine Eins vor dem Komma stehen.Ursula Rischanek: Das heißt, das Wachstum in den USA und Asien stützt den Konjunkturaufschwung in Österreich?

Holger Bonin: So ist es. Ein weiterer Push-Faktor ist der wieder stärker anspringenden Konsum. Das Absinken der Inflation und die hohen Tariflohnabschlüsse haben nämlich die zuletzt verzeichneten Reallohnverluste aufgeholt. Zwei Bereiche schwächeln aber weiterhin: Der Immobilienbereich und die Unternehmensinvestitionen – beiden machen die anhaltend hohen Zinsen nach wie vor zu schaffen.

Martina Berger
Das Wachstum in den USA stützt 2024 die Konjunktur in Österreich. - © Martina Berger

Ursula Rischanek: Wie belastbar sind eigentlich diese Prognosen?

Holger Bonin
: Es gibt tatsächlich gewisse Unsicherheiten – denken Sie an die Wahlen oder die diversen Krisen. Ein weiterer Faktor ist, wann der Umschwung eintritt: Kommt er in der ersten Jahreshälfte und gibt es keine sonstigen Verwerfungen, dann wird das Wachstum wie prognostiziert bei 0,8 Prozent liegen.

Ursula Rischanek: Ein nach wie vor heißes Thema ist die Inflation. Wie wird sich diese 2024 entwickeln?

Holger Bonin
: Wir gehen 2024 von einer Inflation von 3,9 Prozent aus. Damit haben wir die Herbstprognose leicht, und zwar um 0,3 Prozentpunkte, nach unten korrigieren können. Im kommenden Jahr rechnen wir mit einer Inflationsrate von drei Prozent.

Ursula Rischanek
: Aber die Inflationsrate in Österreich liegt nach wie vor deutlich über dem EU-Schnitt – dort liegt sie derzeit bei durchschnittlich zwei Prozent. Woran liegt das?

Holger Bonin
: Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum Einen ist hierzulande der Gaspreis nach wie vor deutlich höher als im EU-Vergleich. Das ist aber nicht nur auf die Abhängigkeit von russischem Gas zurückzuführen, sondern hängt auch mit dem Energiemix und möglicherweise auch mit der Wettbewerbssituation zusammen. Denn die Einkaufspreise für Gas sind am Weltmarkt deutlich gesunken. Diese Preissenkungen werden in Österreich aber nur zögerlich weitergegeben. Zum Anderen hat das Gastgewerbe im Warenkorb eine besondere Gewichtung: In Deutschland sind es zwei Prozent, hier 15 Prozent. Ein weiterer Grund ist die Indexierung: So sind Mieten, aber auch Handygebühren, öffentliche Gebühren und vieles andere an den VPI gekoppelt, was dazu führt, dass die Inflation höher bleibt. So etwas gibt es in anderen Ländern nicht. Und man darf nicht vergessen, dass es natürlich auch länderspezifische Unterschiede in den Messungen gibt. So werden beispielsweise bei den Energiepreisen in manchen Ländern nur die neuen Verträge, in anderen auch die Bestandverträge dafür herangezogen.

Ursula Rischanek
: Kommen wir zu einem anderen Thema, das die Unternehmen beschäftigt – den Arbeitskräftemangel...

Holger Bonin
: Er ist genauso wie die dazu führende demographische Entwicklung aber kein spezifisches österreichisches Problem. Dazu gibt es zwei Dinge zu sagen: Österreich hat gegenüber anderen Ländern den Vorteil, dass es durch die Zuwanderung den Prognosen zufolge noch jahrelang wächst, obwohl die inländische Bevölkerung schrumpft. Mit dieser Zuwanderung könnte man dieses Schrumpfen am Arbeitsmarkt kompensieren. Von Nachteil allerdings kann sein, dass Österreich in Hinblick auf die Alterung der Bevölkerung und die damit verbundenen Folgen nicht so gut aufgestellt ist.

Ursula Rischanek: Können Sie das präzisieren?

Holger Bonin
: Die Alterung der Bevölkerung führt dazu, dass die Ausgaben für Pension und Gesundheitswesen weiter steigen. Gleichzeitig gehen aber die Einnahmen zurück, wodurch der Spielraum des öffentlichen Haushalts schrumpft. Das heißt, möglicherweise muss der Staat in einigen Jahren bei Investitionen in die Zukunft, in Forschung und Entwicklung oder die grüne Transformation sparen. Oder Steuern erhöhen, was den Standort ebenso schwächen würde. Andere Länder steuern da schon längst gegen: Beispielsweise reduzieren sie die Pensionsdynamik, indem das Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre erhöht wird. Österreich beginnt allerdings jetzt erst einmal damit, das Pensionsantrittsalter der Frauen an jenes der Männer, und somit auf 65 Jahre, anzugleichen.

Ursula Rischanek
: Was sollte in diesem Zusammenhang passieren?

Holger Bonin
: Die Politik muss möglichst rasch langfristige Maßnahmen auf den Weg bringen. Der dringend notwendigen Diskussion darüber auszuweichen, heißt, den Standort zu gefährden.

Ursula Rischanek
: A propos Standort: Wie steht Österreich im internationalen Wettbewerb da?

Holger Bonin
: Noch relativ gut, wobei es, wie gesagt, durchaus Verbesserungspotenzial gibt.

Ursula Rischanek
: Die Generation Z, die allmählich in den Arbeitsmarkt eintritt, legt Wert auf ihre Work-Life-Balance und will daher entsprechend weniger arbeiten…

Holger Bonin:
Es gibt tatsächlich den Trend, weniger zu arbeiten – was nicht überall auf Gegenliebe stößt. Dabei darf man aber eines nicht vergessen: Die GenZ ist besser gebildet als beispielsweise die Babyboomer, das heißt, sie verdient mehr und zahlt höhere Steuern. Darüber hinaus sind diese jungen Menschen Digital Natives – und die Digitalisierung ist die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Möglicherweise sind sie auch produktiver als andere Generationen. Darüber hinaus können sie ihr Erbe konsumieren, das ebenfalls mehr ist, da es weniger Kinder gibt. All das sind Gründe, warum die Work-Life-Balance eine größere Rolle spielt.

Ursula Rischanek
: Wobei das, was Sie gerade beschreiben, nicht für alle Mitglieder der GenZ gilt...

Holger Bonin
: Damit haben Sie vollkommen recht: Es gibt auch in dieser Generation Menschen, die nicht gut ausgebildet sind und für die sich daher die eben erwähnte Option der Arbeitszeitverkürzung überhaupt nicht stellt. Das gilt nicht nur für Migranten. Die Frage muss daher sein, wie diese Personen beschäftigungsfähig werden oder bleiben – und somit vernünftig in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Ziel muss sein, ihnen eine vernünftige Berufsperspektive zu bieten – nicht nur, um das Arbeitskräftepotenzial zu nützen, sondern auch, um eine weitere Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden.

Danke für das Gespräch!