Verhältnis von Politik und Medien in Österreich : Die Aneignung der vierten Macht: Parteimedien im Vormarsch

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Wirtschaftsnachrichten: Die Aneignung der vierten Macht: Parteimedien im Vormarsch.

- © Getty Images

Es ist eine Tendenz der letzten Jahre, dass eine wachsende Anzahl von politischen PR-Beratern, Pressesprechern und Social-Media-Redakteuren einer schrumpfenden Zahl an Journalisten in privaten Medienhäusern gegenübersteht. In Sachen PR hat die Politik nicht erst seit der Ära von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurs gehörig die Personalressourcen aufgestockt. Eigene YouTube-Kanäle und Social-Media-Seiten zu betreiben und mit politisch gefärbten Inhalten zu füllen, gehört quasi schon zum Ein-Mal-Eins der politischen Kommunikation.

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Vor allem in den sozialen Netzwerken haben die Parteien sich so Filterblasen geschaffen, in denen sich eine Klientel mit entsprechend genehmen Inhalten versorgen lässt. Eine redaktionelle und unabhängige Prüfung der Inhalte entfällt dabei und in der Vergangenheit kam es bereits öfters vor, dass über diverse Parteikanäle „Fake News“ verbreitet wurden, nur weil das Narrativ ins eigene politische Weltbild und der der eigenen Wähler passte.

Parteien suchen neue Verbreitungskanäle

Bislang wurden Facebook, Twitter und Co. hauptsächlich genutzt, um mediale Inhalte dort gezielt zu posten und einen politischen Spin zu erzeugen. Die Inhalte stammten dabei aber meistens von externen Quellen, etwa Onlineberichten, YouTube-Videos oder TV-Ausschnitte. Dass die Parteien aber zunehmend selbst zu Produzenten medialer Inhalte werden, ist eine jüngere Tendenz, wenn auch nicht ganz neu. Vorreiter war die FPÖ, die mit ihrem eigenen YouTube-Kanal „FPÖ-TV“ bereits vor rund zehn Jahren begonnen hat, eigene Videobeiträge, die einem Nachrichtenformat ähnelten, zu produzieren und damit auf YouTube das eigene politische Narrativ zu verbreiten.

Eine Gängige Erklärung für die Intention der Parteien ist, dass es eine Tendenz zum „Einordnungsjournalismus“ gäbe, wo Redaktionen ständig politische Äußerung zu erklären versuchen und damit verzerren. Das käme einer Entmündigung der Bevölkerung gleich. Daher gäbe es ein Bestreben der Parteien, sich ungefiltert direkt an ein Publikum zu wenden. Doch was sagt das über Parteien und ihre Vertreter aus, die sich dem medialen Diskurs nicht stellen? Inzwischen haben alle im Parlament vertretenen Parteien eigene Parteimedien aufgebaut bzw. betätigen sich immer mehr selbst als Produzent und Verbreiter von medialen Inhalten.

Die entsprechenden Medienplattformen sind nicht immer sofort als Parteimedium zu erkennen und unterhalten zudem oft eigens angestellte Redaktionen. Längst stellt sich unter Politologinnen und Politologen sowie Medienwissenschaftlern die Frage, wie weit die Parteien sich der vierten Gewalt im Staat bedienen dürfen? Ist es etwa die Aufgabe von Parteien mit Steuergeld selbst Podcasts und Onlinemagazine zu betreiben, oder gehört das schlicht zu einer zeitgenössischen Form politischer Kommunikation dazu? Unter Experten scheiden sich die Geister, denn ohne Auswirkung auf die Demokratie bleibt das nicht.

Die Vereinnahmung der Medien

Die ÖVP betreibt das Onlinemagazin „Zur-Sache“, die SPÖ die Portale „Neuezeit.at“ und „kontrast.at“, die NEOS nennen ihr Onlinemedium „Materie“ und die Grünen haben ihrer ehemaligen Parteichefin das FREDA-Magazin gewidmet. Die Parteizugehörigkeit offenbart sich dabei erst bei einem Blick ins Impressum. Dort finden sich die jeweiligen Parlamentsklubs der Parteien als Medieninhaber, Hersteller und Herausgeber. Informationen im medienrechtlichen Sinne sind dort aber nicht immer zu finden, z.B. Angabe von Redakteuren, die inhaltliche Ausrichtung des Mediums usw. Beim SPÖ-Medium „NeueZeit.at“ ist die Zugehörigkeit zur Partei sogar noch etwas unklarer. Als Herausgeber und Medieninhaber tritt die Leykam Medien AG auf, die zu 83,7 Prozent im Eigentum der Firma Spectro gemeinnützige Gesellschaft für wissenschaftliche Forschung GmbH ist. Diese ist wiederum Eigentum der SPÖ Steiermark.

Auffallend ist, dass diese Parteimedien sich eigener Redaktionen bedienen. Die Inhalte weichen nicht selten von einer reinen Kommunikation parteibezogener Inhalte ab, sondern sind oft stark unausgewogen und diffamierend gegenüber dem jeweiligen politischen Gegner verfasst. Offiziell unterliegen solche Parteimedien auch den Bestimmungen der Medienregulierungsbehörde KommAustria: es gelten also auch journalistische Standards und eigentlich auch das Gebot einer ausgewogenen und sachlichen Berichterstattung. Besonders das SPÖ-Medium „NeueZeit.at“ fällt mit sehr parteipolitisch tendenziöser Berichterstattung auf. Aus den Bundesländern Wien, Steiermark, Burgenland und Kärnten findet man nahezu ausschließlich positive Berichte (alle mit SPÖ-Regierungsbeteiligung) während man die politischen Zustände in anderen Bundesländern ordentlich aufs Korn nimmt.

Oft ist der Bezug zur politischen Arbeit der jeweiligen Partei auch fragwürdig: So fragt sich etwa das NEOS-Medium „Materie“ was Star Wars mit Liberalismus zu tun hat, oder das Grüne FREDA-Magazin erklärt, wie ein Land EU-Mitglied wird, als wäre das nicht in dutzenden Wikipedia-Artikel schon nachzulesen. Beim ÖVP-Medium „Zur-Sache.at“ liest man zudem recht oft Beiträge zur deutschen Innenpolitik, etwa wenn man sich über die „Linkswende“ der FDP Gedanken macht. Problematisch werden diese neuen Parteimedien zudem dann, wenn Parteipositionen sich nicht sofort erkennen lassen, sondern diese in scheinbar redaktionell-recherchierten Beiträgen verstecken. Hier stellt sich die Frage, welche Transparenzregeln gelten eigentlich für Parteimedien?

Politische Kommunikation in Zeiten von TikTok

Welche Formen politische Kommunikation in Zeiten von Twitter, Instagram und TikTok annahmen darf, darüber lässt sich sicher trefflich diskutieren. Ob allerdings Parteien, die ohnehin sehr viel Steuergeld erhalten, um Presseabteilungen zu unterhalten auch noch selbst Medienportale betreiben sollten, ist sicherlich im Sinne der wirtschaftlichen Verwendung von Parteiengeldern zu hinterfragen. Sollen politische Abgeordnete etwa Vide-Podcast betreiben, wo sie selbst zu Moderatoren ihrer eigenen politischen Diskussionssendung werden, oder sollen sich Parteien neben einem Heer von Pressesprechern auch noch eigene Redaktionsbetriebe unterhalten dürfen, die dann nur parteikonforme Inhalte pseudo-journalistisch aufbereiten? Welche demokratiepolitische Auswirkung hat es zudem, wenn die Politik mit den Medien immer mehr verschmilzt und eine klare Trennung nicht mehr ersichtlich ist?

Auffällig ist auch, dass die politischen Inhalte auf offiziellen Parteiseiten zudem immer spärlicher werden und sich oft nur mehr auf Stehsätze beschränken. Wäre nicht die jeweilige Parteiwebsite der Ort, wo ausführlich über die eigenen politischen Positionen berichtet werden sollte?

Dabei spricht nichts gegen Parteimedien und politische Kommunikation. Dass Politiker über ihre Ansichten und Aktivitäten berichten ist legitim, nur sollten diese als politische Position klar erkenntlich sein. Denn das Recherchieren und Bewerten von Fakten sowie ausgewogene Berichterstattung ist genuin Aufgabe unabhängiger Journalisten, nicht von politischen PR-Mitarbeitern.

Es stellt sich die Frage, welche Transparenzregeln gelten eigentlich für Parteimedien?Ist es etwa die Aufgabe von Parteien mit Steuergeld selbst Podcasts und Onlinemagazine zu betreiben?