TopLine Konferenz : Pricing-Experte: "Einmal im Jahr die Preise anzupassen, ist längst Vergangenheit"

Othmar Schwarz, Partner Simon-Kucher & Partners

Othmar Schwarz, Partner bei Simon-Kucher & Partners

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Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Laut Schnellschätzung der Statistik Austria hat sich die Inflation im August erstmals seit einem Jahr etwas verlangsamt. Mit 9,1 Prozent bleibt sie aber nach wie vor hoch. Im Juli betrug die Teuerungsrate 9,3 Prozent.

Experten sprechen davon, dass man sich darauf einstellen müsse, für längere Zeit eine höhere Inflation zu haben. So hoch wie heuer oder im Vorjahr solle sie zwar nicht bleiben, aber auch für 2024/25 dürfte die Teuerung noch relativ weit vom Inflationsziel der EZB entfernt sein, so Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner. Das Ziel liegt bei 2 Prozent.

Verbraucherpreisindex Schnellsch?tzung August, Entwicklung seit August 2021; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 1203-22, 88 x 64 mm
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Um die hohen Energiepreise, die die Inflation stark antreiben, senken zu können, empfiehlt Baumgartner das Energieangebot auszuweiten. Das bedeutet für Europa vor allem den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Da dieser Umbau des Energiesystems Jahre in Anspruch nehmen wird, müsse die Politik in der Zwischenzeit versuchen, die Auswirkungen der Teuerung mit anderen Mitteln zu bekämpfen.

Auch österreichische Industriebetriebe sind aktuell gefordert, um möglichst unbeschadet durch die Teuerungswelle zu kommen. Laut dem Pricing-Experten Othmar Schwarz (Simon-Kucher & Partners) verpassen viele Unternehmen derzeit aber, sich auf die aktuelle und vor allem auf die Situation in naher Zukunft vorzubereiten. Die richtigen Instrumente dafür habe so gut wie jedes Unternehmen im Haus, sie würden nur zu wenig genutzt.

Schwarz erinnert daran, dass es Zeit wird mit dem Thema der Inflation und dem sogenannten "New Normal" zu leben. Wie das funktionieren kann und worauf Industriebetriebe künftig achten sollten, hat der Experte im Gespräch mit INDUSTRIEMAGAZIN NEWS verraten.

Event-Tipp: Gemeinsam mit INDUSTRIEMAGAZIN veranstaltet Simon-Kucher am 22. September in der Linzer Stahlwelt eine Fachkonferenz Zum Thema Profitables Wachstum in volatilen Zeiten. Alle Infos und Anmeldung hier.

IM-NEWS: Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation aus Expertensicht: Wird die Inflation bleiben? Wie werden sich die Preise entwickeln? Ist ein Ende in Sicht?

Othmar Schwarz:
Klare Antwort, ja. Die Inflation wird uns noch etwas begleiten, kombiniert mit einer deutlich höheren Volatilität der Preise. Temporär herrschen auch noch die Lieferkettenschwierigkeiten in einigen Industrien. Chipfabriken werden beispielsweise irgendwann gebaut sein, aber es gibt ein grundsätzliches Problem. Es jagt zu viel Geld zu wenig Ware. Was das kurz- und mittelfristig heißt, da gibt es unterschiedliche Tendenzen. Wir sehen einen Rückgang der Preise bei Rohstoffen und Basismaterialien, allerdings merken unsere Industrieunternehmen noch wenig, da das ganze durch die Energiepreissteigerung und den Lohnkostendruck konterkariert werden.

IM-NEWS:
Was bedeutet das für die österreichische Industrie? Wie gehen die Unternehmen damit um? Was ist Ihre Empfehlung?

Schwarz:
Grundsätzlich bedeutet das für Unternehmen, man muss vor die Kostenwelle kommen. Das heißt man muss Preise agil managen, was bedeutet man braucht dafür einen Prozess. Die einmalige Preiserhöhung im Jahr ist Vergangenheit. Wir haben „The New Normal“ – das heißt Preise stetig anzupassen. Für diesen Prozess braucht man Erfolgsfaktoren, um das gut zu machen. Das ist zum einen datenbasiert und differenziert. Alle Produkte, Märkte und Kunden über einen Kamm zu scheren ist nicht mehr zeitgemäß. Und zum anderen, wo viele Unternehmen scheitern, ist alle Stakeholder im Unternehmen hinter sich zu bringen. Vom Außen-, Innendienst bis hin zum Vorstandsmitglied müssen alle an einem Strang ziehen, alle müssen überzeugt sein, dass es das braucht und alle müssen dahingehend auch geschult sein. Was aktuell in dieser stoischen Preiserhöhungssystematik oft vergessen wird, dass es kurzfristig auch zu Preisrückgängen und Preisdruck im Markt kommen kann. In manchen Industrien sieht man aktuell auch einen Nachfragerückgang, was natürlich auch wieder einen Preisdruck auslöst.

IM-NEWS:
In welchen Industrien sehen Sie diese Tendenzen bereits?

Schwarz:
Wenn man sich in der Bau Industrie die aktuellen Zahlen ansieht, ist ein Nachfragerückgang zu sehen. Speziell wenn nächstes Jahr der Preisdruck und die Preiserhöhungen abflachen, dann wird sich die Situation dahingehend nochmal verändern. Auch in der Papierverpackung
erwartet man in naher Zukunft eine deutliche Entspannung des Marktes.

IM-NEWS:
Wie bereiten sich die Unternehmen darauf vor?

Schwarz:
Ehrliche Antwort, nicht alle haben es auf der Agenda und die wenigsten berieten sich aktiv darauf vor. Das heißt, aktiv zu überbelegen was sind Marktsegmente die künftig Wachstum ermöglichen. Das können Produkte, Kundengruppen, Geschäftsmodelle oder auch Märkte sein. So sehen wir aktuell auch mit dem erstärkten Dollar, dass das ein spannender Absatzmarkt für europäische Unternehmen sein kann. Genauso könnte man überlegen eine Produktalternative zu entwickeln. Ein sogenanntes LEA – Less Expensive Alternative – um Kunden weiterhin bedienen zu können.

Was ich allen rate: Die Daten im eigenen Haus zu nutzen. Konkret zu schauen, wie entwickelt sich meine Nachfrage, wie sieht meine Sales-Pipeline aus, wie sieht meine Hit-Rate aus – das sind KPIs die gründlich analysiert werden müssen.