Transport : Senger-Weiss: „Keine rasche Erleichterung“

Gebrüder Weiss-Chef Senger-Weiss

Gebrüder-Weiss-Chef Wolfram Senger-Weiss: "Verdichten internationales Netzwerk"

- © Gebrüder Weiss

INDUSTRIEMAGAZIN: Gebrüder Weiss hat im letzten Jahr einige Unternehmen übernommen und ist etwa auch in Ungarn flächenmäßig gewachsen. Was ist Ihre Strategie und was kommt 2022?

Wolfram Senger-Weiss:
Uns geht es vor allem darum, unser internationales Netzwerk zu verdichten und weiterzuentwickeln. Wir haben 2021 in neue Logistikterminals investiert und weitere Akquisitionen getätigt – zuletzt beispielsweise in Bulgarien und der Türkei. Zusätzlich haben wir in mehreren Wachstumsmärkten Akzente gesetzt, speziell in Süddeutschland, wo wir unser Standortnetz erweitert haben und auch zukünftig flächenmäßig weitere Schritte setzen möchten.

Welche sind die weltweiten Wachstumsmärkte für Gebrüder Weiss?

Senger-Weiss: Wir haben durch die Akquisition von Ipsen Logistics neue Luft- und Seefracht-Standorte in Deutschland bundesweit integriert und sind erfolgreich in Polen und Malaysia gestartet. Neue Standorte wurden zudem in Australien, Neuseeland und in Südkorea eröffnet. Für dieses Jahr planen wir weitere Entwicklungsschritte in den USA. In Übersee sind wir schwerpunktmäßig mit Luft- und Seefracht-Services tätig, punktuell auch mit Logistik-Geschäften.

Seit Beginn der Corona-Pandemie befinden sich globale Lieferketten im Chaos. Anfang letzten Jahres haben Sie erwartet, dass der Peak bis zum chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar anhält und sich die Lage dann wieder etwas normalisiert. Kurz danach kam es zum Evergiven-Vorfall. Wie planbar ist der Frachttransport heute noch?


Senger-Weiss:
Sie haben das Wort Chaos verwendet. Ganz so schlimm ist es nicht, die Prozesse funktionieren weiter. Es gibt zwar deutliche Verzögerungen in der Laufzeit, aber prinzipiell läuft die globale Weltwirtschaft auch heute ganz gut. Es gab einen Peak Mitte 2021, seitdem hat sich die Situation etwas gebessert. Aber die Lieferzeiten haben sich erhöht, die Engpässe liegen vor allem in den Häfen und in den Nachläufen. Man sagt, etwa zehn bis zwölf Prozent aller Waren warten momentan vor Häfen, um entladen zu werden. Das ist schon eine relevante Größe.

Was heißt das mittelfristig?


Senger-Weiss:
Die Lage hat sich etwas stabilisiert, auf hohem Niveau auch die Preise. Eine kurzfristige Erleichterung ist nicht zu erwarten. Ich glaube, dass es noch lange dauern wird, bis wir wieder auf das Niveau wie vor der Pandemie kommen – wenn wir dies überhaupt je wieder erreichen. Um eine wirkliche Entlastung zu bekommen, bräuchte es eine deutliche Reduktion der Mengen. Das ist momentan nicht in Sicht. Es kommen zwar sukzessive neue Schiffe auf den Markt, aber die werden sich ebenfalls vor den Häfen „hintenanstellen“ müssen. Es sind auch Investitionen in den Häfen geplant – gerade in Los Angeles oder Singapur – das alles wird jedoch noch eine Zeit dauern. Die Prozesse haben sich eingespielt, aber die exogenen Faktoren bleiben.

Kann Digitalisierung einige der Probleme und Herausforderungen lösen, die wir in den letzten beiden Jahren gesehen haben?


Senger-Weiss:
Für sich allein genommen – nein. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig die Kontrolle über die physische Infrastruktur und deren Verfügbarkeit ist. Natürlich braucht es heute beides, physisch und digital. Das ist auch unsere Strategie – wir nennen das ‚best of both worlds‘: Eine Kombination aus physischer Leistungsfähigkeit durch Logistikanlagen, Verkehrsleistung sowie sehr gut ausgebildetem Personal, und modernsten digitalen Tools. Diese Strategie hat sich einmal mehr in der Krise bestätigt.

„Um eine wirkliche Entlastung zu bekommen, bräuchte es eine deutliche Reduktion der Mengen.“
Wolfram Senger-Weiss, CEO Gebrüder-Weiss

Kommen wir zum Thema Green Logistics. Welche Maßnahmen setzt Gebrüder Weiss in dieser Hinsicht in den verschiedenen Bereichen?

Senger-Weiss: Wir sind sehr aktiv in diesem Bereich und zählen sicher zu den Vorreitern. Wir haben einen der ersten Wasserstoff-Lkw im Einsatz, betreiben auch Elektro-Lkw sowie Elektrotransporter, unter anderem im Bereich Home Delivery. Beim Schwerlastverkehr sind die Fahrzeuge allerdings noch fern von einer Serienproduktion. Wichtig ist, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden aus den Praxiserfahrungen lernen. Welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird, ist aktuell noch unklar. Gerade in Österreich ist die Subventionssituation sehr unsicher und erschwert dadurch Investitionsentscheidungen.

Unabhängig davon verlagern wir seit Jahren Straßentransporte auf die Schiene: Mit dem Orange Combi Cargo haben wir einen Ganzzug, der täglich zwischen Ost- und Westösterreich pendelt und damit jährlich rund 9.000 Tonnen CO2 einspart. Zudem haben wir beispielsweise regelmäßige Zugverbindungen von Österreich zu den Häfen Hamburg und Rotterdam. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass nur gewisse Warentypen und Transportanforderungen für eine Verlagerung geeignet sind.

Welche sind es denn nicht?

Senger-Weiss: Diese Entscheidungen werden meist von den Kunden getroffen. Der Bahntransport bringt gewisse Restriktionen bezüglich Laufzeit und Fahrplan mit sich und ist damit im Vergleich zum Straßentransport weniger flexibel. Prinzipiell gilt, dass der Schienentransport für Kunden mit Just-in-time-Belieferung und kurzen Distanzen schwierig realisierbar ist. Auch manche Gefahrgut-Produkte eignen sich nicht. Wenn allerdings die Laufzeiten flexibler sind, etwa für die Lagerbestückungen, hat die Bahn speziell bei größeren Distanzen ihre Vorteile.

Was sind die Pläne von Gebrüder Weiss für 2022?

Senger-Weiss: Wir werden unsere Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit weiter intensivieren – Stichwort alternative Antriebe – und unseren Weg Richtung Klimaneutralität durch Investitionen in Solaranlagen an unseren Standorten fortsetzen. Mit unserem zero emissions-Service möchten wir gemeinsam mit unseren Kunden den Transport klimaneutral gestalten, auch planen wir weitere digitale Services für unser Kundenportal myGW. Zugleich sind wir mit steigenden Kosten und Inflation konfrontiert – auch Green Logistics kostet Geld.

Und diese Kosten müssen wir entsprechend an unsere Kunden weitergeben. Das ist kein einfacher und angenehmer, aber ein notwendiger Prozess. Weitere Entwicklungsschritte haben wir 2022 außerdem in Süddeutschland und den USA geplant, wo wir uns noch verstärken und weiterentwickeln möchten.

Und: Wir wollen flexibel bleiben. Was tatsächlich auf uns zukommt, wissen wir alle nicht. Wir haben bis jetzt die Krise gut gemeistert. Als weltweit tätiges Familienunternehmen mit kurzen Entscheidungswegen und einer nachhaltigen Entwicklung über viele Jahre hinweg, haben wir eine sehr gute Basis geschaffen. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir für alles Unerwartete gut gerüstet sind.