Drohende Werksschließungen bei VW : VW in der Krise - Drohen nun Warnstreiks?

Betriebsratschefin Daniela Cavallo: Drohen ab Dezember Warnstreiks bei VW?
- © Moritz Frankenberg / dpa / picturedesk.comIm Kampf um die Zukunft des Automobilherstellers Volkswagen stellen die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat heute ihre Vision zur Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze vor. Einen Tag vor der dritten Tarifrunde in Wolfsburg kündigten beide Parteien an, Eckpunkte eines eigenen Gesamtkonzepts zu präsentieren, das eine Alternative zu den geplanten Einschnitten des Konzerns darstellt.
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Gewerkschaft fordert Gesamtkonzept
Seit September drängen Betriebsratschefin Daniela Cavallo und IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger auf ein umfassendes Zukunftsmodell für alle VW-Standorte. Cavallo kritisierte: „Wir sehen sehr viele Stellschrauben, an denen wir drehen können, um die Kosten zu senken, ohne gleich ganze Standorte infrage zu stellen.“ Doch bisher blieb der Konzern eine klare Strategie schuldig.
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„Dass Volkswagen große Herausforderungen hat, steht außer Frage“, sagte Gröger bereits im September. Ziel des Betriebsrats und der IG Metall sei es, langfristig Standorte, Auslastung und Beschäftigung abzusichern. Maßnahmen wie Werksschließungen, Kündigungen oder Lohnkürzungen lehnen beide strikt ab.
Daniela Cavallo skizzierte auf einer Betriebsversammlung im September Kernelemente eines „Masterplans 2025-2035“. Ein Schwerpunkt liegt auf der Produktsubstanz: „Volkswagen war immer dann erfolgreich, wenn wir mit starken Produkten unsere Kundschaft begeistert haben.“ Allerdings bemängelte sie Verzögerungen bei Entscheidungen, etwa beim Start günstiger Elektro-Modelle wie dem ID.2, der erst 2026 auf den Markt kommen soll.
Auch technologisch müsse VW wieder die Spitzenposition einnehmen. Cavallo forderte: „Wir brauchen deutliche Sprünge vor allem in den Bereichen Software, termingerechte Anläufe und Kundenakzeptanz.“ Projekte, die nicht zur Technologieführerschaft beitragen, sollten konsequent hinterfragt werden.

Unsere Regelwut müssen wir angehen, unseren Dokumentationsirrsinn abstellen.Betriebsratschefin Daniela Cavallo
Fokus auf die Kernmarke
Um Kosten zu senken, drängt Cavallo auf eine Reduzierung der Komplexität innerhalb des Konzerns. Sie betonte: „Unsere Regelwut müssen wir angehen, unseren Dokumentationsirrsinn abstellen.“ Gleichzeitig forderte sie eine stärkere Fokussierung auf die Kernmarke Volkswagen. Doppelentwicklungen innerhalb der Markenfamilie seien abzubauen, um Synergien zu schaffen.
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Mit Blick auf die Finanzen plädierte Cavallo für mutige Investitionen, auch in Krisenzeiten: „Gerade in herausfordernden Zeiten brauchen wir den Mut, auch in der Krise zu investieren.“ Neue Modelle im Volumensegment könnten die Werksauslastung verbessern und langfristig Kosten senken. „Blindes Sparen“ sei keine Lösung, um nachhaltig erfolgreich zu bleiben.
Lösung bis Weihnachten gefordert
Die dritte Tarifrunde bei Volkswagen steht bevor, und die deutsche Gewerkschaft IG Metall sowie der Betriebsrat drängen auf eine schnelle Einigung noch vor Weihnachten. "Wir erwarten von Volkswagen, dass man sich heute mit uns genau auf diesen konstruktiven Lösungspfad begibt und dass wir jetzt in einen Verhandlungsprozess einsteigen,"sagte Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall, vor Beginn der Gespräche in Wolfsburg.
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Betriebsratschefin Daniela Cavallo betonte: "Wir wollen so schnell wie möglich diese Unsicherheit auflösen, den Kolleginnen und Kollegen noch vor Weihnachten mitteilen, wie es bei Volkswagen weitergeht." Grundlage für die Verhandlungen sei das gemeinsam von IG Metall und Betriebsrat vorgelegte Konzept. Gröger fügte hinzu: "Dann kann es auch gelingen, vor Weihnachten zu Lösungen zu kommen. Das bedingt natürlich, dass wir heute einen großen Schritt von der anderen Seite auch bekommen."
Sollte Volkswagen sich in den Verhandlungen nicht bewegen, drohen ab dem 1. Dezember Warnstreiks. An diesem Tag endet die Friedenspflicht im Tarifkonflikt. "Dass wir jetzt schon an einen Punkt angekommen sind, wo wir kurz vor Ende der Friedenspflicht sind, das ist nicht das Verschulden unserer Seite," erklärte Gröger. "Das hat der Vorstand von Volkswagen zu verantworten."
Werksschließungen und massive Einschnitte geplant
Volkswagen plant laut Betriebsrat weitreichende Maßnahmen, die die deutschen Standorte des Konzerns massiv betreffen könnten. Nach Informationen des Betriebsrats sollen mindestens drei der zehn Werke der Kernmarke VW in Deutschland geschlossen werden. Die verbleibenden Standorte sollen Kapazitätskürzungen hinnehmen. Besonders kritisch: VW will betriebsbedingte Kündigungen, die seit 1992 ausgeschlossen waren, wieder ermöglichen. Zusätzlich sollen die Löhne der 120.000 Beschäftigten um zehn Prozent gesenkt und für zwei Jahre eingefroren werden.
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Diese Pläne machte der Betriebsrat auf Informationsveranstaltungen an allen Standorten publik, nachdem der Konzern die Arbeitnehmerseite kürzlich darüber informiert hatte. VW selbst hält sich bedeckt und will die Einschnitte zunächst intern diskutieren. Zur nächsten Tarifrunde am Mittwoch kündigte das Unternehmen jedoch „konkrete Vorschläge zur Senkung der Arbeitskosten“ an.
Die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat haben bereits Widerstand angekündigt. Betriebsratschefin Daniela Cavallo warnte: „Der Konzern steht ganz kurz vor der Eskalation.“ Auch Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen, drohte mit Warnstreiks ab dem 1. Dezember, wenn die Friedenspflicht endet: „Wenn die Chefetage den Abgesang Deutschlands einläuten will, müssen sie mit Widerstand rechnen, den sie sich so nicht ausmalen kann!“
Welche Standorte sind gefährdet?
Obwohl VW keine Details nennt, erklärte Cavallo, dass keiner der zehn deutschen Standorte sicher sei: „Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher!“ Besonders gefährdet seien kleinere Werke wie Osnabrück, das kürzlich einen Folgeauftrag von Porsche verlor, und die Gläserne Manufaktur in Dresden, bei der ein Ende der Fahrzeugfertigung im Raum steht.
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Doch selbst die Schließung dieser beiden Standorte würde nicht ausreichen, um die Überkapazität zu beseitigen. Laut Finanzvorstand Arno Antlitz fehlen VW Verkäufe für rund zwei Werke – etwa 500.000 Fahrzeuge pro Jahr. Daher soll die Kapazität an allen Standorten reduziert werden.
Laut Betriebsrat könnten bis zu 30.000 Stellen in Deutschland wegfallen. Das "Manager-Magazin" berichtete im September von entsprechenden Überlegungen. Offiziell hat VW bisher keine Zahl genannt. Klar ist jedoch, dass die bestehende Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschloss, gekündigt wurde. Ab Juli 2025 könnten Kündigungen rechtlich möglich sein, sofern keine neue Regelung getroffen wird.
Markenchef Thomas Schäfer machte die hohen Kosten an deutschen Standorten für die Einschnitte verantwortlich: „Wir sind an den deutschen Standorten nicht produktiv genug und liegen aktuell bei den Fabrikkosten 25 bis 50 Prozent über dem, was wir uns vorgenommen haben.“ Einige Werke seien doppelt so teuer wie die Konkurrenz. Ziel des Konzerns sei es, die Umsatzrendite bis 2026 auf 6,5 Prozent zu steigern, um notwendige Investitionen in die Zukunft zu finanzieren.
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