Kriegswirtschaft in Russland : Starkes Wirtschaftswachstum in Zentral- und Osteuropa trotz deutscher Rezession: Polen und Russland führen

map of Ukraine,Romania,Belorussia,Poland,Hungary. Backlit lighting.Selective focus

Obwohl einige Länder Zentral- und Osteuropas erheblich unter der Rezession in Deutschland leiden, wachsen ihre Volkswirtschaften deutlich kräftiger als die Eurozone.

- © twixx - stock.adobe.com

Obwohl einige Länder in Zentral- und Osteuropa erheblich unter der Rezession in Deutschland leiden, wachsen ihre Volkswirtschaften weiterhin stärker als die der Eurozone, wodurch die Region wirtschaftlich aufholt. Zu den Ländern mit dem stärksten Wachstum gehört Russland. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) hat seine Prognose für das von Sanktionen betroffene Land erneut nach oben korrigiert.

>>> Österreichs beste Arbeitgeber 2024

Länder wie Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien sind eng mit der schwachen deutschen Industrie verflochten. „Die Krise in Deutschland lastet wie ein Mühlstein auf vielen Volkswirtschaften der Region und begrenzt ihre Wachstumsaussichten“, so Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des wiiw und Hauptautor der Herbstprognose für die 23 Länder der Region.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Folgen Sie uns schon auf Instagram?

- © Industriemagazin

Krise der Auto-Industrie wirkt sich auf Osteuropa aus

Die Auswirkungen zeigen sich besonders in der sinkenden Produktion der Automobilindustrie, die in Ländern wie der Slowakei rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht. Auch in Tschechien, Slowenien und Ungarn sind etwa 15 Prozent des BIP davon abhängig. Da dieser Rückgang verzögert eintritt, wird erwartet, dass weitere Einbußen folgen. Der private Konsum bleibt jedoch der wichtigste Wachstumstreiber in den ostmitteleuropäischen EU-Mitgliedsländern, gestützt durch steigende Reallöhne, während die Industrie in der Rezession steckt.

>>> BMW und Mercedes im Abwärtstrend: Hat die deutsche Autoindustrie den E-Auto-Zug in China verpasst?

Laut der aktuellen wiiw-Prognose wurde die Wachstumsprognose für die EU-Mitglieder der Region um 0,4 Prozentpunkte gesenkt. Für 2024 wird nun ein Wachstum von durchschnittlich 2,2 Prozent erwartet, das sich 2025 auf 2,9 Prozent beschleunigen soll. Damit dürfte das Wachstum dieser Länder die Eurozone (2024: 0,6 Prozent; 2025: 1,4 Prozent) deutlich übertreffen und den wirtschaftlichen Aufholprozess fortsetzen.

Die Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) sowie Slowenien sollen laut wiiw-Ökonomen 2024 durchschnittlich um 2,3 Prozent wachsen und 2025 auf 3,1 Prozent zulegen. Polen bleibt Spitzenreiter mit einem Wachstum von 3,1 Prozent im Jahr 2024 und 3,7 Prozent im Jahr 2025. Früher profitierte Polen von seiner Nähe zu Deutschland, doch mittlerweile zeigt sich die polnische Wirtschaft auch unabhängig davon erfolgreich. Dies liegt laut Grieveson an der Größe der polnischen Wirtschaft und dem erhöhten EU-Mittelzufluss unter der neuen Regierung.

Russland wächst aufgrund von Kriegsproduktion

In Südosteuropa verlangsamt sich das bisher dynamische Wachstum in Rumänien auf 2 Prozent (2025: 2,5 Prozent), während Kroatien mit 3,3 Prozent (2024) und 3,0 Prozent (2025) weiterhin stark zulegen soll. Die sechs Westbalkan-Staaten sollen 2024 und 2025 durchschnittlich um 3,4 Prozent expandieren. In der Türkei wird ein Wachstum von 3,4 Prozent für 2024 und 4,0 Prozent für 2025 prognostiziert.

>>> Chinas Automobilindustrie erobert Russland: Chery nutzt verlassene Werke von VW, Mercedes und Nissan

Für Russland, dessen Wirtschaft stark auf Kriegsproduktion ausgerichtet ist, hat das wiiw seine Prognose um 0,6 Prozentpunkte angehoben. Das BIP soll 2024 um 3,8 Prozent steigen, was das Wachstum von 3,6 Prozent im Jahr 2023 übertrifft. 2025 wird eine Abschwächung auf 2,5 Prozent erwartet. Die Kriegskosten haben kaum Auswirkungen: Das Haushaltsdefizit soll laut wiiw 2024 bei 1,5 Prozent des BIP liegen und 2025 auf 1 Prozent sinken. Zum Vergleich: Österreichs Defizit wird laut Wifo und IHS 2024 bei 3,7 bzw. 3,5 Prozent des BIP liegen.

Die ukrainische Wirtschaft, die 2022 um fast ein Drittel eingebrochen ist, zeigt hingegen kaum Erholung, mit einem Wachstum von 2,7 Prozent in diesem und 3,3 Prozent im kommenden Jahr. Der Fachkräftemangel aufgrund der Mobilisierung von Soldaten und die Zerstörung der Energieinfrastruktur belasten das Land stark. „Im heurigen Winter könnte der Ukraine rund ein Drittel des benötigten Stroms fehlen“, so die Ukraine-Expertin des wiiw, Olga Pindyuk. Angesichts der hohen Kriegsausgaben ist die Ukraine auf westliche Hilfe angewiesen. Das Haushaltsdefizit wird 2025 voraussichtlich bei 35 Milliarden US-Dollar oder rund 16 Prozent des BIP liegen.

BIP real zum Vorjahr in Prozent, Prognosen 2024 ? 2026; Quelle: WIIW/Eurostat; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 1415-24, 88 x 114 mm
Wirtschaftsprognose für Osteuropa - © APA

Raiffeisen systemrelevant für Russland

Die westlichen Länder profitieren wirtschaftlich von der Militärhilfe. „Das gesamte Geld, das die USA für Rüstungslieferungen an die Ukraine ausgeben, bleibt in den USA“, erklärt Grieveson.

>>> Cyberangriffe auf Lidl und Kaufland explodieren: Schwarz-Gruppe unter russischem Beschuss

Der Krieg belastet die Ukraine schwer, hat jedoch begrenzte wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region. Das wiiw geht davon aus, dass der Krieg bis mindestens 2026 andauern wird. „Wir nehmen an, dass China Russland weiter unterstützen wird und die USA weiterhin die Ukraine“, so Grieveson. Ein Sieg Donald Trumps bei den US-Wahlen könnte jedoch das Blatt wenden und die NATO-Präsenz in Europa gefährden, was Investoren abschrecken könnte.

Russland hat kürzlich die Bedingungen für den Verkauf ausländischer Unternehmen verschärft, was den Rückzug erschwert. „Unternehmen müssten praktisch alles abschreiben“, erklärt Russland-Experte Vasily Astrov. „Die russische Regierung verfolgt eine gezielte Politik, um ausländische Investoren zum Verbleib zu bewegen.“ Die Raiffeisenbank und UniCredit sind systemrelevant für Russland, und die Regierung wird alles unternehmen, um deren Verbleib zu sichern.

Wie nachhaltig ist Russlands Kriegswirtschaft?

Die Kriegswirtschaft in Russland, insbesondere im Kontext des Kriegs gegen die Ukraine, bietet kurzfristige ökonomische Stabilität, ist aber langfristig nicht nachhaltig und schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Seit Beginn des Konflikts hat Russland seinen Staatshaushalt massiv auf Verteidigung und Rüstung umgestellt. Etwa 30 Prozent des Budgets fließen in militärische Ausgaben, was ungefähr 6 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung ausmacht. Dies führt zu einer kurzfristigen Stabilisierung durch staatlich geförderte Arbeitsplätze im Rüstungssektor und erhöhte Löhne, die allerdings mit einer steigenden Inflation einhergehen​.

Diese Ausgaben verdrängen jedoch Investitionen in Zukunftssektoren wie Infrastruktur, Bildung und Gesundheit, die für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich sind. Der Krieg bindet zudem erhebliche Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Diese Vernachlässigung führt bereits jetzt zu infrastrukturellen Problemen.

Die westlichen Sanktionen gegen Russland verschärfen die Lage zusätzlich. Sie erschweren den Zugang zu internationalen Märkten und Technologien, wodurch die russische Wirtschaft auf Importsubstitution und Handelsbeziehungen mit China und Indien umstellen musste. Dies reicht jedoch langfristig nicht aus, um die technologischen Lücken zu schließen, die durch den Rückzug westlicher Firmen entstanden sind​.

Außerdem zeigt sich, dass die Abhängigkeit von militärischen Sektoren die Diversifizierung der Wirtschaft behindert und eine Rückkehr zu ziviler Produktion nach einem möglichen Ende des Konflikts schwierig machen wird. Experten warnen, dass dies zu einer strukturellen Schwäche führt und die russische Wirtschaft langfristig schrumpfen wird, insbesondere da potenzielle Wachstumssektoren wie IT und erneuerbare Energien unter Fachkräftemangel und fehlender Innovation leiden​.