Milizverband Österreich Richter : Das Milizsystem Österreichs: „Staatsbürger in Uniform“

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Die Miliz steht für das Prinzip „Staatsbürger in Uniform“ und macht die Verteidigung des Landes zur Gemeinschaftsaufgabe aller Bürgerinnen und Bürger.

- © ÖBH

Die österreichische Verfassung schreibt vor, dass das Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist. Während es routinierte Berufssoldaten gibt, ist das System nicht auf eine permanente Berufsarmee („stehendes Heer“) ausgelegt. Vielmehr ist das Bundesheer als Mobilmachungsheer konzipiert: Im Frieden existiert eine schlanke Friedensorganisation, die im Krisen- oder Verteidigungsfall durch die Mobilmachung der Miliz möglichst rasch in die volle Einsatzorganisation übergeführt werden kann. Die Berufssoldaten bilden das Rückgrat für Ausbildung, Führung und Spezialfunktionen, die eigentliche Verteidigungsfähigkeit des Landes beruht jedoch auf der Fähigkeit, im Bedarfsfall rasch eine breite Masse von Milizsoldaten einzuberufen und einzusetzen.

 

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Dieser Verfassungsauftrag ist Ausdruck eines zutiefst demokratischen und solidarischen Verständnisses von Landesverteidigung. Die Miliz steht für das Prinzip „Staatsbürger in Uniform“ und macht die Verteidigung des Landes zur Gemeinschaftsaufgabe aller Bürgerinnen und Bürger.

Das Wesen des Konflikts und die Rolle der Streitkräfte

Konflikte zwischen Staaten oder Gesellschaften entstehen, wenn politische Interessen unvereinbar werden. Der Zweck von Streitkräften ist es, im äußersten Fall und wenn alle anderen Mittel der Politik versagen, den politischen Willen des eigenen Staates zu behaupten – für Österreich somit die Verteidigung der eigenen Souveränität.

Nach Clausewitz ist Krieg „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Ziel militärischer Landesverteidigung ist es, einen potenziellen Gegner durch glaubwürdige Abschreckung von einem Angriff von vorneherein abzuhalten oder – falls es zum Ernstfall kommt – die Verteidigungsfähigkeit des Staates sicherzustellen und den Angriff abzuwehren.

Streitkräfte dienen also nicht nur dem Kampf, sondern vor allem der Abschreckung: Je glaubwürdiger Mobilmachungsfähigkeit und Wehrbereitschaft der Gesellschaft sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs. Auch eine Demokratie ist besser wehrhaft als wehrlos – friedfertig ist nur, wer zur Verteidigung fähig ist und freiwillig auf Gewalt verzichtet, außer zur Selbstverteidigung.

Verfassungsauftrag und gesellschaftlicher Konsens

Die Bundesverfassung (Art. 79 B-VG) schreibt das Milizsystem verbindlich vor. Nach einem relativ kurzen Grundwehrdienst wechseln junge Männer für einige Jahre in den Milizstand. Sie führen ihr ziviles Leben weiter und gehen ihrem zivilen Beruf nach, stehen aber im Ernstfall bereit, ihren Beruf zu unterbrechen und als Milizsoldaten in den Einsatz zu gehen oder zu regelmäßigen Wiederholungsübungen („Milizübungen“) einzurücken.

Das öffentliche Wissen um das Milizsystem ist durch geopolitische Veränderungen und neue Kriegsbilder seit den 1990er-Jahren in den Hintergrund getreten: Das Milizsystem ist historisch das demokratischste Wehrsystem zur konventionellen Landesverteidigung. Es spricht jeden Staatsbürger als Verteidiger der eigenen Sache an und schöpft die Verteidigungskraft des Staates aus der Gesamtgesellschaft. Aufgrund des Mobilmachungserfordernisses hat dieses Wehrsystem einen defensiven Charakter und ist ein Garant für die Wehrhaftigkeit der Demokratie.

Das öffentliche Wissen um das Milizsystem ist durch geopolitische Veränderungen und neue Kriegsbilder seit den 1990er-Jahren in den Hintergrund getreten: Armin Richter, Präsident Milizverband Österreich

- © Katharina Wocelka

Die vier Säulen der Umfassenden Landesverteidigung

Das österreichische Wehrsystem ist eingebettet in das Konzept der „Umfassenden Landesverteidigung“ (ULV), das vier Säulen umfasst:

  1. Militärische Landesverteidigung: Schutz vor äußeren Angriffen durch das Bundesheer.
  2. Wirtschaftliche Landesverteidigung: Sicherstellung der Versorgung und Funktionsfähigkeit der Wirtschaft in Krisen und Kriegen durch die Wirtschaft selbst.
  3. Zivile Landesverteidigung: Aufrechterhaltung staatlicher Grundfunktionen, Katastrophenschutz, Zivilschutz – vor allem durch die Bürger selbst!
  4. Geistige Landesverteidigung: Stärkung des Wehrwillens, der demokratischen Werte und der Bereitschaft, das Gemeinwesen und die politische Freiheit zu verteidigen.

Alle vier Säulen greifen ineinander und machen die Verteidigung der Republik zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Die geistige Landesverteidigung ist dazu das unabdingbare Fundament.

Struktur und Sollbild des Österreichischen Bundesheeres

Im Frieden besteht das Bundesheer aus einer schlanken Friedensorganisation, die vor allem aus Berufssoldaten und Grundwehrdienern besteht. Im Krisenfall erfolgt die Mobilmachung: Die Wehrpflichtigen des Milizstandes („Milizsoldaten“) werden einberufen und das Heer wächst rasch auf die Einsatzorganisation an.

Im Sollzustand sieht die Heeresgliederung heute eine mobilgemachte Einsatzorganisation von maximal 55.000 Soldaten vor (Ende der 1980er: ca. 200.000 mit Ausblick auf ca. 300.000). In der Friedensorganisation sind rund 20.000 als Berufssoldaten und Grundwehrdiener ständig in Uniform („Präsenzorganisation“), während bis zu 35.000 als Milizsoldaten mobilisiert werden können. Die Miliz stellt damit anlassbezogen den Großteil der voll mobilgemachten Streitkräfte, und ist somit das Rückgrat des Bundesheeres – insbesondere im Einsatz zur militärischen Landesverteidigung.

Die Miliz umfasst alle Dienstgrade – vom einfachen Mannschaftssoldaten bis zum Generalmajor. Sie ist modular aufgebaut: Nach dem Grundwehrdienst können sich engagierte Bürgerinnen und Bürger weiterbilden, etwa zum Milizunteroffizier oder Milizoffizier. Die Ausbildung erfolgt berufsbegleitend und modular, sodass sie mit zivilen Karrieren vereinbar ist.

Übung und Weiterbildung als Kern des Milizsystems

Das Milizsystem lebt von regelmäßiger Wiederholungsübung und persönlicher Weiterbildung. Nur eine geübte Miliz ist eine einsatzfähige Miliz. Im Sollzustand nehmen Milizsoldaten regelmäßig an Übungen teil, um ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten und aufzufrischen, und die Zusammenarbeit mit den Berufssoldaten zu festigen. Erst durch das gemeinsame Üben entstehen eingespielte Teams, Einheiten und Verbände – und damit ein leistungsfähiges Heer, das im Ernstfall vorbereitet und entschlossen auftreten kann.

Geistige Landesverteidigung: Solidarität und Wehrwille

Geistige Landesverteidigung ist jener Teil der umfassenden Landesverteidigung, der auf die Stärkung des Wehrwillens, der demokratischen Werte und der Bereitschaft zur Verteidigung des Gemeinwesens durch jeden Einzelnen abzielt. Sie umfasst staatsbürgerliche Bildung, die Vermittlung von Patriotismus, demokratischen Grundwerten und das Bewusstsein für die Bedeutung von Souveränität und politischer Freiheit. Ziel ist es, die Resilienz der Gesellschaft in Krisen zu stärken und die Bereitschaft zu fördern, im Ernstfall Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Landesverteidigung ist abgeleitet aus der Bundesverfassung eine solidarische Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Umfragen zeigen, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung bereit ist, das Land im Ernstfall mit der Waffe zu verteidigen: 47 % der österreichischen (wehrpflichtigen) Männer wären laut repräsentativen Umfragen dazu bereit. Das Milizsystem macht diesen Wehrwillen praktisch wirksam. Sie ist damit nicht nur militärisch, sondern auch gesellschaftlich ein unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Sicherheitsarchitektur.

Gesellschaftlicher Mehrwert

Das Milizsystem bringt zivile Kompetenzen ins Heer und stärkt die Einsatzfähigkeit Österreichs. 

Umgekehrt profitieren Unternehmen, wenn militärisch ausgebildete Mitarbeiter ihre im Heer geübte Teamfähigkeit einbringen. Milizkadersoldaten bringen darüber hinaus erlernte Führungs- und Planungsverfahren und die objektiv-strukturierte Denkweise in das Unternehmensgeschäft ein – Fähigkeiten, die an keiner zivilen Universität gelehrt werden. Gesamtgesellschaftlich können Milizsoldaten den Bogen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Militär spannen und einen Ausgleich zwischen diesen „Welten“ schaffen.

Fazit: Die Miliz als Zukunftsmodell

Das österreichische Milizsystem ist ein Wehrsystem, das auf gesellschaftlicher Verantwortung, demokratischer Legitimation und praktischer Solidarität beruht. Es verbindet die Vorteile einer modernen, flexiblen Einsatzorganisation mit tiefer Verankerung in der Gesellschaft. Mit dem Milizsystem und einer verhältnismäßigen Heeresgliederung kann ein verhältnismäßig kleiner Staat wie Österreich eine ernstzunehmende Abschreckungswirkung auch gegenüber größeren Gegnern erzeugen. 

Die Miliz ist damit nicht nur das Rückgrat der militärischen Landesverteidigung, sondern auch ein Modell für die Resilienz und Wehrhaftigkeit einer demokratischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert – für ein Leben in Sicherheit und Freiheit.

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