Elektroindustrie : Österreichs Elektroindustrie in der Krise: 2.800 Jobs weg, Exporte brechen ein

Halbleiterproduktion unter Druck: Nach einem spürbaren Abschwung 2024 blieb auch im ersten Quartal 2025 die Lage in der Elektro- und Elektronikindustrie angespannt.
- © Gorodenkoff - stock.adobe.comDie österreichische Elektro- und Elektronikindustrie steckt tief in der Krise. Was sich bereits 2023 abzeichnete, hat sich im vergangenen Jahr dramatisch verschärft: Eine schwache internationale Konjunktur, ausbleibende Aufträge und hausgemachte Standortnachteile drückten die Branche 2024 spürbar in die Rezession.
Auf einer Pressekonferenz des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) zeichnete sich ein ernüchterndes Bild ab: Erstmals seit der Pandemie gingen Produktion, Auftragseingänge und Beschäftigung gleichzeitig zurück. Der Produktionswert fiel um 4,4 Prozent auf 23,43 Milliarden Euro, die Bestellungen brachen um 5 Prozent ein - mehr als 2.800 Jobs gingen verloren.
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Exporte brechen ein – Deutschland bleibt wichtigster Markt
Auch beim Export zeigt sich die angespannte Lage der Branche. 2024 erwirtschaftete die exportorientierte Elektro- und Elektronikindustrie 19,2 Milliarden Euro im Ausland – rund drei Prozent weniger als im Vorjahr. Besonders der EU-Raum, traditionell stärkster Absatzmarkt mit einem Anteil von 62,2 Prozent, schwächelte und verzeichnete ein Minus von 4,8 Prozent. Deutschland bleibt mit knapp 30 Prozent der wichtigste Partner, vor den USA mit 6,7 Prozent. Trotz der Rückgänge hält die Branche mit einem Anteil von zehn Prozent an den österreichischen Gesamtausfuhren ihre Rolle als drittgrößte Industriesparte des Landes.
Ein Blick auf die ersten Monate 2025 verdeutlicht, wie schwierig die Lage bleibt. Im März lag der Produktionswert noch immer vier Prozent unter dem Vorjahreswert, der Gesamtumsatz schrumpfte um 3,5 Prozent, vor allem wegen rückläufiger Auslandsumsätze. Auch die Beschäftigung sank weiter um 2,8 Prozent. Einziger Lichtblick: Die Auftragseingänge stiegen im ersten Quartal 2025 erstmals wieder – im März sogar um acht Prozent. Ob daraus eine nachhaltige Trendwende wird, bleibt allerdings offen.
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Inflation und US-Zölle verschärfen den Druck
Auf der Pressekonferenz machte FEEI-Obmann Wolfgang Hesoun deutlich, woher die anhaltende Schwäche rührt: Österreich kämpft mit einer Inflation, die deutlich über dem EU-Schnitt liegt. Im Juli 2025 betrug sie 3,6 Prozent – in der Eurozone dagegen nur 2,0 Prozent. Zusammen mit hohen Zinsen, teurer Energie und steigenden Lohnkosten geraten die Unternehmen massiv unter Druck. „2024 sehen wir die Auswirkungen der letzten Jahre deutlich: In der Elektro- und Elektronikindustrie kam es erstmals zu einem merkbaren Stellenabbau“, so Hesoun. Die Arbeitskosten in Österreich zählen EU-weit zu den höchsten – nur in Belgien und Dänemark sind sie noch größer.
Zusätzlich belasten äußere Faktoren die exportstarke Branche. Seit Anfang August gilt in den USA ein Einfuhrzoll von 15 Prozent auf europäische Produkte. Für die österreichische Elektro- und Elektronikindustrie, die traditionell stark auf Auslandsumsätze angewiesen ist, bedeutet das eine weitere Verschärfung der Lage. Hesoun warnt vor einer schleichenden Deindustrialisierung, da immer mehr Betriebe über Standortverlagerungen nachdenken.
Industrie drängt auf Entlastung und Investitionen
Damit Österreichs Elektro- und Elektronikindustrie international konkurrenzfähig bleibt, fordert der FEEI rasche politische Maßnahmen. Bürokratieabbau, gezielte Investitionsanreize und eine Senkung der Lohnnebenkosten sollen Betriebe kurzfristig entlasten und Arbeitsplätze im Land sichern. Entscheidend seien jedoch auch Investitionen: Bis 2030 will die Branche eine Forschungsquote von vier Prozent erreichen. Laut FEEI bringt jeder Euro, der in themenoffene FFG-Basisprogramme fließt, im Schnitt acht Euro an zusätzlichen Erträgen für Unternehmen zurück.
Im Fokus stehen Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik, Quantentechnologie und Künstliche Intelligenz. Die Bundesregierung arbeitet derzeit gemeinsam mit der Wirtschaft an einer neuen Industriestrategie. Federführend beteiligt ist dabei die Plattform Industrie 4.0, ein enger Netzwerkpartner des FEEI. Für die Branche ist klar: Ohne eine solche Offensive droht der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit – und mit ihr ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen.
Europe first: FEEI fordert stärkeren Fokus auf europäische Wertschöpfung
Wie eng Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie wirken kann, zeigen erfolgreiche Initiativen wie der European Chips Act oder der „Made in Europe“-Bonus. Beide stärken nicht nur die Energiewende, sondern sichern auch europäische Produktion und Wertschöpfung. Für den FEEI ist das ein entscheidender Schritt zur strategischen Autonomie und zur Verringerung von Abhängigkeiten von anderen Wirtschaftsräumen.
„Die Fokussierung auf den Wirtschaftsstandort Österreich und Europa wird in Zeiten fragiler Handelsbeziehungen und andauernder Konflikte immer wichtiger“, betonte FEEI-Obmann Wolfgang Hesoun. Von den USA sei kein Verlass mehr – im Gegenteil: Ständig neue Vorgaben und Zölle machten das Wirtschaften für europäische Unternehmen unsicher, unplanbar und teurer. Hesoun plädiert deshalb für eine konsequente Vertiefung des EU-Binnenmarkts, um Europas Unternehmen widerstandsfähiger und unabhängiger zu machen.
Fachkräfte bleiben Schlüssel zur Zukunft
Trotz Stellenabbau in Teilen der Branche bleibt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften hoch. „Die Elektro- und Elektronikindustrie ist und bleibt die Branche der Zukunft. Sie liefert Technologien für Digitalisierung und Dekarbonisierung, hält kritische Infrastruktur am Laufen und bietet Lösungen für die Herausforderungen von morgen“, so FEEI-Geschäftsführerin Marion Mitsch.
Damit Österreichs Unternehmen ihre Rolle als Innovationstreiber behaupten können, braucht es nicht nur Entlastungen bei Kosten und Bürokratie, sondern auch eine klare Fachkräfteoffensive. Für die Branche ist klar: Der Nachwuchs entscheidet mit darüber, ob Österreich im globalen Wettbewerb Schritt halten kann.