Gütertransport : ÖBB und Baustoffindustrie: 20.000 Lkw Fahrten einsparen

Um in Vorarlberg mehr Transport auf die Schiene zu verlagern, wird die ÖBB Rail Cargo künftig verstärkt die kleinstrukturiertere Wirtschaft des Bundeslandes, also Mittelständler, ansprechen. Dazu biete man Tür-zu-Tür-Lösungen, etwa die kippbare und kranlose Behälterlösung "Mobiler". In Österreich sind bereits 1.200 "Mobiler" im Einsatz. In Vorarlberg würden diese aber noch viel zu wenig genutzt.
Einsatzmöglichkeiten sehen die ÖBB etwa in der Baustoffindustrie. Wenn bei mineralischen Baustoffen ein von allen Partnern getragener Umstieg auf die Schiene gelinge, würden 20.000 Lkw-Fahrten (hin und retour) eingespart. Arbeiten werde man auch am weiteren Ausbau der Kapazitäten und einem schnelleren Umschlag am Güterbahnhof Wolfurt, so Matthä. Derzeit betrage die Auslastungsrate des Güterbahnhofs Wolfurt 90 Prozent, täglich würden 40 Züge und 200 bis 240 Lkw abgefertigt.
Das Vorhaben, mehr Güter auf die Schiene bringen, wird von Vorarlberger Landesregierung und ÖBB gemeinsam vorangetrieben. Der zuständige Landesrat Daniel Zadra (Grüne) und ÖBB-Chef Andreas Matthä orteten am Montag großes Potenzial, denn noch würden in Vorarlberg 88 Prozent der Güter auf der Straße transportiert, hier gebe es viel "Luft nach oben", so Zadra und Matthä. Als "Allianz zur Verkehrsverlagerung" wollen sie dazu den Austausch mit der Wirtschaft suchen und das Angebot verbessern.
Rund vier Mio. Tonnen Waren und Rohstoffe werden in Vorarlberg über die Schiene befördert, 28 Tonnen auf der Straße. Der Verkehr sei auch im Exportland Vorarlberg die größte CO2-Quelle. "Ohne Verkehrsverlagerung werden wir die Klimaziele nie und nimmer erreichen", erklärte Zadra bei einem Pressegespräch am Güterbahnhof Wolfurt (Bez. Bregenz). "Rückenwind" ortete Zadra vom Bund, so gebe es etwa neue Fördertöpfe für neue Anschlussbahnen. Vor zehn Jahren gab es in Vorarlberg 52 solche Firmenbahnanschlüsse, heute noch 25, davon seien aber nur 15 in Betrieb. Die Gründe dafür seien vielfältig, so müsse ein Unternehmen etwa die Wartung einer solchen Strecke selbst bezahlen. Das bedeute eine "Wettbewerbsverzerrung" gegenüber der Straße.
Warum nach wie vor der Lkw die Nase vorn hat, liegt wohl vor allem am Preis und der Flexibilität. Hier will man nun ansetzen, im Wissen, "dass es dafür keine einfache Lösung" gibt, sagte Zadra und pochte auf Kostenwahrheit. Denn in der Gesamtbetrachtung, inklusive Unfällen, Umwelt-, Gesundheits- und Lärmbelastung, verursache der Lkw 4,5 Cent an externen Kosten pro Tonnenkilometer, die Bahn aber nur 0,6 Cent. Man brauche hier eine Trendumkehr, betonte Matthä. "Wir brauchen nix geschenkt, wir hätten's nur gern fair", formulierte es der ÖBB-Chef. Aber auch seitens der ÖBB müsse man natürlich seine Hausaufgaben machen und dabei auf die Unternehmen eingehen.
Transport auf Schiene bringen: ein Österreich-Problem
Obwohl seit vielen Jahren die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene propagiert wird, verläuft die tatsächliche Entwicklung in Österreich gegensätzlich. Lag im Jahr 2010 der Bahn-Anteil im Landgüterverkehr noch bei 33 Prozent, sank er bis zum Jahr 2020 auf 28 Prozent. Laut dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) ist dafür auch der Rückgang der Anschlussbahnen vom öffentlichen Bahnnetz zu Unternehmen verantwortlich, ein Umdenken täte not.
Der VCÖ lenkt dabei das Augenmerk ebenfalls auf die Anschlussbahnen: Zwei Drittel des Transportvolumens auf der Schiene werden per Anschlussbahn abgewickelt. Während jedes Betriebsgelände standardmäßig einen öffentlich finanzierten Straßenanschluss erhalte, bleiben Unternehmen auf einem Großteil der Kosten für Anschlussbahnen sitzen, kritisiert der Verkehrsclub.
Die Zahl der aktiven Anschlussbahnen nimmt laut VCÖ in Österreich laufend ab. Im Jahr 2020 gab es 1.046 gemeldete Anschlussbahnen, wovon mit 547 lediglich die Hälfte bedient wurden. Gegenüber dem Jahr 2010 mit 782 bedienten Anschlussbahnen bedeutet dies einen Rückgang von 30 Prozent. Im selben Zeitraum ist der Anteil des Schienengüterverkehrs bezogen auf Nettotonnen-Kilometer von 33 Prozent auf 28 Prozent im Jahr 2020 gesunken.
Durch eine Anschlussbahn bekommt ein Unternehmen direkten Zugang an das öffentliche Schienennetz und damit auch zu den wichtigsten europäischen Umschlagplätzen wie Häfen, Terminals, Industrie- und Wirtschaftszentren. Anschlussbahnen sind nicht-öffentliche Eisenbahnen und in der Regel ohne fahrplanmäßigen Betrieb. Sie unterliegen zwar keiner Betriebspflicht, aber einer Erhaltungsverpflichtung.
Rund 95 Prozent der gesamten Anschlussbahnen in Österreich zweigen vom Streckennetz der ÖBB-Infrastruktur ab. Die restlichen rund 30 Anschlussbahnen beginnen auf dem Streckennetz von Privatbahnen, mehr als die Hälfte davon bei der Graz-Köflacher Bahn.
Im internationalen Vergleich steht Österreich zwar besser da als Deutschland, aber schlechter als die Schweiz. Zwischen den Bundesländern gibt es außerdem große Unterschiede. In Niederösterreich gibt es mit 291 die meisten Anschlussbahnen, gefolgt von 237 in Oberösterreich und 183 in der Steiermark. Bezogen auf die Streckenlänge der öffentlichen Eisenbahn weist Wien mit 40 Anschlussbahnen je 100 Kilometer, gefolgt von Salzburg mit 27 und Vorarlberg mit 26 Anschlussbahnen je 100 Kilometer die größte Anschlussbahndichte in Österreich auf, während es etwa im Burgenland lediglich neun Anschlussbahnen je 100 Kilometer gibt.
Güterverkehr ist in Österreich für 37 Prozent der Treibhausgas-Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich. 99 Prozent der CO2-Emissionen des Landgüterverkehrs verursachen Lkw. Pro Tonnenkilometer verursacht Schienengüterverkehr fünf Gramm an direkten und indirekten Treibhausgas-Emissionen, der Lkw-Verkehr jedoch ein Vielfaches mit durchschnittlich 85 Gramm. (apa/red)