Europäische Halbleiter-Industrie : Intel stoppt Bau in Magdeburg: Verzögerung des Chip-Werks trifft Europa hart

Eine Computergrafik zeigt die in Magdeburg geplante Chipfabrik des US-Konzerns Intel. Die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt setzte sich gegen eine Reihe anderer deutscher Bewerber durch. (zu dpa "Intel plant Milliardeninvestitionen in Magdeburg") +++ dpa-Bildfunk +++

Visualisierung des geplanten Intel-Werks in Magdeburg, Deutschland

- © Intel Corporation

Der angeschlagene Halbleiterhersteller Intel hat den Bau eines neuen Werks in Magdeburg vorerst gestoppt. Ursprünglich war der Baustart für dieses Jahr geplant, doch nun rechnet das Unternehmen mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren. Dies gab Firmenchef Pat Gelsinger am Montag bekannt. Intel, das aktuell mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, befindet sich in einem umfassenden Restrukturierungsprozess, um Verluste zu minimieren. In Sachsen-Anhalt hatte Intel die Errichtung von zwei hochmodernen Chipfabriken angekündigt, mit deren Bau bereits 2023 begonnen werden sollte.

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Die Investitionen für das Projekt wurden auf etwa 30 Milliarden Euro geschätzt, und es sollten bis zu 3.000 neue Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden. Der deutschen Bundesregierung war das Vorhaben so wichtig, dass sie staatliche Beihilfen in Höhe von 9,9 Milliarden Euro in Aussicht stellte, um die Ansiedlung des Technologiekonzerns zu unterstützen.

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- © Industriemagazin

Druck auf Intel nimmt zu

Noch im Frühjahr hatte Pat Gelsinger optimistische Prognosen abgegeben und erklärt, dass in Magdeburg hochmoderne Fertigungstechnologien zum Einsatz kommen würden, mit denen Intel die Konkurrenz überholen möchte. Besonders die taiwanesische TSMC hat Intel in den letzten Jahren durch effiziente Produktionsprozesse abgehängt. Der Produktionsbeginn in Magdeburg war für 2027 oder 2028 vorgesehen.

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Der Druck auf Intel nimmt zu. Das Unternehmen verzeichnete im letzten Quartal einen Verlust in Milliardenhöhe, und Analysten gehen davon aus, dass diese negativen Zahlen vorerst anhalten werden. Als Reaktion darauf kündigte Gelsinger im August einen Stellenabbau von etwa 15.000 Mitarbeitern an, was rund 15 Prozent der gesamten Belegschaft entspricht. Insgesamt plant Intel, im kommenden Jahr über zehn Milliarden US-Dollar einzusparen.

Neben den Plänen in Deutschland sind auch die Expansionsvorhaben in Polen von der Verzögerung betroffen. Im Gegensatz dazu investiert Intel weiter in den USA und arbeitet mit der Amazon-Cloud-Sparte an der Entwicklung neuer Chips.

Einstiger Marktführer

Für die geplanten Fabriken in Magdeburg war kürzlich eine erste Baugenehmigung erteilt worden. Zuvor hatte eine mehrmonatige Prüfung eines umfangreichen Bauantrags und die Anhörung von Interessengruppen und Kommunen stattgefunden. Die EU-Kommission hätte ebenfalls noch ihre Zustimmung zur staatlichen Förderung geben müssen. Die Regierung von Sachsen-Anhalt zeigte sich jedoch bis zuletzt optimistisch, dass die Freigabe der Mittel bis Ende des Jahres erfolgen würde, sodass der Bau beginnen könnte.

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Ein wesentlicher Bestandteil von Gelsingers Strategie ist es, Intel verstärkt als Auftragsfertiger für andere Chipentwickler zu positionieren. Um im Wettbewerb gegen etablierte Konkurrenten wie TSMC bestehen zu können, setzt Intel dabei auf hochmoderne Fertigungsverfahren. Der Bau des Magdeburger Werks war ein wichtiger Baustein dieser Pläne.

Intel war einst führend in der Chipbranche, doch der Technologiekonzern verlor in den letzten Jahren an Boden, besonders im Smartphone-Bereich. Das Unternehmen versuchte, seine Dominanz aus dem PC-Markt auf mobile Geräte zu übertragen, scheiterte jedoch an der Einführung energieeffizienter Prozessoren. Heute dominieren Wettbewerber wie Qualcomm und TSMC den Smartphone-Chipmarkt, während Intel sich auf andere Segmente konzentrieren muss.

Intel setzt auf Sparmaßnahmen

Angesichts der sinkenden Nachfrage nach Serverprozessoren setzt Intel auf drastische Sparmaßnahmen. Der US-Chiphersteller gab bekannt, dass über 15 Prozent der Arbeitsplätze gestrichen werden. Insgesamt sollen so im kommenden Jahr Einsparungen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar (9,3 Milliarden Euro) erzielt werden. Die Stellenkürzungen könnten dabei noch umfangreicher ausfallen als angekündigt. In der internen Mitteilung an die Belegschaft war von „mehr als“ 15 Prozent die Rede. Laut Pressemitteilung beschäftigt Intel selbst rund 116.500 Mitarbeiter, während der gesamte Konzern inklusive Tochtergesellschaften auf etwa 125.000 kommt.

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In einer E-Mail an die Mitarbeiter sprach Intel-Chef Pat Gelsinger die Probleme offen an und beschrieb die Lage recht eindringlich: „Unsere Kosten sind zu hoch, unsere Margen sind zu niedrig.“ Gelsinger führte weiter aus, dass der Umsatz im letzten Jahr um 24 Milliarden Dollar niedriger lag als noch 2020, während die Belegschaft um 10 Prozent gewachsen sei. Außerdem kritisierte er, dass Entscheidungsprozesse zu lange dauerten und es viele „Reibungsverluste“ im Unternehmen gebe.

Ein zentraler Punkt von Gelsingers Plan ist es, Intel stärker als Auftragsfertiger für andere Chip-Hersteller zu positionieren. Das Unternehmen soll dabei die modernsten Fertigungsverfahren beherrschen, um gegen Marktführer wie TSMC aus Taiwan bestehen zu können. Gleichzeitig sieht Gelsinger Intel als Schlüsselelement in den Bemühungen, die Chip-Produktion aus Asien wieder stärker in den Westen zu verlagern.

8 November 2017; Pat Gelsinger, CEO, VMware, on the SaaS Monster Stage during day two of Web Summit 2017 at Altice Arena in Lisbon. Photo by Cody Glenn/Web Summit via Sportsfile
Pat Gelsinger, Intel-Chef - © Wikipedia

Eine Schwachstelle Intels bleibt der fehlende Durchbruch bei spezialisierten Prozessoren für Künstliche Intelligenz (KI). Während Nvidia in diesem Bereich den Markt dominiert, versucht Intel, den Anschluss zu finden. Konkurrent AMD hat kürzlich mit der Übernahme des KI-Entwicklers Silo AI seine Aufholjagd begonnen.

Intel, einst unangefochtener Branchenführer, verlor im Laufe der Jahre an Boden. Ein entscheidender Rückschlag war das Versäumnis, sich im Smartphone-Markt zu etablieren. Obwohl Intel darauf setzte, seine Stärke im PC-Bereich auf mobile Geräte zu übertragen, setzten sich hier energieeffiziente Prozessoren auf Basis der Architektur des britischen Entwicklers Arm durch. Heute dominieren Wettbewerber wie Qualcomm und TSMC den Markt für Smartphone-Chips.

Zudem muss Intel um seine Position im PC-Geschäft bangen. Apple hat seine gesamte Mac-Produktpalette auf eigene Arm-basierte Chips umgestellt, die für längere Akkulaufzeiten sorgen. Im Sommer kündigte Microsoft an, neue Windows-PCs mit KI-Funktionen ebenfalls zunächst auf Arm-Chips wie Qualcomms Snapdragon-Prozessor zu setzen. Intel-Prozessoren sollen zwar folgen, müssen jedoch erst noch am Markt bestehen.

Bringt Auftragsfertigung den erneuten Durchbruch für Intel?

Der angeschlagene Chip-Riese Intel setzt zunehmend auf das Geschäft der Auftragsfertigung, um seine Umsätze zu stabilisieren. Wie Finanzchef David Zinsner auf einer Investorenkonferenz bekanntgab, soll dieser Bereich bis 2027 einen „bedeutenden“ Teil zum Gesamtertrag des Unternehmens beitragen. Momentan befinde sich Intel in Verhandlungen mit etwa einem Dutzend potenzieller Kunden, deren Aufträge ab 2026 die ersten Einnahmen sichern könnten.

Zu Berichten von Reuters über enttäuschende Testergebnisse für Chips des Herstellers Broadcom nahm Zinsner keine Stellung. Insidern zufolge ergab eine Prüfung, dass Intels Produktionsstandards für eine Massenfertigung noch nicht ausreichen. Es blieb unklar, ob Broadcom aufgrund dieser Probleme von einem Vertrag mit Intel zurückgetreten ist. Intel selbst erklärte lediglich, dass der Aufbau seiner Auftragsfertigung im Zeitplan liege.