Chipkrise Autoindustrie : Nexperia-Konflikt: Neue Chipkrise trifft Autoindustrie mit voller Wucht

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Der Streit um den niederländischen Chip-Hersteller Nexperia bringt die Automobilbranche in Schwierigkeiten.

- © Timon - stock.adobe.com

Der Konflikt rund um den niederländischen Chip-Hersteller Nexperia hat spürbare Auswirkungen auf die Automobilindustrie. Die chinesische Regierung hat die Ausfuhr von Halbleitern untersagt, die vom niederländischen Unternehmen stammen und in China fertiggestellt wurden. Das betrifft insbesondere Chips, die für den Einsatz in Fahrzeugen vorgesehen sind. Infolgedessen drohen Engpässe in der Produktion bei Autobauern wie BMW und Volkswagen sowie bei Zulieferern wie Bosch.

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Hinter den Kulissen zeichnete sich schon länger eine bedrohliche Entwicklung ab: Interne Quellen in Den Haag berichten, dass der ehemalige Nexperia-Chef Zhang Xuezheng geplant habe, nicht nur 40 Prozent der europäischen Belegschaft zu entlassen, sondern auch die Forschungseinrichtung in München zu schließen. Bereits zuvor soll er sensible Daten wie Chip-Designs und Maschineneinstellungen aus dem Werk in Manchester an den Mutterkonzern Wingtech in China übermittelt haben. Auch ein Abtransport von Anlagen aus dem Hamburger Werk stand demnach kurz bevor. Der Schritt der niederländischen Regierung, Nexperia unter staatliche Aufsicht zu stellen, erfolgte offenbar auf massiven Druck der USA – und soll eine vollständige Verlagerung von Know-how und Infrastruktur nach China verhindern.

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Nach dem Machtwechsel bei Nexperia: China reagiert mit Exportverbot

Die Entscheidung der niederländischen Regierung, am 30. September die Kontrolle über Nexperia zu übernehmen, wurde offiziell mit Defiziten in der Unternehmensführung begründet. Premierminister Dick Schoof suchte in Brüssel auf dem EU-Gipfel aktiv das Gespräch mit anderen europäischen Regierungschefs, um für Verständnis und Unterstützung zu werben. Laut Schoof habe sich nach diesen Gesprächen die internationale Wahrnehmung des niederländischen Vorgehens deutlich verbessert. Nur wenige Tage nach der Entmachtung von Zhang durch ein niederländisches Gericht – am 1. Oktober – reagierte China mit einem drastischen Schritt: Am 4. Oktober verhängte das chinesische Handelsministerium ein Exportverbot für Nexperia-Produkte aus China. Besonders kritisch ist, dass rund 70 Prozent der Chips von Nexperia dort verpackt werden – eine entscheidende Schwachstelle für die Lieferkette.

Wingtech, der Mutterkonzern von Nexperia, wurde 2024 auf eine US-Embargoliste gesetzt, was auch für Nexperia wirtschaftliche Konsequenzen hat. Vor einigen Wochen reagierte die niederländische Regierung, indem sie die Kontrolle über Nexperia übernahm, um zu verhindern, dass sensible Technologie in chinesische Hände gelangt. Als Antwort darauf untersagte Peking den Export von Nexperia-Produkten, die in China fertiggestellt werden sollten.

Nexperia: Vom Philips-Ableger zum weltweit führenden Chip-Hersteller

Nexperia ist eine ehemalige Sparte des niederländischen Elektronikkonzerns Philips. Das Unternehmen fertigt hauptsächlich sogenannte „diskrete“ Chips wie Dioden und Transistoren und produziert davon jährlich rund 100 Milliarden Stück. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Nexperia bei einem Umsatz von zwei Milliarden Dollar (1,72 Mrd. Euro) einen Gewinn von 331 Millionen Dollar. Seit 2019 befindet sich die Firma im Besitz des chinesischen Technologiekonzerns Wingtech.

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Mit sechs eigenen Fertigungsstandorten, darunter Werke in Deutschland und Großbritannien, werden die Silizium-Wafer von Nexperia zunächst dort hergestellt und anschließend in China weiterverarbeitet. In diesen chinesischen Betrieben erfolgt die Zerteilung in einzelne Chips sowie deren finale Montage – ein Prozess, den Nexperia traditionell vor Ort durchführen lässt. Nach der Übernahme durch Wingtech wurden die chinesischen Verpackungskapazitäten um etwa 50 Prozent erhöht.

Die Chips von Nexperia sind in zahlreichen elektronischen Geräten verbaut – von Batterien in E-Autos über Smartphones bis hin zu Mobilfunkanlagen. Laut Unternehmensangaben ist Nexperia weltweit führend im Bereich Überspannungsschutz-Dioden und Transistoren.

Produktion bei der Nexperia-Mutter Wingtech in China 

- © Wingtech

Packaging: Warum der letzte Schritt der Chipproduktion so entscheidend ist

Beim sogenannten Packaging handelt es sich um den letzten Schritt der Chipproduktion. Dabei werden die Halbleiter zum Schutz vor äußeren Einflüssen in Kunststoffgehäuse eingebettet und auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft. Teilweise werden sie auch auf Leiterplatten montiert. Besonders bei älteren Chiptypen ist dieser Arbeitsschritt sehr personalintensiv, da sich eine umfassende Automatisierung wirtschaftlich nicht lohnt.

Zusätzlich existiert das sogenannte „Advanced Packaging“, bei dem mehrere Chips miteinander kombiniert oder übereinandergestapelt werden. Diese moderne Variante erfordert höhere technologische Standards und ist weitgehend automatisiert. Fachleute sehen hier eine Chance für den Aufbau entsprechender Fertigungskapazitäten in Europa.

Chancen für Europa? Woran der Aufbau von Packaging-Kapazitäten bislang scheitert

„Länder wie Malaysia, China oder Vietnam bieten niedrige Arbeits- und Energiekosten und eine dichte Zulieferstruktur“, erklärt Clemens Otte, Bereichsleiter Mikroelektronik und Kabel beim Elektrotechnik-Verband ZVEI. Dies mache den Transport der Chips nach Asien attraktiv. Beim technologisch aufwendigen „Advanced Packaging“ könne sich ein europäischer Fertigungsstandort hingegen eher lohnen, da hier eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Entwicklung und Industrie notwendig sei.

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Andy Heinig vom Fraunhofer IIS verweist zwar auf bestehende europäische Initiativen zum Aufbau entsprechender Kapazitäten, stellt jedoch fest, dass „die Pläne sich meist zerschlagen“ hätten. Es mangele an Kundenunterstützung – etwa durch verbindliche Abnahmezusagen.

Nexperia und die Chipkrise: Wie berechtigt sind die aktuellen Sorgen wirklich?

Mit einem Weltmarktanteil von rund neun Prozent ist Nexperia ein bedeutender, aber nicht alleiniger Anbieter. Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Industrieverbands Silicon Saxony, relativiert daher die Sorgen: Er halte „die aktuellen Krisenszenarien […] für überzeichnet“. Viele Unternehmen hätten nach den Lieferschwierigkeiten in der Corona-Pandemie zusätzliche Lieferanten ins Boot geholt oder ihre Lagerhaltung angepasst.

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Dennoch gibt es Engpässe bei bestimmten älteren Chiptypen. „Viele Wettbewerber hätten die Produktion eingestellt“, erklärt Natalia Stolyarchuk vom Digitalverband Bitkom. Laut Stolyarchuk könnte Nexperia versuchen, auf Packaging-Dienstleister in anderen Ländern auszuweichen. Allerdings sei ungewiss, ob dort kurzfristig ausreichende Kapazitäten verfügbar seien. Zudem könnte die Umstellung eine Neuzertifizierung der Chips für die Automobilindustrie erforderlich machen. „Das kann einige Monate dauern.“

Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Industrieverbands Silicon Saxony

- © Silicon Saxony