Innovation in der Industrie : Manufacturing Day 2025: Kollaboration als Schlüssel zur industriellen Innovation

Julia Reilinger, Eva Czernohorszky, Karin Tausz, Dudu Gencel, Jason Slater, Johannes Hunschofsky, James Taylor und Andreas Mühberger diskutierten zum Manufacturing Day 2025 über Zusammenarbeit in der Industrie

Julia Reilinger, Eva Czernohorszky, Karin Tausz, Dudu Gencel, Jason Slater, Johannes Hunschofsky, James Taylor und Andreas Mühlberger diskutierten zum Manufacturing Day 2025 über Zusammenarbeit in der Industrie

- © Matthias Heschl

Die europäische Industrie steht vor einem grundlegenden Strukturwandel. Technologische Disruptionen, globale Lieferkettenprobleme, geopolitische Unsicherheiten, Ressourcenknappheit und wachsender regulatorischer Druck erfordern ein radikales Umdenken in unternehmerischen Strategien. Gleichzeitig stellen Nachhaltigkeitsziele und Digitalisierung neue Anforderungen an Produktionssysteme, Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen. In diesem Spannungsfeld gewinnt ein strategisches Prinzip zunehmend an Bedeutung: Zusammenarbeit.

>>> Österreichs 1.000 wichtigste Industriemanager

Beim Manufacturing Day 2025 in Wien wurde unter dem Leitthema „Collaborate to Innovate“ deutlich, dass die Fähigkeit zur Kooperation heute mehr ist als ein betriebswirtschaftlicher Vorteil – sie ist eine Grundvoraussetzung für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Industrieunternehmen. Die Konferenz verdeutlichte, wie systemische Zusammenarbeit über Unternehmens-, Sektor- und Landesgrenzen hinweg neue Potenziale erschließt, die sonst ungenutzt blieben.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Neue Herausforderungen erfordern vernetzte Lösungen

Industrieunternehmen in Europa sehen sich mit einer Vielzahl miteinander verflochtener Herausforderungen konfrontiert: Rohstoffabhängigkeit, Fachkräftemangel, volatile Energiepreise und neue Vorschriften zur Dekarbonisierung erfordern flexible, resiliente und anpassungsfähige Strukturen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben oft nicht die personellen oder finanziellen Ressourcen, um diese Aufgaben im Alleingang zu bewältigen.

>>> Österreichs 250 größte Industrie-Unternehmen 

Hier setzt Kooperation als strategisches Instrument an. Die Zusammenarbeit mit Start-Ups, Forschungsinstituten, Universitäten, Technologietransferstellen oder Zulieferern ermöglicht es, Synergien zu nutzen, Risiken zu teilen und den Zugang zu Technologien, Know-how und Märkten zu erleichtern. Darüber hinaus erlaubt die Partnerschaft mit externen Akteuren eine schnellere Entwicklung von marktfähigen Innovationen – ein entscheidender Vorteil im internationalen Wettbewerb.

Das war der Manufacturing Day 2025

Am 9. Mai 2025 fand in den Wiener Sofiensälen der Manufacturing Day 2025 statt – eine zentrale europäische Fachveranstaltung für die Fertigungsindustrie, organisiert von EIT Manufacturing im Rahmen des ViennaUP-Festivals. Über 500 Teilnehmer aus mehr als 40 Ländern – darunter Vertreter aus Industrie, Forschung, Start-Ups und Politik – diskutierten unter dem Leitthema „Collaborate to Innovate“ über die Rolle von Zusammenarbeit als Treiber für Innovation, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit in der Industrie.

Im Fokus standen internationale Best-Practice-Beispiele, Zukunftstrends in der Produktion, strategische Partnerschaften und neue Kooperationsmodelle entlang der industriellen Wertschöpfungskette. Neben Keynotes und Paneldiskussionen bot das Event ein breites Networking-Programm sowie Einblicke in europäische Innovationsprojekte wie INDUSAC. Der Manufacturing Day 2025 bestätigte eindrucksvoll: Die industrielle Transformation gelingt nur gemeinsam.

Kollaboration als Innovationsstrategie

Die europäische Industrie verzeichnet in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg von öffentlich geförderten Verbundprojekten, Innovationsclustern und sektorübergreifenden Allianzen. Diese Entwicklung spiegelt den Wandel vom geschlossenen Innovationsmodell hin zu offener, kollaborativer Innovation wider.

>>> Wo Sie Talente finden: Österreichs beste Fachhochschulen 

In dieser Struktur wird Innovation nicht mehr ausschließlich innerhalb der eigenen Organisation generiert, sondern in einem Netzwerk mit externen Partnern. Gerade in komplexen Technologiefeldern wie Künstlicher Intelligenz, Robotik, Wasserstoffwirtschaft oder digitaler Produktion ist dieses Modell besonders wirksam. Unternehmen können durch gezielte Kooperationen Innovationszyklen verkürzen, Entwicklungsrisiken minimieren und schneller auf Marktveränderungen reagieren.

Ein typisches Beispiel: Ein mittelständischer Maschinenbauer kooperiert mit einem universitären Forschungsteam im Bereich Sensortechnologie, einem Start-Up für KI-gestützte Prozesssteuerung und einem Recyclingunternehmen zur Entwicklung kreislauffähiger Produktionslösungen. In der Summe entsteht ein Innovationsökosystem, das jede einzelne Organisation über ihre individuellen Möglichkeiten hinaus befähigt.

Das war der Manufacturing Day 2025

Rolle von Netzwerken und Plattformen

Erfolgreiche Innovationsnetzwerke basieren auf klaren gemeinsamen Zielen, gegenseitigem Vertrauen, komplementären Kompetenzen und einer professionellen Koordinationsstruktur. Einrichtungen wie EIT Manufacturing, nationale Innovationsagenturen oder regionale Cluster-Initiativen schaffen hierfür den organisatorischen Rahmen.

>>> Die besten Leadership-Skills für Manager

Besonders erfolgreich zeigen sich Plattformmodelle, die strukturierte Kooperationsformate wie Matchmaking, Co-Creation-Workshops, Living Labs oder gemeinsame Förderprogramme implementieren. Diese Plattformen dienen nicht nur der Projektgenerierung, sondern fördern auch den langfristigen Aufbau von Beziehungen, institutionellem Vertrauen und gemeinsamen Standards. Ein Vorteil solcher Strukturen ist auch die Einbindung von Talenten: Junge Forschende, Studierende oder Gründer:innen werden frühzeitig in Innovationsprozesse integriert – und bilden das Fundament für nachhaltige Transformation in Unternehmen.

Zusammenarbeit als Resilienzstrategie

Zunehmend wird Zusammenarbeit auch als Mittel zur Stärkung der betrieblichen Resilienz verstanden. Unternehmen, die in kooperativen Netzwerken agieren, sind in der Lage, schneller auf externe Schocks zu reagieren – etwa durch den Zugang zu alternativen Lieferanten, technologische Substitutionslösungen oder geteilte Ressourcenpools.

Im Kontext gestörter globaler Lieferketten, wie sie seit der COVID-19-Pandemie und durch geopolitische Spannungen verstärkt auftreten, wird dieser Aspekt besonders deutlich. Produktionsnetzwerke, die flexibel, digital vernetzt und strategisch koordiniert sind, bieten entscheidende Vorteile gegenüber fragmentierten und isolierten Produktionsmodellen.

Andreas Mühlberger, Infineon: „Gemeinsam schneller, gezielter, nachhaltiger“

Herr Mühlberger, Infineon ist ein global tätiges Technologieunternehmen. Welche Bedeutung hat für Sie persönlich der Austausch bei Veranstaltungen wie dem Manufacturing Day?

Mühlberger: Der Manufacturing Day ist für mich eine extrem wertvolle Netzwerkveranstaltung. Man trifft dort auf viele Industriepartner, Start-Ups und andere wichtige Akteure des Innovationsökosystems. In einer Zeit, in der die Herausforderungen komplexer und die Netzwerke vielschichtiger werden, braucht es genau solche Plattformen. Für mich war es heuer das erste Mal am Manufacturing Day aber ich bon regelmäßig auf anderen Veranstaltungen der Start-Up-Community unterwegs. Zusammenarbeit funktioniert nicht ohne persönlichen Kontakt, und auch das Lösen von Problemen gelingt nur gemeinsam. Der persönliche Austausch ist einfach essenziell.

Mit welchen akademischen Einrichtungen arbeiten Sie besonders eng zusammen?

Mühlberger: Infineon Österreich ist ein internationales Unternehmen – wir beschäftigen Mitarbeitende aus rund 80 Nationen, mit einem Akademikeranteil von etwa 60 %. Das allein sorgt schon für eine enorme Breite im Universitätsnetzwerk. Unsere stärksten akademischen Verbindungen haben wir innerhalb Österreichs sowie in Italien, Kroatien, Slowenien, Bulgarien, Rumänien, Polen und dem Baltikum. Wir kooperieren aber auch mit renommierten Einrichtungen wie der ETH Zürich oder mit IMEC in Belgien. Insgesamt ist unser Netzwerk geografisch breit aufgestellt und tief verankert.

In welchen Bereichen genau setzt Infineon auf Kooperationen?

Mühlberger: Gerade im Produktionsbereich arbeiten wir intensiv mit Start-Ups zusammen, insbesondere um unsere Fertigungs- und Logistikprozesse mithilfe von AI und Machine Learning zu optimieren. Es geht darum, Abläufe effizienter und robuster zu gestalten. Parallel dazu kooperieren wir mit Universitäten und Forschungsinstituten im Bereich neuer Halbleitermaterialien und -technologien. Man könnte sagen: Die Start-up-Kooperationen zielen auf Prozessoptimierung, die akademischen Partnerschaften mehr auf Grundlagen- und Materialforschung.

Was macht eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Start-ups aus Ihrer Sicht aus?

Mühlberger: Der wichtigste Erfolgsfaktor ist Passgenauigkeit. Die Lösung des Start-ups muss zu unseren konkreten Herausforderungen passen – und umgekehrt. Auch die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachabteilungen bei uns muss gut funktionieren. Ein weiterer Punkt ist die Teamzusammensetzung: Hat das Start-up die richtigen Kompetenzen und das nötige Mindset, um gemeinsam mit uns erste Prototypen und technische Lösungen umzusetzen? Meistens starten wir mit einem Pilotprojekt. Dabei prüfen wir nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch, ob die kulturelle Passung stimmt – zwischen einem agilen Start-up und einem internationalen Großunternehmen wie Infineon. Wenn das gelingt, ist das eine gute Basis für weitere Schritte.

Gibt es auch ein Beispiel, wo durch eine solche Kooperation die Produktentwicklung deutlich beschleunigt wurde?

Mühlberger: Ein sehr gutes Beispiel ist unsere Aktivität im Bereich Edge AI. Dabei geht es darum, Künstliche Intelligenz direkt auf Mikrocontrollern auszuführen – also dezentral, ohne Cloud-Anbindung. Wir haben ein Start-up identifiziert, das genau für diesen Anwendungsfall eine passende Entwicklungsumgebung geschaffen hat. Die Lösung hat perfekt zu unserem Portfolio gepasst, und wir haben das Unternehmen schließlich übernommen. Heute können wir unseren Kunden ein wesentlich stärkeres Angebot in diesem Bereich machen. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie Start-up-Know-how unsere Produkte strategisch ergänzt.

Werden Kooperationsformate in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen?

Mühlberger: Davon bin ich überzeugt. Wir kooperieren heute schon auf vielen Ebenen – national, europäisch, mit Forschungspartnern, Start-ups und etablierten Unternehmen. Entscheidend ist, dass wir die Vielfalt dieser Formate gezielt nutzen. Ich glaube auch, dass die Kooperationen zwischen großen Unternehmen zunehmen werden. Die Probleme sind zu komplex, um sie allein zu lösen. Deshalb wird Zusammenarbeit in Zukunft noch wichtiger – und vielfältiger.

Herr Mühlberger, vielen Dank für das Gespräch.

Andreas Mühlberger, Infineon, über Kollaboration in der Industrie 

- © Matthias Heschl

Grenzen und Erfolgsfaktoren

Trotz der zahlreichen Vorteile birgt Zusammenarbeit auch Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Kulturelle Unterschiede, divergierende Zielsetzungen, unklare Verantwortlichkeiten sowie ungleiche Machtverhältnisse können Kooperationen erschweren oder im schlimmsten Fall zum Scheitern bringen. Deshalb sind klare Strukturen und gegenseitiges Vertrauen essenziell, um die Potenziale partnerschaftlicher Innovationsprozesse voll auszuschöpfen.

Ein zentrales Erfolgskriterium für gelingende Kooperationen ist die strategische Passung der beteiligten Partner. Idealerweise ergänzen sich ihre Kompetenzen, ohne dass es zu Überschneidungen oder Konkurrenzsituationen kommt. Dabei muss von Anfang an transparent kommuniziert werden, welche Ziele verfolgt werden, welche Ressourcen eingebracht werden und welche Erwartungen bestehen. Nur durch einen offenen Austausch lassen sich Missverständnisse vermeiden und gemeinsame Lösungen entwickeln.

Auch verbindliche Rahmenbedingungen sind für eine fruchtbare Zusammenarbeit unerlässlich. Dazu zählen klare Regelungen hinsichtlich Rollenverteilung, Umgang mit geistigem Eigentum, Verantwortung bei Fehlentwicklungen sowie der späteren Nutzung und Verwertung von Ergebnissen.

Nicht zuletzt ist eine langfristige Perspektive entscheidend. Wirklicher Mehrwert durch Zusammenarbeit entsteht selten kurzfristig. Erst über mehrere Phasen hinweg – durch aufeinander aufbauende Projektzyklen, kontinuierlichen Know-how-Transfer und den Aufbau belastbarer Beziehungen – entfaltet sich das volle Potenzial kooperativer Innovationsnetzwerke. Zusammenarbeit ist damit kein punktuelles Instrument, sondern eine strategische Haltung, die langfristige Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft ermöglicht.

Basierend auf der Keynote von James Taylor zum Thema „Super-Collaboration“ am Manufacturing Day lassen sich folgende fünf zentrale Thesen zur Rolle von Zusammenarbeit im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz ableiten:

1. Kreativität ist kein Einzelsport – wahre Innovation entsteht durch Zusammenarbeit

Die Vorstellung vom einsamen kreativen Genie ist ein Mythos. Wirkliche Durchbrüche entstehen in kreativen Paaren, Teams oder Netzwerken. Ob Jobs und Wozniak, Buffet und Munger oder Mahler und Strauss – Innovation braucht komplementäre Perspektiven, gegenseitige Herausforderung und Vertrauen.

2. Die Kombination aus menschlicher Kreativität und Kollaboration mit KI ist das Zukunftsmodell

Wir stehen am Beginn einer Ära der „Super-Collaboration“ – einer engen Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Künstliche Intelligenz erweitert die menschliche Vorstellungskraft, steigert die Produktivität und ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit, z. B. durch KI-gestützte Teamfindung oder Designprozesse.

3. Zusammenarbeit über Abteilungs-, Länder- und Disziplingrenzen hinweg schafft messbare Wettbewerbsvorteile

Studien zeigen: Unternehmen, die funktions- und länderübergreifend kollaborieren, erzielen höhere Margen, schnellere Innovationszyklen und größere Kundenzufriedenheit. Interdisziplinäre Kooperation ist somit kein Nice-to-have, sondern ein messbarer Erfolgsfaktor.

4. KI kann Zusammenarbeit effektiver und inklusiver machen

Neue Tools – wie digitale Zwillinge oder intelligente Ideation-Plattformen – ermöglichen es, Wissen besser zu vernetzen und Beteiligung zu fördern. Gleichzeitig profitiert besonders das „Mittelfeld“ in Unternehmen stark von KI-gestützter Unterstützung, wie Studien von Harvard und BCG zeigen.

5. Die Zukunft der Arbeit gehört jenen, die kollaborativ denken – mit Menschen und Maschinen

In einer Welt der Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung gewinnen die „vier C’s“ an Bedeutung: Collaboration, Creativity, Critical Thinking und Communication. Die Fähigkeit, mit anderen – und mit Maschinen – sinnvoll zusammenzuarbeiten, entscheidet über Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von morgen.

James Taylor, M.B.A., F.R.S.A., begann seine Karriere als Manager internationaler Rockstars – heute zählt er zu den gefragtesten Keynote-Speakern und global anerkannten Experten in den Bereichen Kreativität, Nachhaltigkeit, Innovation und künstliche Intelligenz. Seit über 20 Jahren berät er CEOs, Unternehmer, Bildungseinrichtungen und Regierungen weltweit – von Silicon Valley bis Dubai – dabei, kreative Organisationen zu gestalten, Innovationspotenziale freizusetzen und nachhaltige Zukunftsstrategien zu entwickeln.

James Taylor auf der Bühne des Manufacturing Day 

- © Matthias Heschl