KEBA-Teamkapitän Gerhard Luftensteiner : Visionär der Automatisierungstechnik übergibt das Ruder
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Sie haben 1984 mit der Personalnummer 93 bei KEBA begonnen und sind 1998 zum Mitgeschäftsführer aufgestiegen. Wie haben Sie damals die Automatisierungsbranche im Vergleich zu heute gesehen?
Gerhard Luftensteiner: 1998 habe ich gemeinsam mit Karl Kletzmaier die Geschäftsführung übernommen. Zu dieser Zeit konzentrierte sich die Automatisierungstechnik hauptsächlich auf einzelne Komponenten, und der Vertriebsansatz war stark auf individuelle Kundenbedürfnisse zugeschnitten. Aspekte wie Konnektivität und standardisierte Lösungen, die heute als gegeben betrachtet werden, waren damals noch in den Anfängen. Die Fortschritte in der Automatisierungstechnik sind bemerkenswert. Heutzutage begegnen wir hochentwickelten Automatisierungssystemen, die kohärent und intuitiv sind. Die Frage der Kompatibilität zwischen Komponenten ist nicht mehr vorrangig, da Plug & Play und Benutzerfreundlichkeit zum Standard geworden sind. Dieser Wandel ist ein Zeugnis für die beeindruckende Evolution der Automatisierungsbranche.
Zu Beginn Ihrer Karriere waren Sie für das Marketing im Unternehmen verantwortlich ...
Luftensteiner: Als erster Marketing-Mitarbeiter bei KEBA hatte ich stets einen ganzheitlichen Blick auf das Marketing. Frühzeitig vertiefte ich mich in strategische Überlegungen und erweiterte meinen Horizont auch auf den Vertrieb. Bald entdeckte ich auch meine Passion für die Unternehmensorganisation und übernahm die Leitung von Organisationsentwicklungsprojekten. 1991 verschlug es mich nach Paris, wo ich die Verantwortung für ein Joint Venture trug. Doch nach knapp fünf Jahren lockte mich Günther Krippner, einer der Gründer von KEBA, zurück in die Heimat.
Das Wesentliche ist stets, den Mut und den Optimismus zu bewahren. Es gibt immer ein Weiter.
Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt schon eine Vorstellung davon, welchen Einfluss auf die Gesellschaft haben würde?
Luftensteiner: Damals war mir nicht vollständig bewusst, welchen Weg wir einschlagen würden. Doch so um die Jahrtausendwende haben wir begonnen, unseren Blick regelmäßig alle 5 Jahre in die Zukunft zurichten und uns intensiv mit Trends - technologisch, gesellschaftlich, geopolitisch, demografisch usw. – und ihren Potentialen für uns auseinanderzusetzen. Wir fragten uns immer: Welche Richtung soll unsere Entwicklung nehmen und welche Chancen bieten sich hier für die Automatisierung? So legten wir die Grundsteine für unsere Weiterentwicklung. Ein Thema, dass mir persönlich stets ein Anliegen war – die Internationalisierung Meine zahlreichen und leidenschaftlichen Reisen ins Ausland begannen Anfang der 2000er Jahre in China. Hier trieben wir die weltweite Ausdehnung der Automatisierung voran und gründeten ein chinesisches Team mit Unterstützung aus Österreich. Schon zuvor hatten wir eine Niederlassung in den USA etabliert. Heute sind wir weltweit in 16 Ländern vertreten. Diese globale Ausrichtung war mir essenziell, um zu erkennen, dass der richtige Zeitpunkt für den internationalen Schritt entscheidend ist, insbesondere beim Aufbau einer Marke und der Begleitung von Maschinenbauern weltweit. Dieser Antrieb prägte meinen Weg maßgeblich. Ich sehe mich nicht als klassischen Techniker, sondern als Stratege, der in die Zukunft blickt und Potenziale identifiziert. Von einem Umsatz von 41 Millionen Euro im Jahr 1998 sind wir heute auf über 550 Millionen angewachsen. Das entspricht einem durchschnittlichen Wachstum von 11 Prozent über 25 Jahre.
In den vergangenen fünf Jahren betrug das jährliche Wachstum rund 17 Prozent. Wie erklären Sie sich diesen Automatisierungsboom?
Luftensteiner: Schon früh erkannten wir die Bedeutung von smarten, vernetzten Produkten und die essenzielle Verschmelzung von Automatisierung und IT. Dieser Ansatz führte uns zu innovativen Lösungen und zu einer starken Nachfrage. Einer unsere besonderen Schwerpunkte liegt auf dem einfachen Bedien- und Anzeigen, wofür wir unteranderem 2014 in Deutschland mit einem renommierten Preis ausgezeichnet wurden – ein herausragender Erfolg! Insgesamt haben wir in der Industrieautomation über die Jahre unser Portfolio gestärkt und uns zum Gesamtlösungsanbiete entwickelt. Seit 2009 widmeten wir uns intensiv der Energieautomation, da Energie ein zentraler Pfeiler unserer Gesellschaft ist. Wir starteten von Grund auf mit Ladestationen und erweiterten unser Angebot um Heizungssysteme für Wärmepumpen und Pelletsanlagen. Auch Windkraftregler ergänzen heute unser Portfolio. Stets wagten wir Neues, blickten mutig in die Zukunft und sahen Potenziale für uns. Meine Neugierde trieb mich immer an, und ich hoffe, dass sie mir erhalten bleibt. Es ging stets darum, Chancen zu erkennen und uns auch neben den großen Playern zu behaupten. Selbst während der Pandemie konnten wir bemerkenswerte Erfolge erzielen. Es erforderte den gemeinsamen Einsatz aller unserer Teams, tiefer in die Ressourcen zu greifen, um unsere Lieferfähigkeit sicherzustellen und auf allen Märkten präsent zu sein. Unser Hauptziel war es, die Beziehungen zu unseren Kunden nicht zu beeinträchtigen. Dank unserer Zuverlässigkeit konnten wir in diesen herausfordernden Zeiten unseren Ruf festigen und viele neue Kunden gewinnen. Das Engagement unseres Teams war schlichtweg herausragend.
Nur zwei Jahre nach Ihrer Ernennung zum CEO und Vorstandsvorsitzenden standen Sie 2008 vor der Herausforderung der Weltwirtschaftskrise und nun der Halbleiterkrise. Welche Auswirkungen hatten diese Ereignisse auf Ihr Unternehmen?
Luftensteiner: Das Wesentliche ist stets, den Mut und den Optimismus zu bewahren. Es gibt immer ein Weiter. Es ist entscheidend, für Motivation zu sorgen, auch wenn unerwartete Herausforderungen auftreten, die man nicht vorhersehen kann. Die eigentliche Frage ist, wie widerstandsfähig ein Unternehmen generell aufgestellt ist. Unsere drei Säulen haben sich stets als stabil erwiesen und für ein ausgewogenes Fundament gesorgt. Es gibt viele Strategien, doch dies waren unsere bewährten Ansätze.
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Man darf nicht warten, bis der Markt nach einer Innovation verlangt. Wenn Kunden nach einer Lösung fragen, ist es oft schon zu spät.
Vor 14 Jahren haben wir den Grundstein für die Entwicklung der Wallboxes gelegt. Retrospektiv betrachtet war dies eine visionäre Entscheidung. Letztes Jahr wurden Sie für Ihren Innovationsgeist mit dem EY-Preis „Entrepreneur of the Year“ geehrt. Wie gestaltet sich der Innovationsprozess bei KEBA üblicherweise?
Luftensteiner: Ich bin überzeugt, dass der Schlüssel für Innovationsstärke in der Unternehmenskultur liegt. Einer der Gründe, warum wir 2015 gemeinsam mit unseren Mitarbeitern beschlossen, unsere organisatorische Ausrichtung und die Art und Weise wie wir zusammenarbeiten wollen, zu überdenken und neu zu gestalten. Der klare Zweck jeder Abteilung und jeder Rolle in unserem Unternehmen sowie Agilität und Anpassungsfähigkeit der Organisation sind dabei zentral. Es braucht ein Umfeld, indem stets Raum für Neues ist und es ist essenziell, jungen Talenten Raum zu geben und ihre innovativen Ideen zu fördern. Bei uns wird dies auch durch unsere "Business Innovation"-Einheit gefördert. Eine Art Innovationslabor, das sich eingehend über alle Geschäftsfelder hinweg mit der Zukunft beschäftigt, sehr früh sowie unabhängig vom Tagesgeschäft entsprechende Innovationsprojekte ableitet und ständig neue Konzepte testet. Dieses Jahr haben wir auch unseren "InnoSpace" eingeweiht, in dem wir die Fortschritte der vergangenen 4-5 Jahre in den Bereichen KI und Digitalisierung präsentieren. Man darf nicht warten, bis der Markt nach einer Innovation verlangt. Wenn Kunden nach einer Lösung fragen, ist es oft schon zu spät. Daher haben wir proaktiv vor fünf Jahren begonnen, uns mit KI zu beschäftigen, lange bevor es zum Trend wurde.
Mir kommt spontan kein anderes österreichisches Familienunternehmen in den Sinn, das seit Jahren über ein KI-Kompetenzzentrum verfügt. Sie sind in diesem Bereich bereits seit fünf Jahren aktiv. Was können Sie uns über Ihre aktuellen Projekte und Entwicklungen berichten?
Luftensteiner: Unser Fokus liegt aktuell auf Assistenzsystemen, Sprachsteuerung und Bereichen, in denen wir ein hohes Entwicklungspotenzial erkennen, wie beispielsweise in der Automatisierung von Public Services in der öffentlichen Verwaltung. Hier ist der demografische Wandel ein zentrales Thema. Dies bedeutet, dass die Automatisierung in der Zukunft noch präsenter sein wird, da es möglicherweise weniger Personal an Service-Schaltern geben wird. Hier bietet KI erhebliche Unterstützung, insbesondere in der Digitalisierung von Prozessen gekoppelt mit Assistenzsystemen und Spracherkennung. Predictive Maintenance ist natürlich ein Bereich, den wir und viele andere Unternehmen im Blick haben. Und einer der nächsten Schritte besteht darin, über das reine Machine Learning hinauszugehen und tatsächlich aus den Daten zu lernen.
Auch die großen Industrienationen Asiens spüren den Fachkräftemangel immer stärker. Mit einem internationalen Geschäftsanteil von rund 90 Prozent bei KEBA stellt sich die Frage: Wie viel weiter lässt sich diese Internationalisierung ausdehnen? Welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft?
Luftensteiner: Ich bin überzeugt, dass unser internationales Wachstum noch lange nicht ausgeschöpft ist. Die Herausforderung liegt darin, unsere Kapazitäten entsprechend anzupassen. In den Ländern, in denen unsere Branchenlösungen gefragt sind, müssen wir uns stärken und weiterentwickeln. Betrachtet man beispielsweise China, so haben wir dort bereits eine beachtliche Präsenz und Mitarbeiterzahl erreicht. Die lokale Produktion ist von entscheidender Bedeutung, um "lokal für lokal" zu produzieren, auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Es gibt viele Regionen, deren wirtschaftliche Entwicklung uns neue Möglichkeiten eröffnen wird. Blickt man auf Afrika, so sehe ich großes Potenzial für unsere Produkte. Ich bin zuversichtlich, dass wir in einem Jahrzehnt auch dort mit verschiedenen Lösungen präsent sein werden, die das Leben der Menschen im Sinne von Benutzerfreundlichkeit vereinfachen und einen wertvollen Beitrag leisten.
Allerdings macht uns die Politik das Verbleiben hier nicht immer leicht.
Und das Engagement in Österreich bleibt ungebrochen?
Luftensteiner: Unser Engagement ist ungebrochen. Wir haben ein 11 Hektar großes Grundstück nahe Linz erworben. Ein erster Planungswettbewerb wurde bereits abgeschlossen und die Vorplanung steht. Mit der Umwidmung sind wir einen Schritt weiter. Dieser Standort bietet uns Raum für Wachstum und Entwicklung. In einigen Segmenten steigen unsere Stückzahlen stetig, wodurch unsere Produktionskapazitäten an ihre Grenzen stoßen. Dieser neue Standort wird uns rechtzeitig die nötige Erweiterung ermöglichen.
War Österreich als Standort für Sie jemals ein Wettbewerbsnachteil? Immer wieder berichten Unternehmen von ihren Herausforderungen ...
Luftensteiner: Es ist wichtig, zu differenzieren. Die Menschen hier sind in der Regel leistungsorientiert und möchten etwas bewegen. Unsere Mitarbeiter sind neugierig, gut ausgebildet und streben nach Weiterentwicklung und Erfolg. Das schätzen wir sehr. Allerdings macht uns die Politik das Verbleiben hier nicht immer leicht. Wenn ich mir bestimmte politische Vorschläge ansehe, frage ich mich, ob es langfristig prioritär bleibt, hier zu investieren. Oder ob man aus Wettbewerbsgründen zusätzliche Standorte in Betracht ziehen muss. Aktuell verzeichnen wir in Österreich die höchsten Lohnstückkosten innerhalb der EU, was unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade fördert.
Es geht darum, möglichst viele zu motivieren und zu begeistern, ihnen Impulse und Ideen zu vermitteln und gemeinsam strategische Schwerpunkte zu setzen.
Nun tritt Christoph Knogler die Position des CEO an, während Sie als Miteigentümer in den Aufsichtsrat wechseln. Wie sehen Sie Ihre zukünftige Rolle? In welcher Form möchten Sie im Unternehmen weiterhin aktiv sein?
Luftensteiner: Im Wesentlichen schätze ich es, wie es auch meine Vorgänger getan haben, wenn Nachfolger ihren eigenen Stil und Weg entwickeln können. Der Vorstand, bestehend aus Christoph Knogler und CFO Andreas Schoberleitner, wird ein Jahr lang noch von unserem CTO Franz Höller unterstützt. Mein Grundsatz ist, dass ich bereitstehe, wenn sie mich benötigen. Sollte mir etwas Besonderes auffallen, werde ich sicherlich Hinweise geben. Doch letztendlich liegt die Verantwortung beim neuen Team. In meiner Rolle im Aufsichtsrat werde ich sowohl beratend als auch beaufsichtigend tätig sein. Dabei ist es mir wichtig, nicht bei jeder Kleinigkeit zu intervenieren, sondern nur bei strategisch relevanten Themen. Ich werde sie in allem unterstützen, was im besten Interesse der KEBA ist. Für mich stand die KEBA immer an erster Stelle, nicht Einzelpersonen. In diesem Sinne bin ich überzeugt, dass meine Nachfolger ebenfalls im Dienste dieses großartigen Unternehmens handeln werden, ohne von persönlichen Eitelkeiten geleitet zu werden.
Seit 1984 sind Sie Teil des Unternehmens und haben eine beeindruckende Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Was nehmen Sie aus dieser Zeit mit? Welche Erkenntnis war für Sie am prägendsten?
Luftensteiner: Meine zentrale Erkenntnis ist, dass alles von den Menschen abhängt. Es geht darum, möglichst viele zu motivieren und zu begeistern, ihnen Impulse und Ideen zu vermitteln und gemeinsam strategische Schwerpunkte zu setzen. Doch letztlich muss jeder seinen eigenen Weg gehen – und das tun sie auch. Wir sind stolz auf unser kompetentes Team. Teamarbeit und Zusammenhalt waren mir stets besonders wichtig, und ich bin überzeugt, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Meine Rolle bestand darin, zu inspirieren und für eine gemeinsame Ausrichtung zu sorgen. Eine Vision dient genau diesem Zweck. Gemeinsam als Team haben wir uns Ziele gesetzt, einen Zug nach vorne gehabt und uns darauf ausgerichtet, auch in schwierigen Zeiten unseren Kurs beizubehalten. Obwohl es vielleicht keine klassischen Ratschläge sind, waren dies für mich die zentralen Leitlinien. Das, was ich am meisten vermissen werde, ist der tägliche Austausch und die Interaktion mit den Menschen, das Pflegen von Beziehungen.