Lieferkette : Die Supply-Chain-Strategien der heimischen Industrie

Blaues Frachtschiff an Anlagestelle in chinesischem Hafen
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Ein Preisniveau wie in der Hochkonjunktur vorigen Jänner: Die preisliche Verschärfung bei Kunststoffen in den letzten Wochen kam für den Verpackungshersteller Greiner Packaging aus Kremsmünster nicht überraschend. Der Ölpreis und die Verfügbarkeit der zur Kunststofferzeugung benötigten Vorprodukte geben großteils den Preis vor. Nicht in dem Ausmaß antizipierbar allerdings waren die Verfügbarkeitsprobleme von Granulaten, mit denen sich Kunststoffverarbeiter zum Jahresauftakt herumschlagen mussten. Um Liquidität zu sichern, verschoben manche in Europa ansässige Granulatproduzenten ihre Investitionspläne oder mussten in der Pandemie ihren Ausstoß zurückfahren. „Zugleich zogen Abnehmer aus Asien große Mengen des Rohstoffs aus Europa ab“, schildert Helmut Haberleitner. Mehrere Tausend Tonnen wurden in 2020 nach Fernost verschifft.

Haberleitner managt den globalen Einkauf bei Greiner Packaging und hat schnell reagiert: „Eine Lektion aus der Viruspandemie ist, auf möglichst viele alternative Kunststofflieferanten zugreifen zu können und sich insgesamt resilienter aufzustellen“, sagt er. So gelingt es, die Bedarfe zu erfüllen, mit Kunden und Lieferanten erarbeitet man entlang der Lieferkette eine Strategie für noch aussagekräftigere Vorhersagen. Neben der grundsätzlich guten Auftragslage stimmt auch die weitestgehend intakte Supply Chain froh. „Dennoch steht für heuer die Erweiterung des Transportmanagementsystems um Echtzeitfähigkeit inklusive Zeitfenstermanagement auf der Agenda“, so Haberleitner.

„Spannendes Geschehen“

Es sind Szenen, wie man sie noch nicht gesehen hat: Bis weit über den Horizont stauen sich Frachter vor den großen Häfen der kalifornischen Küste, Scheinwerfer hinter Schweinwerfer geben sie unter freiem Nachthimmel ein imposantes Bild ab. Die Lage Anfang Jänner ist ernst: Die Entladung der Schiffe stockt – die an der amerikanischen Westküste besonders stark grassierende Viruspandemie hat zahlreiche Hafenarbeiter außer Gefecht gesetzt. Die Folge ist ein – auch durch seitens der Reedereien außer Dienst gestellter Schiffe verschärfter – Engpass bei verfügbaren Schiffscontainern, der Folgen für global tätige Unternehmen auch aus Österreich hat: Die Organisation von Transportkapazitäten für eigene Beschaffung sowie die ungehinderte Auslieferung von Produkten weltweit ist aktuell eine jener Herausforderungen für Palfingers globales Supply-Chain-Team um Thomas Petran.

Ein Engpass bei 40-Fuß-Containern? „Ließ uns punktuell zu den preislich weniger attraktiven 20-Fuß-Containern wechseln“, sagt Petran, der seit 25 Jahren in der Palfinger-Logistik tätig ist. Artikel, die auf See im Stau stehen? Bezieht Palfinger vorübergehend per Luftfracht. Neben dem kurzfristigen Troubleshooting kommt dem internationalen Maschinenbau- und Technologieunternehmen aus Salzburg jedoch auch die über Jahre aufgebaute Exzellenz im Bereich der Supply Chain zupass.

So profitiert Palfinger in diesen Tagen von einer im Vorjahr neu verankerten, globalen Organisationsstruktur. „Unser globales Netzwerk ermöglicht uns den Austausch von China bis Südamerika an einem einzigen Tag“, heißt es bei Palfinger. Ein „sehr spannendes Geschehen“, sagt Petran. Ein aktuelles Learning: Die erforderlichen Kapazitäten für Seefrachtcontainer werden nun mit deutlich größerem Vorlauf – statt ein bis zwei Wochen sind es ab sofort vier bis sechs Wochen – vorgeplant. Abermals bessere Möglichkeiten des Feintunings soll den Salzburgern bis 2022 die Einführung eines neuen Transportmanagementsystems bringen.

„Es soll verfügbare Trackingplattformen über einen zentralen Zugangspunkt verknüpfen und Tracking in Echtzeit möglich machen“, schildert Julia Gebetsberger, seit fast 14 Jahren im Palfinger-Lieferkettenmanagement tätig. Das dürfte die Palfinger-Produktionswerke noch einmal um einiges flexibler und deren Ausstoß besser planbar machen. Insofern kommt das Projekt zur rechten Zeit. „Wir klopfen auf Holz, dass es zu keinem Rückstau der Projekte kommt“, heißt es bei Palfinger.

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Feinere Szenarienplanung

Dass es aktuell kniffliger ist, Containerraum zu beziehen, registriert auch Reinhard Bauer. „Wir beobachten, dass Schiffe merklich langsamer und ungenauer fahren“, schildert der Leiter des Supply-Chain-Managements beim Batteriehersteller Banner. Mitunter erhöhte sich im Herbst bei Transporten aus Asien oder USA die Lieferzeit um zwei bis drei Wochen infolge der Notwendigkeit, umrouten zu müssen. Das betrifft Halbfertigprodukte, die die Oberösterreicher aufgrund der länderspezifischen Bauform in der Region fertigen lassen und in Europa endfertigen und prüfen, bevor diese in den lokalen Märkten abgesetzt werden. Ein ernsthaftes Problem ist das nicht. Auch bei der Rohstoffversorgung bleiben die Linzer relativ entspannt. Beim an der Londoner Metallbörse gehandelten Blei, das man vorwiegend von europäischen Lieferanten beziehe, sei die „Versorgung mit entsprechenden Mengen sichergestellt und unkritisch“, sagt Bauer. Und auch die erforderlichen Mengen Kunststoff – etwa für den Batteriedeckel – seien verfügbar, man beziehe sie im „Kunststoffland“ (O-Ton Bauer) Italien und über das eigene Linzer Kunststoffwerk im Banner-Verbund.

An der Optimierung der Prozesse in der Lieferkette und im Warenfluss wird freilich weiter geschraubt. „Mit deutlich höherer Frequenz auf Veränderungen reagieren zu können, ist in der Pandemie eine Erfordernis“, heißt es bei Banner. So schärft man bei den Absatzprognosen nach. Anstatt alle 150 Produkte über einen Kamm zu scheren, arbeitet man nun an einer feineren Szenarienplanung, die auch die starke Saisonalität des Batteriegeschäfts besser abbildet. Und kurzfristige Absatzänderungen sollen schneller in der Produktion abgebildet sein. Künftig setze man auf eine Jahresplanung auf Wochen- statt Monatsbasis, „um Durchlaufzeiten besser mitplanen zu können“, so Bauer. Neue Software auf Basis linearer ganzzahliger Programmierung und Simulation soll damit auch die beiden zentralen Produktionsstufen – die Elekrodenfertigung sowie die Produktion der halbfertig grünen Batterie – glätten.

Weiterhin schlanke Bestände

Bestände zuweilen dort erhöht, wo es ratsam erscheint, hat in den vergangenen Monaten der Feuerwehrausrüster Rosenbauer. Bei Getrieben und Wandlern für seine Produktion von Flughafenlöschfahrzeugen, die der Maschinenbauer aus den USA bezieht, hat man sich zuletzt einen Halbjahresbedarf gesichert. Auch Spezialteile wie Längs- und Querträger für Kommunalfahrzeuge, für die die Wiederbeschaffungszeit in der Pandemie auf zwölf Wochen stieg, ordert das Unternehmen früher. Doch ansonsten sind die Bestände schlank. „Wir produzieren kein Fahrzeug, für das es keinen Käufer gibt“, meint Julia Eibensteiner, Head of Logistics bei Rosenbauer. Im Fertigungsverbund mit den Zulieferwerken Neidling bei St. Pölten und Radgona, die vormontiert Türen und Dachgalerien für Kommunalfahrzeuge und Wassertanks liefern, klappt die Zusammenarbeit auch in den Pandemiemonaten gut. „Zweimal täglich takten wir Direktlieferungen just in sequence in unsere oberösterreichischen Fertigungen ein“, sagt Eibensteiner.

Massiv bessere Planbarkeit bringt dem Feuerwehrausrüster Rosenbauer seit Anfang 2020 an den heimischen Standorten zudem ein neu eingeführtes Tool für das Time-Slot-Management. Es liefert den Oberösterreichern tagesaktuell die Information, wann exakt welche Lieferung hereinkommt. „Wir sehen auf einen Blick, ob es sich um einen Ganzzug mit 28 Paletten oder eine kleinere Lieferung handelt“, schildert Eibensteiner. Als Plug-and-play-Lösung ist das Tool hochgradig bedienerfreundlich und trägt zur Glättung der Auslastung der Werkslogistik bei. „Spediteure reservieren ein Zeitfenster und bekommen automatisiert eine Rampe zugewiesen“, erklärt Eibensteiner. Ebenfalls neu: Im vorigen Sommer führte Rosenbauer einen Online-Helpdesk für die Erkennung und Behebung von Ineffizienzen in der Supply Chain ein. „Statt zum Hörer zu greifen, werden effizient Probleme gewichtet und schneller gelöst“, heißt es bei Rosenbauer. Für eine termingerechte Auslieferung von Ersatzteilen sorgt schließlich der 2019 aufgesetzte Logistikhub in Asten. Die Schicht läuft dort bis 18 Uhr. KEP-Dienstleister könnten die Ware also täglich noch zum Flughafen bringen, „von wo die letzte Frachtmaschine aus Linz um 22 Uhr abhebt“, so die Logistikerin.