Interview : Georg Kapsch: "Ich habe in den letzten Monaten Demut gelernt"
Herr Kapsch, Kapsch TrafficCom hat Probleme in Ländern wie Südafrika oder Sambia. Stehen Standortschließungen an?
Georg Kapsch Sambia planen wir zu schließen. Dort sind wir offensichtlich einem politischen Komplott aufgesessen. Das war an und für sich ein gutes Geschäft, eine langfristige Konzession. Aber es ist uns eine Lehre, dass wir in solchen Ländern wesentlich vorsichtiger sein müssen. Unabhängig von Afrika überlegen wir uns grundsätzlich eine Konzentration von Know-how an bestimmten Standorten. Wir haben in den letzten zehn Jahren relativ viele Unternehmensakquisitionen getätigt und somit derzeit an vielen Standorten ähnliches Knowhow.
Die Quartalszahlen sind rot, das Management verzichtet auf zehn Prozent des Gehalts. Wo liegen die konkreten Schwächen derzeit?
Kapsch Wir haben selbst Fehler begangen – so etwa wie gesagt in Sambia. In den USA sind wir sehr schnell gewachsen, wir konnten aber die Ressourcen nicht in der Geschwindigkeit aufbauen, wie es zur Umsetzung unserer Projekte notwendig gewesen wäre. Das hat uns auch in weitere Probleme gestürzt.
Wie ist denn der aktuelle Stand, was Schadenersatzforderungen in Sachen deutsche Maut betrifft?
Kapsch Über die Details darf ich nicht sprechen, das würde unsere rechtliche Position massiv verschlechtern. Wir haben gemeinsam mit unserem Partner 560 Millionen Euro an Schadenersatz eingefordert, das werden wir einfach ausstreiten. Wir sind davon überzeugt, dass wir hier extrem ungerecht und unfair behandelt wurden und hätten uns das gerade aus Deutschland nicht erwartet.
Was war der Hintergrund, Kapsch CarrierCom abzustoßen?
Kapsch Wir wollten uns auf zwei Segmente konzentrieren. Das eine ist das Thema Verkehrstelematik und Maut auf der Straße, und das andere ist das Thema IT, IoT und Services auf diesem Gebiet.
Wie sieht die konkrete Strategieänderung im Kapsch-Konzern aus?
Kapsch Wir haben die Strategie soeben finalisiert. In einem ersten Schritt, kommunizieren wir die Details intern. Soviel kann ich schon sagen - wir werden mit Sicherheit stärker in das Servicegeschäft eintreten, wir werden uns stark mit dem Thema Datenanalyse und der Verwertung von Daten beschäftigen.
Was bedeutet das für die Unternehmensstruktur?
Kapsch Wir werden uns neu aufstellen und neue Schwerpunkte setzen. Das wird voraussichtlich auch organisatorische Veränderungen nach sich ziehen.
Glauben Sie, dass es an einem anderen Standort - etwa den USA - bessere Voraussetzungen gäbe, was etwa Wachstum, Kapital oder Talente im Digitalbereich betrifft?
Kapsch Regionen wie Nordamerika werden immer überbewertet. Zu sagen, Silicon Valley sei top, ist einfach fancy heute. Wir haben auch in Europa sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was uns in Österreich fehlt ist das Kapital. Wenn sie an Venture Capital herankommen wollen sind sie in USA besser dran. Auch die Regulierungen sind nicht so hart wie in Europa und die amerikanischen Kunden sind eher bereit, Dinge zu probieren, auch wenn man scheitert. Was ich aber schon sagen möchte ist, dass wir gerade in Österreich enorm engagierte, gut ausgebildete Mitarbeiteinnen und Mitarbeiter und auch eine sehr hohe Produktivität haben.
Sie haben sich Georg Knill als Nachfolger als IV-Präsident gewünscht. Wie schlägt er sich bisher?
Kapsch Ich möchte kein Urteil abgeben, außer dass ich sage ich bin froh dass es mir gelungen ist, an ihn zu übergeben. Er wird seine Sache sicher gut machen - sicher anders als ich mit anderen Schwerpunkten, mit einer anderen Führungskultur.
Gibt es etwas, das sie rückblickend als Fehler oder Unterlassung bezeichnen würden?
Kapsch Fehler macht jeder, Unterlassungen begeht auch jeder; ich hätte vielleicht da oder dort etwas insistierender sein sollen bei bestimmten Themen. Aber ich glaube im Großen und Ganzen – aber das müssen andere beurteilen – sind sehr viele Dinge geschehen, die vorher in so kurzer Zeit nicht geschehen sind. Zugegebenermaßen wurde mir immer der Vorwurf gemacht, ich sei zu stark in dem Thema Gesellschafts- und Bildungspolitik gewesen und zu wenig in den hard facts. Nur meine Überzeugung ist, dass die Gesellschafts- und Bildungspolitik die Grundlage alles anderen sind.
Hat Georg Knill ähnliche Herausforderungen wie Sie vor acht Jahren?
Kapsch Ich habe in diesen acht Jahren die Ausläufer der Finanzkrise, die Migrationszeit, den Sturz einer Regierung und jetzt auch noch Corona und die damit verbundenen Probleme erlebt. Ich habe eine Bundeskanzlerin und drei Bundeskanzler erlebt, zwei Bundespräsidenten – es war schon eine sehr interessante Zeit und eine große Herausforderung. Georg Knill hat jetzt die Herausforderung der Corona-Auswirkungen. Auf der einen Seite wirtschaftlich und auf der anderen Seite budgetär. Unser Staatsbudget und unsere Staatsverschuldung waren vorher schon katastrophal, das wird sich jetzt verschärfen. Die wirtschaftliche Lage ist schlechter als jemals zuvor – hier spreche ich von den letzten 60 Jahren – die geopolitische Lage ebenso. Leicht wird er es nicht haben.
Würden Sie mit dem heutigen Wissen – auch unter dem Blickpunkt dessen, was in Sambia passiert ist – noch einmal als IV-Präsident antreten?
Kapsch Ja. Ich würde nur im Unternehmen einige Dinge anders aufstellen und mich auf ganz bestimmte Dinge konzentrieren. Aber das ist eine Lernerfahrung und ich habe in den letzten Monaten sehr viel Demut gelernt – sowohl in meinem Privatleben als auch in meinem beruflichen Leben.
Warum sind Sie demütiger geworden?
Kapsch Weil es Dinge und Situationen gibt, in denen man tun kann, was man will, aber vom Denken und Fühlen und der Entscheidung anderer Menschen abhängig ist.
Welche konkreten Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren für Österreichs Industrie?
Kapsch Ein Thema ist das Fachkräftepotenzial. Das zweite Thema sind Investitionsbereitschaft und die Investitionsmöglichkeiten. Das dritte ist die Frage, wie sich die Globalisierung weiter entwickeln wird. Ich glaube nicht an das Ende der Globalisierung, ich glaube aber, dass die Globalisierung anders sein wird als bisher. Der Großteil dessen, was wir als Globalisierung bezeichnen, ist eine Auslagerung von Produktion und auch teilweise von Forschung und Technologie. Wir müssen versuchen, die Produktion in Europa zu halten, weil Produktion und Forschung und Entwicklung sehr eng verknüpft sind. Wandert eine Produktion ab wird über kurz oder lang auch die Forschung und Entwicklung abwandern.
Wie kann es gelingen, Produktionen in Europa zu halten?
Kapsch Gerade die Coronazeit zeigt, wie fragil internationale, globale Wertschöpfungsketten sind und wie gefährlich es ist, sich auf einzelne Standorte oder einzelne Regionen zu verlassen. Ich bin überzeugt dass einiges zurückkommen wird, dazu wird auch die Digitalisierung beitragen, weil die Personalkosten in der Produktion niedriger werden, zugleich steigen die Löhne in Ländern wie China. Das heißt die Wettbewerbsfähigkeit Chinas wird relativ zu Europa rückläufig seinr werden. Und unsere Produktivität in Europa ist an und für sich gut also denke ich, haben wir gute Chancen. Wir sind auch sehr abhängig von anderen Regionen, Europa hat ja kaum Bodenschätze. Das wird sich in Zusammenhang mit den Batterien für Elektromobilität noch massiv zeigen. Wir sind abhängig, daher brauchen wir auch dort in Wahrheit eine andere Technologie.