Rechtstipp : WhatsApp und der neue Transaktionswerttest

Der neue Transaktionswerttest betrifft Zusammenschlüsse, die nach 1.11.2017 umgesetzt werden, d. h. schon davor können Transaktionen entsprechende Überprüfung und allenfalls Anmeldung notwendig machen. Die Nichtanmeldung eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses kann teuer kommen, die höchste bisher verhängte Strafe waren EUR 1,5 Millionen! Bis dato beruht die österreichische Zusammenschlusskontrolle auf einem System von Umsatzschwellenwerten. Das neue österreichische Kartellgesetz hat nun einen Transaktionswerttest eingeführt, für den es in Europa noch keine praktische Erfahrung gibt. Aufgrund unbestimmter Gesetzesbegriffe ist es auch leicht möglich, dass mehr Transaktionen als eigentlich vom Gesetzgeber gewollt vom neuen Regime erfasst werden. Die Rechtsunsicherheit für Unternehmen besteht auf jeden Fall.

Zum Hintergrund: Internationale Erfahrungen insbesondere in digitalen Märkten und im Pharmabereich haben gezeigt, dass kleine aber höchst innovative Unternehmen von wesentlich größeren, bereits etablierten Unternehmen gekauft wurden, ohne dass entsprechenden Grenzwerte erreicht wurden, da die Start-ups in vielen Fällen keine oder nur geringe Umsätze hatten. Aber auch solche kleinen Unternehmen können ein sehr hohes Marktpotenzial haben und für die Wirtschaft von erheblicher Bedeutung sein, was z. B. die Transaktion Facebook/WhatsApp gezeigt hat.

Der neue österreichische Transaktionswerttest soll Transaktionen erfassen, die unter den bestehenden Umsatzschwellenwerten liegen. Dafür wurde ein subsidiärer Test mit vier Elementen eingeführt:

– Die Parteien haben einen gemeinsamen weltweiten Umsatz von EUR 300 Mio.,

– einen gemeinsamen österreichischen Umsatz von EUR 15 Mio.,

– der Wert der Gegenleistung beträgt mehr als EUR 200 Mio. und

– das Zielunternehmen ist in erheblichem Umfang im Inland tätig.

Der Begriff der Gegenleistung umfasst nach den Materialien „...alle Vermögensgegenstände und sonstige Geldwerte und Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält (Kaufpreis), zuzüglich des Wertes etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten“.

Um das Kriterium der erheblichen Inlandstätigkeit in Österreich zu beurteilen, müssen im Wesentlichen zwei Fragen beantwortet werden: 1. Wie können Aktivitäten dem österreichischen Territorium zugeordnet werden und 2. wann erreichen sie einen „erheblichen Umfang“? Da es auch für die Zuordnung von Umsätzen keine ausdrückliche österreichische gesetzliche Regelung gibt, wird auf Europarecht und die entsprechende Fallpraxis zurückgegriffen. Entsprechend werden für die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Gütern Umsätze entsprechend dem Sitz oder der Niederlassung des Kunden zugeordnet, d. h. der Ort ist relevant, wo die Dienstleistung tatsächlich erbracht oder die Güter tatsächlich geliefert werden. Ähnliche Kriterien werden daher auch für die geografische Zuordnung von Tätigkeiten anwendbar sein. Für digitale Dienstleistungen wird der tatsächliche Sitz des Kunden wesentlich sein, der die Dienstleistung benützt und nicht etwa der Standort eines Servers. Auch ob eine Tätigkeit unentgeltlich erbracht wird, ist nicht relevant für die Zuordnung, da auch derartige Aktivitäten marktrelevant sind.

Aufgrund der fehlenden Judikatur zu dem Thema sollten Fusionen und Übernahmen momentan im Zweifel angemeldet werden, um einer möglichen (erheblichen) Strafe zu entgehen. Die österreichischen Behörden werden diesbezüglich zur Klarstellung entsprechende Richtlinien und Präzedenzfälle entwickeln müssen, um den Unternehmen mehr Sicherheit zu geben.

Mag. Dieter Hauck ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte. Seine Schwerpunkte liegen im Kartellrecht, der Fusionskontrolle und kartellrechtlichen Schadenersatzprozessen.

Wenige Tage vor der Nationalratswahl wurde im Parlament die Abschaffung der Vertragsgebühren für die Miete zu Wohnzwecken beschlossen. Begründet wurde die Gesetzesänderung mit sozialen Erwägungen, zumal die Mietvertragsgebühr zumeist auf die Mieter überwälzt wird, welche durch die Immobilienpreisentwicklung der letzten Jahre ohnedies stark belastet sind. Für Vermieter und Hausverwaltungen bedeutet die Änderung eine Verwaltungsvereinfachung, weil mangels Gebühr auch die Anmeldung und Abfuhr an das Finanzamt entfallen.

Aus Sicht der Wirtschaft bleibt zu hoffen, dass die Gesetzesänderung nur den ersten Schritt einer grundsätzlichen Debatte über die Vertragsgebühren darstellt. Die Gebührenpflicht nach dem Gebührengesetz gilt nur für bestimmte Vertragstypen und knüpft an den schriftlichen Vertragsabschluss an. Auch der Vertragsabschluss z. B. per E-Mail ist gebührenpflichtig. In der Praxis werden daher immer wieder alternative Wege gesucht, beispielsweise der Vertragsabschluss im Ausland oder die Versendung von Angeboten, welche durch Zahlung angenommen werden können.

Faktisch führt die Gebührenpflicht oftmals zu ihrer legalen Umgehung, wodurch die Staatseinnahmen gering bleiben und es potentiell zu Problemen bei der nachträglichen Nachvollziehbarkeit von (nicht schriftlichen) Vertragsabschlüssen kommt. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem auf Maria Theresia zurückgehenden Gebührengesetz wäre daher angezeigt.

Mag. Günther Billes ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr.