Interview : Digitalisierung: Wie Siemens Effizienz in die Supply Chain bringt

Michael Freyny c Siemens

"Nachhaltigkeit verändert die Logiken grundlegend neu."
Michael Freyny, Head of Digital Industries, Siemens AG Österreich

- © Photo Simonis Wien - Austria

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Freyny, Sie sind seit knapp einem halben Jahr Chef von Digital Industries bei Siemens AG Österreich. Mit welchen Zielen sind Sie angetreten?

Michael Freyny: Auf jeden Fall, um das Geschäft von Siemens weiterzuentwickeln. Das ist eine logische Anforderung, wenn man einen solchen Job annimmt. Und vor allen Dingen die Digitalisierung weiter voranzutreiben. Wir sind in einem Zeitalter, das viele das goldene Zeitalter der Automatisierung nennen, und die Digitalisierung ist elementarer Bestandteil dessen.

Wie Ihr Vorgänger, Bernhard Kienlein, der in den Ruhestand trat, haben Sie in Ihrer Karriere auch Australien-Erfahrung gesammelt. Was zieht die Siemens-Manager denn hinterher reihenweise in unser Land?

Freyny: (lacht) Das ist ganz einfach, man ändert nur zwei Buchstaben. Nein, Scherz beiseite. Was Österreich besonders macht, ist seine extreme Vielseitigkeit. Für Digital Industries ist Österreich, durch die von uns von hier aus verantworteten weiteren 25 Länder weltweit eine der größten Regionen, die hier abgebildet wird - und eine der komplettesten. Das macht die Arbeit hier extrem interessant.Wollten Sie eigentlich immer schon in einem Konzern arbeiten?Freyny: Um ehrlich zu sein, nein. Im Rahmen des Studiums an der TU Berlin musste ich ein Praktikum absolvieren, das machte ich bei Siemens. Damals habe ich mir geschworen, nie in einem Großkonzern arbeiten zu wollen. Aber wie man sieht, kommt manches anders, als es geplant ist.

Was zog Sie dann doch ins Gravitationsfeld von Siemens?

Freyny: Ich wollte eigentlich etwas mit Zügen machen. Bei Siemens gab es aber einen Bereich der schon damals die unangefochtene Nummer Eins im Markt war. Das war sehr reizvoll. Also stieg ich dort in der Entwicklung von Hard- und Software für Überspannungs- und Trafoschutz ein.

Welche Fragen bekommen Sie denn von Produktionsvorständen aktuell am häufigsten zu hören?

Freyny: Auch in dem von mir verantworteten Bereich ist derzeit die häufigste Frage - wo ist das Produkt? Wann kann ich es bekommen?Wohin steuert denn Europas Produktionsindustrie? Sind Sie zuversichtlich, dass ein guter Kurs gefunden wird?Freyny: Ja, auf jeden Fall. Auch wenn sich Exporte extrem verteuert haben und die Vertrauenswürdigkeit mancher globaler Partnerschaften in Frage gezogen werden. Das Thema Nachhaltigkeit verändert die Logiken grundlegend neu. Ein Produkt aus Asien, das um ein paar Cent günstiger hergestellt wird, verursacht nun mal einen wesentlich höheren Co2-Fußabdruck. Dieses Denken fließt in stärkerem Maße in die Produktgestaltung ein. Nicht nur bei Siemens. Das wird dem europäischen Markt in Summe helfen.

Mit welchen technologischen Lösungen kann Siemens Unternehmen unterstützen, um die Effizienz zu erhöhen?

Freyny: Digitalisierung liefert uns Daten, und damit ganz neue Möglichkeiten der Analyse und Optimierung. Es gibt etliche Beispiele, auch aus der energieintensiven Glasindustrie. Mit Softwarelösungen von Siemens finden sich Lösungen, Fehlproduktionen abzustellen und Abfallstoffe in die Prozesse zurückzuführen. Das geht bis hin zur Errechnung des Co2-Fußabdrucks pro produzierter Einheit, also etwa einer Glasflasche.

Sehen Sie hier, wie der studierte Softwareentwickler Michael Freyny die Digitalsparte von Siemens in Österreich weiterentwickeln will.

Krisen sind da, um gemanagt zu werden, hört man ja oft. Hat diese Phrase ihren wahren Kern?

Freyny: Absolut. Das ist wie am Kreuzfahrtschiff. Wenn das Wetter schön ist, hat der Kapitän Zeit für das Dinner mit den Gästen. Wenn ein Sturm aufzieht oder er in den Hafen einfährt, ist er auf der Brücke. Jetzt ist die Zeit, in der viele von uns auf der Brücke sein müssen.

Wenn Sie in Ihr Portfolio schauen: Auf welche Innovationen sind Sie denn besonders stolz?

Freyny: Wie wir es schaffen, die digitale Welt mit der realen Welt zu verbinden, darauf können wir stolz sein. Bei der digitalen Durchgängigkeit sehe ich uns ganz vorne.

Wo bekommen Sie eigentlich die Ideen für neue Produkte her? Welche Rolle spielt da die Region Österreich?

Freyny: Es ist erstaunlich, wieviel weltweit führende Industrie in Österreich beheimatet ist. Alleine in der Intralogistik wird in aller Herren Länder exportiert. Auch Chemie und Pharma sind eindrucksvolle Beispiele. Österreich hat eine tolle Industrie, die die Digitalisierung weit denkt. Und das ist für alle Beteiligten inspirierend.

ZUR PERSON
Michael Freyny, 58,startete seine berufliche Laufbahn Anfang der 1990er Jahre bei Siemens, nachdem er auf der TU Berlin das Studium Elektrotechnik mit einem Master abschloss. In den letzten 30 Jahren besetzte der geborene Berliner mehrere Führungspositionen in Deutschland, Thailand, den USA und leitete von 2014 bis 2021 den Geschäftsbereich Digital Industries in Australien.