Letzte Meile Logistik : Von BMW zum Logistik-Startup

Marco Prüglmeier, Co-Gründer und CEO/CTO Noyes Technologies

Betritt mit seiner Lösung einer dichten Lagerung in Stadtzentren Neuland: Marco Prüglmeier, Co-Gründer und CEO/CTO Noyes Technologies.

- © Noyes Technologies

Mit einem Entwicklerteam schraubt er gerade an einem roboterisierten Lagersystem, Mini-Warenlager oder Nano-Warehouses wie es Prüglmeier einmal formulierte. Er und sein Team entwickeln kleine Lagersysteme für den urbanen Raum. „Wir wollen nicht das Lager außerhalb der Stadt neu erfinden“, erklärt Prüglmeier im Interview mit dem Podcast Robotik in der Industrie. Der Bayer will eine Ware-zu-Mann Funktionalität in sein kleines Lager integrieren und setzt auf eine „sehr dichte Lagerung“, denn die Flächen in der Stadt kosten mehr Geld. „Wir denken nicht an Regalbediengeräte oder Autostores, die aus der großen Welt kommen“, unterstreicht der CEO und CTO in Personalunion.

Urbane Lagersysteme


Noyes soll eine Antwort auf die Themen E-Commerce liefern. Immer mehr Menschen wollen direkt und schnell in der Stadt versorgt werden, so die Annahme der Gründer. Dazu komme die neue Geschwindigkeit in dem Markt. „Der Anspruch der Kunden steigt.“ Q-Commerce ist das Zauberwort. Das Q steht dabei für quick (schnell) und das Unternehmen Gorillas ist ein Beispiel für die Marktentwicklung. „Alles was unter zwei Stunden geliefert werden soll, kriegt man nur hin, wenn die Ware schon in der Stadt ist“, erklärt Prüglmeier. Deshalb brauche es urbane Lagersysteme. Paletten will das Team dort nicht. Kartons, Behälter oder Kleinladungsträger favorisieren die Noyes-Techniker.

Das Logistikzentrum vor der Stadt kommissioniert für die dezentrale Einheit. Die einzelnen Boxen des Nano-Lagers werden eingelagert und kommen „bedarfsgerecht zum Picker wieder herausgefahren“, verspricht Prüglmeier. Und der Gründer schaut schon voraus: „Im zweiten Schritt denken wir an ein Item-Picking mit Robotern.“


„Was wir nicht wollen: Das Lager außerhalb der Stadt neu erfinden.“
Marco Prüglmeier, Co-Gründer und CEO/CTO Noyes Technologies

Dann ist der Weg zu einer mobilen Robotik-Plattform als Zusteller nicht mehr weit. Man konzentriere sich erstmal auf das manuelle Lager, heißt es. „Wir wollen in das Thema Picking einsteigen, mit anderen Firmen, die sich auf das Thema konzentrieren“, unterstreicht Prüglmeier.

Und der mobile Roboter? Das ist aus Sicht des Gründers der dritte Schritt. „Der Delivery Bot wird in Zukunft eine nächste Stufe sein und wir denken die auch schon vor.“ Über die Technik im Lager will der ehemalige BMW-Manager nicht sprechen. „Das ist unser USP.“

Zurück zum Prozess: Das Lager hat eine Schnittstelle zum Logistikzentrum vor der Stadt. Für die Intralogistiker wie Witron, SSI Schäfer oder TGW sind Prüglmeiers Ideen ein zusätzlicher Kanal. Sie kommissionieren schon im Zentrallager für die Filiale, den klassischen E-Commerce oder Click and Collect. Jetzt kommt der Q-Commerce noch dazu. Helmut Prieschenk, Geschäftsführer von Witron gibt zu bedenken: „Wenn wir ernsthaft über Nachhaltigkeit sprechen wollen, dann müssen wir aber auch über Geschäftsmodelle diskutieren, die ökonomisch und ökologisch keinen Sinn machen. Das ist Raubbau an der Erde.“

Prieschenk verweist im Podcast-Gespräch dabei auf aggressive E-Commerce-Strategien, die sich so wie aktuell betrieben „ökonomisch und ökologisch nie rechnen werden“. Er ist überzeugt: „Diese Geschäftsmodelle werden in den nächsten Jahren verändert und angepasst werden, weil der aktuelle Set-Up weder für Verbraucher noch für Anbieter und Umwelt nachhaltig funktionieren wird.“

Dem würde Prüglmeier sicher zusammenstimmen. Er will mit Noyes diese neuen Märkte und Zustellkonzepte ökonomisch und ökologisch machen. „Vielleicht sind es nicht die 10 Minuten, aber Zustellzeiten über zwei Stunden akzeptieren die Kunden nicht.“ Prüglmeier ist sich sicher, dass in Zukunft unterschiedliche Vertriebswege für die Retailer entstehen werden. Da stimmen ihm auch die Logistiker zu.

Teil einer Plattform

Witron beispielsweise arbeitet an der Entwicklung einer End-to-End-Logistikplattform. Das sei ein logischer Schritt, denn „wir verfügen über das Prozesswissen im Logistikzentrum, aber es existieren momentan noch zu wenige Verbindungen zwischen Tourenplanung und Automatisierung im Lager“, erklärt Stefan Bauer von Witron seine Aufgabe. Er und seine Kolleginnen und Kollegen sollen diese Verbindungen herstellen, sollen den Datenaustausch ermöglichen. „Wir wollen kein neues Tourenplanungstool auf den Markt bringen, wir entwickeln eine Plattform mit Schnittstellen zu bestehenden Systemen, die heute im Wesentlichen noch unabhängig voneinander agieren.“ Auf dieser Plattform stehen dem Kunden dann auch Zusatzservices zur Verfügung.

Dafür braucht es dann auch eine Schnittstelle an das ERP-System. Doch was soll diese Plattform leisten? „Wir orientieren uns weiter an den Filialen. Der Kunde bestimmt den Takt, es wird kein Push-Lager geben. Aber das Logistikzentrum wird in Zukunft dem Kunden Empfehlungen geben, wird Alternativen vorschlagen, um die Effizienz in den Lager- und Zustellprozessen zu erhöhen“, ist Bauer sicher. „Es geht nicht um Push, es geht um Transparenz und optimale Auslastung beim Lieferanten, auf dem Lkw, im Logistikzentrum und in der Filiale“, ergänzt er.Und ein Teil dieser Plattform könnte dann eben auch ein Noyes-Lager in der Innenstadt sein.


ZUR PERSON

Marco Prüglmeier

Nach einem Maschinenbaustudium mit dem Schwerpunkt Produktionstechnik an der Technischen Universität in München sowie einem Auslandsjahr in der Fachrichtung Industrial Engineering an der Arizona State University, schloss Marco Prüglmeier sein Studium mit einer praktischen Diplomarbeit im Bereich Automatisierungstechnik in Barcelona ab. In mehr als zwanzig Jahren Tätigkeit in der Automobilindustrie sammelte er Erfahrungen in der Montage und Logistik und entwickelte sich zum Experten für Supply Chain Management, schlanker Produktionssysteme und Innovationen in der Logistik.

Er baute die Innovationsabteilung für Logistik, inklusive eines “Logistics Innovation Labs” für die BMW AG auf und gründete das unternehmenseigene Startup “idealworks”. Seither verkauft BMW nicht nur Autos und Motorräder, sondern auch autonome, mobile Logistik-Roboter (AMRs). Im Jahr 2019 erhielt die BMW AG für das Projekt “Logistics NEXT” den Deutschen Logistikpreis der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

Danach gründete Marco Prüglmeier seine eigene Innovationsberatung i2market und ein Startup für Roboter betriebene, urbane Fulfillment Center.