Generative KI im Maschinenbau : Festo bis Keba: Welche Probleme AI in der Produktion löst - und welche nicht

Wie kann ein AI-gestützter Entwicklungsprozess aussehen?
- © Happy Lab - stock.adobe.comJan Seyler von Festo startet seinen Vortrag zu generativer KI in der Entwicklung von Produkten mit dem Gemälde der Mona Lisa. „Gut und schön“, denkt sich mancher Zuhörer auf der „KI in der Industrie“ Konferenz der Hannover Messe und des Industrial AI Podcasts. „Ein nettes Bild. Ich bin aber für KI in der Industrie hier.“ Doch Seyler geht es nicht um das Lächeln der jungen Frau. Es geht ihm um den Künstler. Leonardo da Vinci war Künstler und Ingenieur. Seyler betont das „und“. Er malte Bilder, schuf Kunst und konstruierte und baute Maschinen. Die generative KI erschafft Bilder und konstruiert zukünftig Maschinen? Der R&D-Manager Seyler plädiert für mehr Ingenieurs-Kunst, denn generative KI wird viele Entwicklungsschritte im Maschinenbau für den Ingenieur übernehmen, vereinfachen.
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Die Kreativität des Ingenieurs ist in den nächsten Jahren gefragter denn je – lehren Hochschulen Kreativität? Von der Konzeption über die Entwicklung bis hin zur Fertigung und Programmierung – bisher spielt der Mensch in jeder dieser Phasen eine zentrale Rolle. „Klar, ihm stehen dabei etliche digitale Werkzeuge zur Verfügung“, sagt Seyler. Aber diese Werkzeuge sind passiv. „Was wäre, wenn, eine KI aktiv Vorschläge macht, wie die Maschinen aussehen könnte?“ Algorithmen könnten dazu beitragen, den Maschinenbau-Prozess zu optimieren, ist Seyler überzeugt.

Wie könnte ein KI-gestützter Entwicklungsprozess aussehen?
Zu Beginn steht auch hier die Definition der Aufgabe: „Liebe KI, entwerfe eine Maschine, die Schrauben in ein Gewinde dreht.“ Um dies zu bewerkstelligen, muss die KI die verschiedenen Einzelteile kennen, die für den Bau der Maschine zur Verfügung stehen. Dazu könnten beispielsweise Gelenke und Segmente eines Roboterarms gehören oder Antriebssysteme, die die Bewegung des Roboterarms ermöglichen. Seyler: „Die KI muss nicht nur die Fähigkeiten jedes einzelnen Teils verstehen, sondern auch wissen, welche neuen Fähigkeiten entstehen, wenn zwei Teile zusammengefügt werden.“
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Damit die KI das leisten kann, wird eine präzise digitale Beschreibung aller notwendigen Einzelteile benötigt. Auch sollte die KI in der Lage sein, die Einsatzmöglichkeiten mithilfe von Simulationsmodellen zu testen. „Hier gibt es noch Herausforderungen. Trotzdem Ich glaube, dass wir an der Lösung dieses Problems schon sehr nah dran sind“, sagt Seyler. „In naher Zukunft wird eine KI Maschinen entwerfen, die in der realen Welt tatsächlich funktionieren.“ Die Geschwindigkeit der KI-Entwicklung ist hoch.
Wie Unternehmen den Schritt in die KI-Zukunft wagen
Die Industrie erlebt in diesen Wochen ihren iPhone-Effekt in Sachen KI. Das Management probiert sich seit Monaten an ChatGPT – mal daheim, mal im Büro und delegiert die KI-Entwicklung in die angeschlossenen Abteilungen. Frei nach dem Motto: „Das brauchen wir jetzt auch.“ Die Entwicklung muss ran, die Produktionsabteilung auch, die Konstruktion könnte es nutzen und das Marketing sowieso. Zahlreiche Konzerne und Mittelständler führen in diesen Wochen den Microsoft Copilot ein. Eine KI-Strategie kann das aber nicht ersetzen, auch wenn sich das mancher Entscheider wohl erträumt. KI in der Industrie ist kompliziert, hat viele Dimensionen von Zeitreihendaten, über Safetyanforderungen, eine Datenstrategie und eine MLOps-Strategie dürfen nicht fehlen. Doch die LLMs begeistern die Menschen. KI wird greifbar, der nächste Schritt ist die Adaption der Technologie für die Industrie.
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Doch Achtung: Viele Aufgaben auf dem Shopfloor werden nicht nur durch LLMs gelöst werden. Doch generative KI kann unterstützen. Beispiel Bosch Rexroth. Dort lassen sich die Ingenieure Bilder mit Fehlern auf einem Bauteil von einer generativen KI erstellen, um damit ihr KI-Modell weiter zu verbessern. Oder der Bosch Service. Ruft ein Kunde den Service an, hört ein LLM mit und macht dem menschlichen Kollegen Vorschläge zur Problemlösung. Oder Siemens und Schaeffler, die im ersten Schritt zusammen die Programmierungen mittels eines Industrial Copilots verbessern wollen und dann auf dem Shopfloor die Interaktion zwischen Werker und Maschine optimieren wollen. Oder Fruitcore Robotics, die mit einem LLM die Integration von Robotik-Komponenten vereinfachen.
Beckhoff: Kreativität fürs HMI
Auch in Verl bei Beckhoff spielen die LLMs eine Rolle. Für die Engineering-Umgebung TwinCAT XAE hat Beckhoff TwinCAT Chat entwickelt. Mit TwinCAT Chat lassen sich die Large Language Models, wie z. B. ChatGPT von OpenAI, für die Entwicklung eines TwinCAT-Projekts nutzen, heißt es bei dem Automatisierer. Dies erhöht die Produktivität in der Steuerungsprogrammierung, so das Versprechen. Die LLM-Integration ist speziell für TwinCAT-3-Nutzer optimiert, das heißt, der Wissensstand wurde umfangreich um TwinCAT-spezifische Inhalte ergänzt. So können direkt konkrete Fragen gestellt werden und es muss dem LLM nicht erst mitgeteilt werden, dass TwinCAT verwendet wird und die Code-Beispiele in Strukturiertem Text erwartet werden.
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Der generierte Code kann anschließend direkt übernommen werden. Stichwort da Vinci und Kreativität: Mithilfe des LLMs als Teil des TwinCAT Chat kann das System aus den Eingaben des Menschen auch einen ersten Entwurf für ein Human Machine Interface (HMI) mit Bedienelementen erstellen. Wie hoch ist der Druck? Welche Temperatur herrscht im Betrieb? Die Designs sind ein erster Einstieg und beschleunigen den Design-Prozess
Keba: Bekannte Umgebung
Die Möglichkeiten sind vielfältig, aber für viele Mittelständler ist ein KI-Vision-System für die Qualitätskontrolle schon ein großer Schritt. Die Geschwindigkeit der Entwicklung rund die LLMs ist beeindruckend, jede Woche kommt ein neues Modell auf den Markt, die KI-Entwickler träumen von großen Industrie-Foundation-Modellen, aus denen sich Unternehmen für ihre Anwendungen „bedienen“ können. Die Geschwindigkeit, die neuen Spielregeln wie Open Source oder die schier unüberschaubaren Möglichkeiten sind eine Herausforderung für die Industrie – welchen Use Case gehen wir zuerst an? Industrieprozesse sind anders, manche meinen zu langsam, langsamer sind sie auf jeden Fall. Es herrscht Verunsicherung. Was tun wir und auf wen setzen wir?
Der Automatisierer KEBA aus Linz will seinen Kunden Orientierung bieten. Die Entwickler präsentierten vor einigen Wochen ein neues KI-Modul und wollen damit ihre Kunden befähigen, ihre Applikationen im bekannten Entwicklungsumfeld zu realisieren. Das Modul ist laut Fischereder eine Ergänzung zum bestehenden Steuerungssystem von KEBA. Es erweitert eine Industriesteuerung um die Fähigkeit, KI-Modelle direkt vor Ort in Echtzeit auszuführen.
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Man kann sich das Modul wie eine Beschleuniger-Hardware in einem Consumer Computer vorstellen. Es ist reduziert auf die wesentliche Performance, die es braucht, um neuronale Netze zu berechnen. Ohne den Grafikkarten-Anteil, der ja vor allem für Spiele konzipiert ist, aber mit einer speziellen Architektur, die für das Berechnen von neuronalen Netzen konzipiert wurde. Das Modul basiert auf Linux, hat einen Hailo-Chip aus Israel und kommt mit einer Docker-Architektur. „Zusätzlich dazu beginnen wir momentan damit, einen Software-Stack aufzubauen, der es Kunden beispielsweise ermöglicht, aus den SPS-Programmiersprachen auf diese Fähigkeiten zugreifen zu können. Das wird dann besonders interessant, wenn keine KI-Experten zur Verfügung stehen, die diese Fähigkeiten programmieren sollen.
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Denn Expertise in Automatisierung bedeutet natürlich nicht automatisch auch Expertise im Bereich künstlicher Intelligenz“, erklärt Fischereder im Industrial AI Podcast. Gleichzeitig bauen die Linzer eine KI-Gruppe auf, die Kunden bei ersten KI-Projekten unterstützen soll. Vor allem Computer Vision-Anwendungen stehen dabei im Fokus der Entwickler.
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