Resilienz : So müssen wir mit multiplen Krisen umgehen

Peter Schentler Horvath Partners

Peter Schentler, Horváth Österreich: "Die Rolle als Krisen-Manager ist für den CFO zwar nicht neu, doch braucht es gerade in multiplen Krisensituationen eine geeignete Ausrichtung der Finanzabteilung."

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Müßig darüber zu diskutieren, ob das Wirtschaftsleben in der Vergangenheit weniger komplex und unsicher war als heute. Eines scheint sicher: Die Geschwindigkeit und Parallelität großer Ereignisse haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Dazu kommen zahlreiche Megatrends, die Unternehmen in ihren kurzfristigen Aktivitäten und langfristigen Planungen beschäftigen.

Auch wenn die Auswirkungen von Branche zu Branche und Unternehmen zu Unternehmen durchaus unterschiedlich sind, lassen sich einige allgemein gültige Herausforderungen ableiten:

Markt und Vertrieb: Die steigenden Kosten (Energie, Rohstoffe, Löhne und Gehälter, Inflation) machen deren rasche Weitergabe an Kunden immer relevanter. Daneben müssen Engpässe in der Supply Chain berücksichtigt werden, was wiederum Auswirkungen auf Lieferzeiten und -mengen hat.

Logistik und Supply Chain: Gestörte Lieferketten machen neue Bezugsquellen notwendig. Hinzu kommen konkurrenzierende Anforderungen beim Working Capital. Gestiegene Zinsen sprechen für geringere Lagerbestände, Lieferkettenstörungen und steigende Preise hingegen für höhere Lagerbestände.

Human Capital: Der Arbeitskräftemangel wird größer, das Fachkräfteangebot kleiner. Bis 2040 werden in Österreich 300.000 Personen weniger im arbeitsfähigen Alter leben. Unternehmen sind damit stärker gefordert, Personal trotz Rezession zu halten und sich um attraktive(re) Arbeitsbedingungen zu bemühen.

Finanzierung und Liquidität: Kapital zu sehr günstigen Konditionen wird es vorläufig wohl nicht mehr geben. Zudem drohen höhere Zahlungsausfälle von Kunden. Umgekehrt könnte es aber auch zu krisenbedingten Schnäppchen am M&A-Markt kommen, wenn ausreichend Finanzkraft vorliegt.

Großprojekte: In unsicheren Zeiten werden F&E-Projekte eher hinterfragt. Was braucht es jetzt wirklich und was kann verschoben werden, um trotzdem zukunftsfit zu bleiben? Da geht es u.a. um kurzfristige Ergebnis- und Liquiditätshebel, denn der Wettbewerb außereuropäischer Konkurrenten schläft nicht.

Nachhaltigkeit: Neben den genannten Herausforderungen darf ESG und Nachhaltigkeit nicht übersehen werden. Hier kommen auf Unternehmen aus regulatorischer Sicht sowie aufgrund der Anforderungen von Kunden und Mitarbeitern zahlreiche neuen Aufgabenstellungen hinzu.

Darüber, dass all diese (multiplen) Herausforderungen bestehen und zu behandeln sind, braucht es unbedingten Konsens im Management. Und gleichermaßen müssen diese Fragen auch an die Belegschaft kommuniziert werden, um deren Veränderungsbereitschaft sicherzustellen.

Welche Anforderungen gibt es an das Krisenmanagement?

Neue Anforderungen an das Unternehmen führen in der Regel zu neuen Vorgaben für den Finanzbereich. Controlling, Accounting und Treasury müssen entsprechend neue, komplexe und kurzfristigere Fragestellungen managen. Vier Problemfelder sind da von besonderer Relevanz.

Dauer-Krisenagement: Die vielen gleichzeitig auftretenden Krisen führen dazu, dass wöchentlich oder sogar täglich neue Aufgaben bewältigt werden müssen. Hier entsteht kurzfristiger Ressourcenbedarf zur Abwicklung von Sonderprojekten.

Geschwindigkeit von Änderungen: Die Dynamik nimmt zu, Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Herausforderungen bewirken noch mehr Unsicherheit. Simulationsfähigkeiten für Produktkalkulation und Pricing werden entscheidend.

Verzerrte Vergleiche: Wenn sich alle Kennzahlen ändern, sind Plan-Ist- und Ist-Ist-Vergleiche kaum mehr möglich und die Aussagekraft von KPIs limitiert. Hier müssen dann auch die Benchmarks, Thresholds und Incentives neu gedacht werden.

Steigende Finanzierungskosten: In der Krise nicht zu unterschätzen sind die Einflussfaktoren auf das Working Capital. Die Kosten von Kapital und potenzielle Ausfallrisiken von Kunden müssen jetzt viel stärker berücksichtigt werden.

Die Rolle als Krisen-Manager ist für den CFO zwar nicht neu, doch braucht es gerade in multiplen Krisensituationen eine geeignete Ausrichtung der Finanzabteilung, also Anpassung von Organisation, Methoden, Prozessen und Werkzeugen. Neben einigen neuen Themen erhalten dabei auch „Evergreens“ wieder stärkere Aufmerksamkeit.

Wie können multiple Krisen gemanagt werden?

Zur Bewältigung multipler Krisen müssen agile Teams mit breitem Know-how etabliert werden, um kurzfristig benötigte Kapazitäten für Sonderaufgaben bereitzuhalten. Da solche Ressourcen aber kurzfristig kaum verfügbar sind, und in Krisenzeiten zusätzliche Personalkosten auch schwierig argumentiert werden können, muss die bestehende Finanzorganisation umgestaltet werden.

Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit des Finanzbereiches mit den Fachbereichen zu intensivieren. Je rascher unvorhergesehene Entwicklungen eintreten und je unsicherer die Lage ist, desto wichtiger ist das Verständnis und die Beurteilung des Zusammenspiels zwischen finanziellen Zahlen und den zugrundeliegenden Geschäftsvorfällen im Einkauf, Produktion und Vertrieb. Simulation von SzenarienDie Finanzabteilung muss im Zusammenspiel mit den Fachbereichen in der Lage sein, Risiken sehr rasch und früh zu erkennen, um adäquat reagieren zu können.

Dazu sollten Fragen des Risikomanagements neu gedacht und intensiviert werden.Simulationsfähigkeiten sind wichtig, um die Auswirkungen externer Einflussfaktoren auf Ergebnisse, Liquidität und Cash-Flow abzubilden. Komplexe Sachverhalte müssen dazu vereinfacht modelliert und fürs Management aufbereitet werden.Klar ist, dass Vergangenheitsanalysen bei multiplen Krisen geringeren Wert haben.Der jeweiligen Situation angepasste Analysen müssen rasch verfügbar sein, wenn nicht in Real-time (bei Finanzkennzahlen kaum möglich), dann zumindest in Near-time. Quartalsweise oder monatliche Betrachtungsweisen reichen nicht mehr aus, laufende Kosten- und Preiskalkulationen sowie Steuerung sind sicher zu stellen.

Flexible Prozesse: Während eine agile Organisation und die Fähigkeit, mögliche Zukunftsszenarien zu simulieren nicht nur das Management und die ganze Belegschaft fordern, geht es bei den Prozessen und Instrumenten um hochgradige Automatisierung, kombiniert mit der Flexibilität zur Analyse. Der Monatsabschluss etwa muss zu einem „Non-Event“ werden. Je unklarer nämlich Probleme und Herausforderungen sind, desto mehr Auswertungs- und Analysemöglichkeiten müssen Berichte bieten, um den Ursachen für aktuelle Störungen auf den Grund gehen zu können.

Voraussetzung für ein entsprechendes Berichtssystem ist die Schaffung einer hoher Datenintegration und Konsistenz für effiziente und belastbare Analysen.Stabile KrisenMultiple Krisen sind für die CFO-Organisation eine gewaltige Herausforderung. Doch wenn eine Krise die nächste jagt und multiple Krisensituationen zur Regel werden, sollte sich jede Organisation darauf einstellen. Ein Blick in die Geschichte lohnt sich: Die ältesten noch bestehenden Unternehmen gibt es seit dem 8. Jahrhundert in Japan. Und auch in Europa gibt es Betriebe, die seit über 1.000 Jahren am Markt sind. Wenn Strategie und Steuerung stimmen, dann besteht für den CFO auch heute viel Grund, positiv in die Zukunft zu blicken.