KTM Pleite 2024 : Wirtschafts-Experten über KTM-Insolvenz: "KTM ist erst der Anfang"

Blechteilfertigung bei KTM. Bei den Produktionsmaschinen und Prozessanlagen setzt der Motorradhersteller auf Eigenentwicklung.

Die drohende Insolvenz von KTM erschüttert die Region Braunau und gefährdet rund 4.000 Arbeitsplätze. Neben den wirtschaftlichen Folgen für Zulieferer und die Motorradindustrie steht auch Stefan Pierers Führungsstil in der Kritik.

- © KTM Sportmotorcycle

KTM vor dem Aus: Die Krise des oberösterreichischen Motorradherstellers

Die Insolvenz des oberösterreichischen Motorradherstellers KTM versetzt die Region Braunau sowie Zulieferer österreichweit in Alarmbereitschaft. „Die derzeitige Lage macht uns alle betroffen“, so Daniel Lang (ÖVP), Bürgermeister der Stadtgemeinde Mattighofen, der die angespannte Stimmung in der Region beschreibt. Rund 4.000 Arbeitsplätze in der Umgebung sind direkt mit dem KTM-Werk verbunden. Wirtschaftsvertreter warnen bereits vor weiteren Insolvenzen.

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Auch die Gemeinde in der Grenzregion zu Deutschland sieht sich vor Herausforderungen, da sie mit einem Rückgang der Kommunalsteuereinnahmen rechnet. KTM plant, die Dezembergehälter der Mitarbeiter vorzeitig auszuzahlen, während die Ansprüche aus dem November an den Insolvenzentgeltfonds (IEF) übergeben werden. Diese Entscheidung sorgt für Kritik: „Ausgerechnet das Unternehmen von Stefan Pierer nutzt nun den Insolvenzentgeltfonds – dabei kritisierte Pierer als IV-Präsident Oberösterreichs stets die hohen Sozialabgaben“, bemerkt Wolfgang Gerstmayer, Geschäftsführer der GPA Oberösterreich.

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- © Industriemagazin

Die finanziellen Probleme zeichneten sich schon seit Längerem ab

Die finanziellen Probleme zeichnen sich seit Längerem ab: Obwohl der europäische Motorradmarkt im ersten Halbjahr um fünf Prozent auf 500.000 Einheiten wuchs, verzeichnete KTM einen Rückgang von 14 Prozent. In Nordamerika betrug das Minus sogar 36 Prozent. Diese Entwicklungen spiegeln sich im Aktienkurs wider – die Pierer Mobility-Aktie brach um 12,4 Prozent ein. Die strategische Ausrichtung von KTM steht in der Kritik, insbesondere die Fokussierung auf teure Reiseenduros. In Internetforen wird zudem beklagt, dass KTM in den vergangenen Jahren mit Qualitätsproblemen zu kämpfen hatte. Die Pierer-Mobility-Aktie gab am gestrigen Mittwoch um 12,4 Prozent nach. 

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In Wirtschaftskreisen wird diskutiert, ob die expansive Strategie von Stefan Pierer der richtige Weg war. Insbesondere der Einstieg bei Rosenbauer sowie beim defizitären Autozulieferer Leoni sorgt für Diskussionen. Laut einem Sprecher bleibt der Kauf von Rosenbauer bestehen, obwohl die Genehmigungen noch ausstehen. Pierer, der bisher sehr selbstbewusst aufgetreten ist und nicht mit Kritik an der Politik sparte, wird sich Kritik stellen müssen, meinte gestern Florian Beckermann, Chef des Interessenverbands für Anleger (IVA).

Neben dem Engagement bei Rosenbauer rückt auch der Einstieg von Stefan Pierer beim finanziell angeschlagenen Autozulieferer Leoni in den Fokus. "Am Einstieg von Pierer, Mateschitz und Raiffeisen Oberösterreich bei Rosenbauer ändert sich nichts." Der Kaufprozess befinde sich weiterhin in der Phase der wettbewerbsrechtlichen Prüfung, erklärten zuletzt sowohl ein Sprecher von Pierer als auch Rosenbauer-Chef Sebastian Wolf.

Zugleich wird Pierers Position als Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung (IV) diskutiert. Laut IV-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch habe es im Präsidium bisher keine Gespräche dazu gegeben. Er fügte hinzu, dass die reguläre Neuwahl des Präsidiums ohnehin für Juni 2025 geplant sei.

Diese Insolvenz trifft uns mehr als der KTM-Konkurs 1991.
Klemens Steidl, Obmann der Wirtschaftskammer in Braunau

"KTM ist erst der Anfang"

Schlechte Stimmung herrscht nun auch bei den Zulieferern: Die rt-group in Uttendorf, die Kunststoffteile für KTM herstellt, macht die Hälfte ihres Umsatzes mit dem Motorradhersteller. Firmengründer Roland Tiefenböck bezeichnet die Situation als "Tragödie". Er hat sein Unternehmen mit 95 Mitarbeitenden in den letzten Jahren stark auf KTM ausgerechnet. Rund die Hölfte seines Umsatzes mache er mit KTM. Ein weiterer Zulieferer berichtete von längeren Zahlungszielen und rechnete eher mit einem Teilverkauf als mit einer Insolvenz.

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"Diese Insolvenz trifft uns mehr als der KTM-Konkurs 1991", sagte der Obmann der Wirtschaftskammer in Braunau, Klemens Steidl, zu den "Oberösterreichischen Nachrichten". Der Bezirk Braunau, ein Industriezentrum, ist besonders stark betroffen: 45 Prozent der Arbeitnehmer sind hier in der Industrie tätig, verglichen mit dem österreichischen Durchschnitt von 21 Prozent. Klemens Steidl sieht die aktuelle Krise als noch einschneidender als die Insolvenz von 1991 mit damals 400 Beschäftigten: "KTM ist erst der Anfang." Heute beschäftigt KTM 4.000 Menschen. "Mir fallen ad hoc sicher 15 Betriebe ein, die das alles voll trifft", so Steidl weiter.

Auch abseits des Industrieclusters in Oberösterreich macht sich die Sorge breit, denn zahlreiche Zulieferbetriebe in Tirol sind ebenfalls betroffen. Einer dieser Betriebe ist die Firma Schmidtstatt aus Fulpmes. "Wir beliefern KTM seit 30 Jahren", berichtet Geschäftsführer David Schmidt. Sein Vater habe bereits die erste KTM-Pleite im Jahr 1991 miterlebt, als KTM dem Unternehmen 300.000 Schilling (heute 21.800 Euro) schuldig blieb. "Die Rechnungen sind von KTM aber immer bezahlt worden", betont Schmidt. Wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtet, wurde vor einigen Wochen jedoch das Zahlungssystem geändert. Schmidt erwähnt zudem, dass es Tiroler Zulieferer gibt, die bis zu 90 Prozent ihres Umsatzes mit KTM erzielen.

Mir fallen ad hoc sicher 15 Betriebe ein, die das alles voll trifft.
Klemens Steidl, Obmann der Wirtschaftskammer in Braunau

KTM: Dimension des Absatzeinbruchs unterschätzt

In den sozialen Medien stößt die Dividendenpolitik von Stefan Pierer auf Kritik. Noch im April wurde eine Dividende von 50 Cent pro Aktie ausgeschüttet, was ein Unternehmenssprecher verteidigt: "Sie wurde für das vergangene Geschäftsjahr ausgezahlt und trotz des Rekordjahrs 2023 deutlich reduziert, weil absehbar war, dass 2024 anspruchsvoller wird." Ein Rückgang der Verkaufszahlen in diesem Ausmaß sei jedoch nicht vorhersehbar gewesen, heißt es in den "Oberösterreichischen Nachrichten".

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Die derzeitige Krise trifft Stefan Pierer genau zu seinem 68. Geburtstag, den er am vergangenen Montag feierte. Wie er selbst sagt, kämpft er nun "um sein Lebenswerk". Untätigkeit kann man ihm dabei nicht vorwerfen: Gemeinsam mit Red-Bull-Erben Mark Mateschitz übernahm Pierer die Mehrheit an Rosenbauer. Zudem ist er Mitglied in den Aufsichtsräten von Mercedes-Benz, Pankl Racing Systems und SHW. Darüber hinaus bekleidet er das Amt des Vorsitzenden des Universitätsrats der Montanuniversität Leoben, wo der gebürtige Obersteirer auch sein Studium der Betriebs- und Energiewirtschaft abgeschlossen hat.

Die wirtschaftlichen Probleme haben auch Auswirkungen auf die Rennsport-Abteilung in Munderfing. Trotz 13 WM-Titeln in diesem Jahr wird die Zahl der Werksfahrer bei der Rallye Dakar reduziert. KTM-Sportchef Pit Beirer kündigte an, die Aktivitäten der Marken GasGas und Husqvarna zu straffen und Moto3 sowie Moto2 künftig als kostendeckende Kundengeschäfte zu führen.

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