Krise bei Stellantis : Stellantis zieht sich aus Wasserstoff zurück – und verliert an Boden

Produktion Stellantis

Produktion bei Stellantis: Hinter der Fassade brodelt es – Absatzkrise, Strategiewechsel und Zukunftsangst prägen den Konzern.

- © Stellantis

Der Autobauer Stellantis kehrt der Wasserstoffstrategie den Rücken. Wie der italienisch-französische Konzern am Mittwoch bekannt gab, wird das Entwicklungsprogramm für Brennstoffzellentechnologie vorerst eingestellt. Als Gründe nennt das Unternehmen die mangelhafte Tankstellen-Infrastrukturhohe Investitionskosten und fehlende Kaufanreize.

Der für dieses Jahr geplante Marktstart der wasserstoffbetriebenen Nutzfahrzeugreihe „Pro One“ wird gestrichen. Und auch mittelfristig sieht Stellantis keine Perspektive: Vor Ende des Jahrzehnts sollen keine weiteren leichten Wasserstoff-Nutzfahrzeuge auf den Markt kommen.
Mit dem Rückzug von Stellantis verliert die Wasserstoffmobilität einen prominenten Player – und gerät damit weiter unter Druck.

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Stellantis stoppt Serienproduktion wasserstoffbetriebener Transporter

Die geplante Serienproduktion wasserstoffbetriebener Nutzfahrzeuge in Frankreich und Polen wird nicht anlaufen. Wie Stellantis bestätigt, bleiben die Fertigungslinien in Hordain (mittelgroße Transporter) und Gliwice (große Modelle) ungenutzt – ohne Personalabbau an den Standorten, wie betont wird.

Stattdessen sollen die bisherigen Forschungsressourcen in andere Technologien umgeleitet werden. „Der Wasserstoffmarkt bleibt ein Nischensegment ohne tragfähige wirtschaftliche Perspektive“, erklärt Jean-Philippe Imparato, Chief Operating Officer Europa. Angesichts verschärfter CO₂-Vorgaben richtet Stellantis seinen Fokus nun klar auf batterieelektrische und hybride Fahrzeuge. Ziel: Wettbewerbsfähigkeit sichern und Kundenbedürfnisse besser bedienen.

Mit diesem Schritt folgt Stellantis einer wachsenden Zahl an Herstellern, die ihre Wasserstoffpläne auf Eis legen – der große Durchbruch der Technologie rückt damit weiter in die Ferne.

>>> Klaus Fronius tüftelt an einer Wasserstoffsensation – und könnte damit sein früheres Unternehmen grundlegend verändern.

  • Der Wasserstoffmarkt bleibt ein Nischensegment ohne tragfähige wirtschaftliche Perspektive

    Jean-Philippe Imparato, Chief Operating Officer Europa

Stellantis-Ausstieg trifft Wasserstoff-Joint-Venture Symbio – Partner reagieren entsetzt

Mit dem Ausstieg aus der Wasserstoffstrategie bringt Stellantis auch das Joint Venture Symbio ins Wanken – und stößt die beiden Partner Michelin und Forvia vor den Kopf. Der Konzern, der sich erst 2023 zu gleichen Teilen an dem Gemeinschaftsunternehmen beteiligt hatte, hat nun Gespräche mit den Miteigentümern aufgenommen, um die eigenen Interessen zu sichern und die Folgen des Ausstiegs zu klären.

Für Forvia sind die Konsequenzen klar: Man spricht von „gravierenden und unmittelbaren operativen und finanziellen Folgen“ für Symbio. Noch schärfer fällt die Reaktion von Michelin aus: Der Rückzug sei „unerwartet, abrupt und nicht abgestimmt“. Die Sorge gilt dabei vor allem den Beschäftigten von Symbio – in Frankreich wie im Ausland.
Besonders bitter: Stellantis galt bisher als Treiber der Wasserstoffmobilität. Der abrupte Kurswechsel wirft nun Fragen auf – und bringt das ambitionierte Joint Venture ins Wanken.

>>> Stellantis warnt vor Werksschließungen – doch die wahren Probleme liegen tiefer.

Wasserstoff im Auto – Traumstoff mit Tücken

Wasserstoff galt lange als Heilsbringer für die Mobilität der Zukunft: emissionsfreisauberreichlich vorhanden. Doch trotz vieler Pilotprojekte und großer Ankündigungen bleibt der Durchbruch aus. Der Rückzug von Stellantis zeigt: Die Realität holt die Vision ein. Warum kommt der Wasserstoffantrieb nicht in Fahrt?

Der Traum vom sauberen Tanken – und seine Realität

Wasserstoff klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Bei seiner Nutzung entsteht nur Wasserdampf, keine Emissionen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn bevor Wasserstoff überhaupt getankt werden kann, muss er unter hohem Energieeinsatz hergestellt werden – meistens aus fossilen Quellen wie Erdgas. Das macht ihn überraschend schmutzig.

Tatsächlich stammen über 99 Prozent des weltweit produzierten Wasserstoffs aus klimaschädlicher Herstellung. Nur ein Bruchteil ist sogenannter „grüner Wasserstoff“ aus erneuerbaren Energien – und der ist teuer und ineffizient. Selbst mit Windstrom erzeugter Wasserstoff ist heute klimapolitisch kaum besser als Benzin.

Kein Netz, kein Nutzen – das Infrastruktur-Dilemma

Ohne Tankstelle kein Tank. Und genau hier liegt das nächste Problem: Das Wasserstoffnetz ist ein Flickenteppich. In ganz Deutschland existieren gerade einmal rund 95 Wasserstofftankstellen, in Österreich existieren laut Autoservice.at lediglich fünf – fast alle in Metropolregionen. Europaweit sieht es kaum besser aus.
Hersteller und Verbraucher stehen sich damit gegenseitig im Weg: Ohne Fahrzeuge lohnt sich kein Ausbau der Infrastruktur. Ohne Infrastruktur kaufen aber auch keine Kunden ein Wasserstoffauto. Der berühmte Henne-Ei-Effekt – nur ohne Ausweg.

Schwer zu bändigen – die Tücken der Technik

Wasserstoff ist das leichteste Element im Periodensystem – und zugleich eines der schwierigsten in der Handhabung. Um es als Treibstoff zu nutzen, muss es auf 700 Bar komprimiert werden. Dafür braucht es teure Spezialtanks und höchste Sicherheitsstandards.
Und auch die Brennstoffzellen selbst sind komplexe Hochtechnologie: Ihre Kerne bestehen aus Membranen, die mit seltenen Edelmetallen wie Platin und Iridium beschichtet werden. Diese sind teuerselten – und geopolitisch heikel: über 90 Prozent der Produktion entfallen auf Russland und Südafrika. Die globale Produktion reicht bei weitem nicht aus, um einen Massenmarkt zu bedienen.

Effizienz schlägt Eleganz – Elektro bleibt vorne

Selbst wenn Wasserstoff klimaneutral produziert werden würde, bleibt eine zentrale Frage: Warum den Umweg gehen?Grüner Strom lässt sich direkt in einem Elektroauto nutzen – ohne Umwandlungsverluste durch Elektrolyse, Speicherung, Transport und Rückverstromung in der Brennstoffzelle.
Die einfache Rechnung vieler Experten: Ein E-Auto kann mit derselben Menge Strom drei- bis viermal weiter fahrenals ein Wasserstoffauto. In einer Welt, in der Energie knapp und teuer ist, ist Effizienz ein schlagendes Argument.

Wasserstoff bleibt Spezialist – nicht Generalist

Für bestimmte Anwendungen – etwa schwere LkwZüge ohne Oberleitung oder Industrieprozesse – mag Wasserstoff auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Doch im Pkw-Sektor bleibt er eine Nischenlösung mit hohem Aufwand und geringem Nutzen. Der Ausstieg von Stellantis ist daher nicht nur eine Konzernentscheidung – sondern ein Signal: Die Zukunft der Mobilität wird elektrisch, nicht gasförmig.

Krise nicht nur beim Wasserstoff – Stellantis kämpft mit hausgemachten Problemen

Die Probleme bei der Wasserstofftechnologie sind nur ein Teil der Misere – auch wirtschaftlich gerät Stellantis immer stärker ins Straucheln. Der Konzern, zu dem Marken wie Peugeot, Fiat, Jeep und Opel gehören, befindet sich 2025 weiter im Sinkflug. Bereits das Jahr 2024 endete mit einem dramatischen Absatzrückgang von 14 Prozent und einem Gewinneinbruch von 70 Prozent. Wer auf eine Trendumkehr gehofft hatte, wird enttäuscht: Auch das erste Quartal 2025 zeigt deutlich – die Talfahrt setzt sich fort.

Besonders hart trifft es Nordamerika, wo die Auslieferungen um weitere 20 Prozent zurückgingen – trotz interner Beschwichtigungen. Auch in Europa, dem traditionell stärksten Markt des Konzerns, bleibt die Lage angespannt: Minus 8 Prozent bei den Auslieferungen, Druck auf die Werke. Nur Südamerika liefert ein Lebenszeichen – mit einem Plus von 19 Prozent. Doch das reicht nicht aus, um den globalen Negativtrend zu stoppen: Der weltweite Absatz fiel um weitere 9 Prozent, auf nur noch 1,2 Millionen Fahrzeuge.

Luxusmarke Maserati steckt besonders tief in der Krise: Gerade einmal 1.700 verkaufte Fahrzeuge weltweit – ein Rückgang von fast 50 Prozent. In der Konzernzentrale wird inzwischen über die Zukunft der Marke offen diskutiert. Die strukturellen Herausforderungen des Konzerns verschärfen sich – und werfen ein Schlaglicht darauf, dass nicht nur der Wasserstoffausstieg, sondern auch grundlegende Schwächen im Konzernmodell zu bewältigen sind.

>>> Warum Stellantis 2025 die Kontrolle verliert – und der Absturz droht.

Werk Mirafiori in Turin: Einst Symbol italienischer Autoproduktion – heute fällt die Auslastung auf ein historisches Tief.

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E-Mobilitätsstrategie stockt – Stellantis kämpft auch an der Elektro-Front

Nicht nur beim Wasserstoffantrieb steckt Stellantis in der Klemme – auch der Weg in die Elektromobilität gestaltet sich für den Konzern deutlich holpriger als geplant. Verspätete Modellstartsgestrichene Projekte und technische Rückschläge häufen sich. Der als Preisbrecher beworbene Citroën ë-C3 kam wegen technischer Probleme später als angekündigt, der Maserati MC20 Folgore – ein Aushängeschild im Luxussegment – wurde sogar kurz vor Marktstart komplett gestrichen. Selbst etablierte Modelle wie der elektrische Peugeot 3008 mussten wegen Antriebsproblemenzwischenzeitlich die Produktion stoppen.

Ein zentrales Problem liegt im Kern der E-Mobilität: den Batterien. Stellantis hat den Aufbau eigener Zellproduktion lange hinausgezögert – nun fehlt die Kontrolle über eine der wichtigsten Komponenten. Batterien müssen teuer zugekauft werden, obwohl sie bis zu 40 Prozent der Fahrzeugkosten ausmachen. Das schmälert die ohnehin knappen Margen – besonders im volumenstarken Mittelklasse-Segment.

Zwar kündigte Stellantis Ende 2024 eine Kooperation mit dem US-Startup Zeta Energy an, um gemeinsam Lithium-Schwefel-Batterien zu entwickeln – doch bis zur Marktreife wird es dauern. Ein spürbarer Effekt ist frühestens ab 2030zu erwarten.

Parallel dazu reißen die Softwareprobleme nicht ab. Anfang 2025 mussten über 100.000 Fahrzeuge mehrerer Konzernmarken wegen Fehlern bei der Harnstoffdosierung zurück in die Werkstätten. Schon 2024 hatte ein massiver Software-Bug im Antiblockiersystem einen globalen Rückruf ausgelöst – betroffen waren über 1,4 Millionen Fahrzeuge, allein 1,23 Millionen Ram 1500 in den USA. Laut der US-Behörde NHTSA bestand im Extremfall die Gefahr, dass die elektronische Stabilitätskontrolle ausfällt.

Der Befund ist klar: Auch in der Elektromobilität ist Stellantis noch weit von technischer Reife und operativer Stabilität entfernt – ein heikler Befund für einen Konzern, der seine Zukunft genau auf dieses Feld ausrichten will.

>>> Stellantis unter Druck – bringen neue E-Modelle und der Leapmotor-Deal die Wende?

Citroën ë-C3: Als Hoffnungsträger gestartet, doch Produktionspannen und Verzögerungen bremsen den Elektro-Kleinwagen aus.

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Preisschlacht statt Technologieführerschaft – Stellantis setzt auf China-Deal mit Leapmotor

Um verlorenes Terrain im E-Auto-Markt zurückzugewinnen, setzt Stellantis nun auf ein neues Ass – und das kommt ausgerechnet aus China. Mit rund 1,5 Milliarden Euro stieg der Konzern Ende 2023 beim chinesischen Hersteller Leapmotor ein und sicherte sich damit nicht nur 20 Prozent der Anteile, sondern auch den Zugriff auf kostengünstige Elektroplattformen.

Herzstück der Kooperation ist das Joint Venture Leapmotor International, das zu 51 Prozent Stellantis gehört – und den globalen Vertrieb übernimmt. Seit Herbst 2024 bringt Stellantis die ersten Modelle schrittweise nach Europa. In Österreich sind der Kleinstwagen T03 und das Mittelklasse-SUV C10 seit April 2025 erhältlich – mit einem klaren Ziel: Tesla, VW und Renault im Preis zu unterbieten.

Der T03 bietet solide Technik (70 kW, 265 km WLTP) zum Kampfpreis ab 18.900 Euro – und damit deutlich günstiger als Fiat 500 Elektro oder Citroën ë-C3. Auch der C10, ein 4,74 Meter langer SUV auf neuer Cell-to-Chassis-Plattform, greift den Bestseller Tesla Model Y frontal an – mit vergleichbarer Technik, aber einem Einstiegspreis von 36.400 Euro, rund 9.000 Euro günstiger.

Mit der Leapmotor-Offensive will Stellantis nicht nur preislich punkten, sondern auch verloren gegangenes Vertrauen im E-Segment zurückgewinnen. Doch der Vorstoß zeigt vor allem eines: Statt selbst Innovationsführer zu sein, muss Stellantis auf externe Technologie zurückgreifen – und sucht den Befreiungsschlag nun im Einkauf.

Ob diese Strategie aufgeht, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Der Preiskampf in Europas E-Markt hat durch Stellantis’ China-Deal eine neue Eskalationsstufe erreicht. Technologisch aber bleibt der Konzern weiter im Hintertreffen.

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Leapmotor T03: Mit Kampfpreis nach Europa – doch bleibt die Frage, ob der China-Stromer auch in Qualität und Service überzeugt.

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Neuer Chef, viele Baustellen – Stellantis braucht mehr als nur einen Neuanfang

Mit Antonio Filosa hat Stellantis nun einen neuen CEO – und der tritt sein Amt inmitten einer der tiefsten Krisen des Konzerns an. Die Erwartungen sind hoch, die Herausforderungen gewaltig: Absatzkrise, Gewinnrückgang, strategische Rückschläge bei Wasserstoff und Elektromobilität, Softwarepannen und ein angeschlagenes Markenimage – Filosa übernimmt einen Konzern, der in nahezu allen Bereichen unter Druck steht.

Als langjähriger Insider kennt Filosa die Strukturen, die Probleme – und auch die internen Gräben. Doch seine eigentliche Bewährungsprobe beginnt jetzt: Er muss Vertrauen zurückgewinnen, Produktionsziele stabilisieren, die E-Offensive glaubwürdig neu ausrichten – und dem Konzern wieder eine klare Richtung geben.

Ein neuer CEO ist da – doch die eigentliche Arbeit beginnt erst. Ob Filosa den Kurswechsel einleiten kann, den Stellantis so dringend braucht, wird sich bald zeigen. Denn eines ist klar: Die Zeit der Ausreden ist vorbei.

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Antonio Filosa: Der neue CEO übernimmt Stellantis inmitten tiefgreifender Krisen – und steht vor einer Mammutaufgabe.

- © NICOLAS ZWICKEL

Video: Wie Stellantis in die Krise schlittert – und was 2025 zur Zerreißprobe macht

Warum wankt der viertgrößte Autohersteller der Welt? Was steckt hinter dem dramatischen Einbruch bei Absatz, Gewinn und Markenimage? Und was bedeutet das für Traditionsmarken wie Opel, Fiat oder Jeep? Unser Video zeigt, wie tief die Krise bei Stellantis wirklich reicht – und warum 2025 über Werksschließungen, Strafzahlungen oder ein Comeback entscheiden könnte.

INDUSTRIEMAGAZIN-News analysiert die Hintergründe – und was über Aufbruch oder Abstieg entscheidet.