Stellantis vor dem Absturz : Stellantis warnt vor Werksschließungen wegen CO₂-Zielen – die wahren Probleme liegen tiefer

Opel Produktion bei Stellantis

Produktion bei Opel: Im Werk von Stellantis läuft der Autobau unter Druck – die Zukunft vieler Standorte ist ungewiss.

- © Opel

Der europäische Chef des Autokonzerns Stellantis, Jean-Philippe Imparato, warnt vor möglichen Werksschließungen – ausgelöst durch die verschärften CO₂-Vorgaben der EU. Sollten sich die regulatorischen Rahmenbedingungen nicht bis Jahresende ändern, sehe sich der Konzern gezwungen, "harte Entscheidungen" zu treffen, sagte Imparato am Dienstag in Rom. In zwei bis drei Jahren drohten sonst Strafzahlungen in Milliardenhöhe – bis zu 2,5 Mrd. Euro, so der Manager.

Doch so dramatisch sich die Warnung anhört: Die CO₂-Grenzwerte sind nicht das einzige – und wohl auch nicht das größte – Problem für Stellantis. Denn hinter den Kulissen kämpft der Konzern mit einer ganzen Reihe hausgemachter Schwierigkeiten. Die Autoproduktion in Italien fiel auf ein Niveau wie zuletzt 1956, die Verkaufszahlen stürzen ab – sogar Traditionsmarken wie Alfa Romeo und Maserati wackeln. Das jüngste US-Zollpaket wirkt da nur noch wie der letzte Tropfen im längst übergelaufenen Fass.

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Imparato skizzierte zwei denkbare Wege, um Strafzahlungen zu vermeiden: Entweder verdopple Stellantis den Absatz von Elektroautos – was er selbst für unrealistisch hält – oder das Unternehmen drossele die Produktion von Verbrennern, um den E-Anteil in der Flotte künstlich zu erhöhen. Letzteres könnte allerdings Werksschließungen zur Folge haben. Als mögliches Beispiel nannte er das italienische Werk Atessa, wo Transporter gebaut werden.

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Stellantis rutscht tiefer in die Krise – Absatz, Gewinn und Markenimage im Sinkflug

Stellantis taumelt weiter – und das mit wachsender Geschwindigkeit. Der Autoriese mit Marken wie Peugeot, Fiat, Jeep und Opel setzt seinen Abwärtstrend auch 2025 fort. Bereits das Jahr 2024 war katastrophal: Der weltweite Absatz brach um 14 Prozent auf 5,5 Millionen Fahrzeuge ein, der Gewinn stürzte um satte 70 Prozent ab. Doch wer auf Besserung gehofft hatte, sieht sich im ersten Quartal 2025 erneut enttäuscht – die Zahlen zeigen: Die Talfahrt geht weiter.

Besonders dramatisch ist die Lage in Nordamerika, dem zweitgrößten Markt des Konzerns. Dort sanken die Auslieferungen erneut um 20 Prozent – trotz beschwichtigender Hinweise des Unternehmens auf "kalendarische Effekte" wie verlängerte Werksferien. Auch in Europa, traditionell stärkste Region des Konzerns, bleibt die Lage angespannt: Ein Minus von 8 Prozent bei den Auslieferungen im ersten Quartal setzt die Werke weiter unter Druck.

Lediglich Südamerika stemmt sich gegen den Abwärtstrend: Hier legten die Auslieferungen um 19 Prozent zu – ein seltener Lichtblick. In den übrigen Weltregionen jedoch dominiert tiefes Rot: Im Nahen Osten, Afrika sowie im Raum Asien-Pazifik inklusive China und Indien fielen die Rückgänge zweistellig – teils bis zu 20 Prozent. Der globale Absatz sank insgesamt um 9 Prozent auf 1,2 Millionen Fahrzeuge.

Für die Luxusmarke Maserati werden die Zahlen besonders bitter: Gerade einmal 1.700 Fahrzeuge wurden weltweit verkauft – ein Rückgang von fast 50 Prozent. Kein Wunder, dass in der Konzernzentrale inzwischen laut über die Zukunft der Marke nachgedacht wird. Auch Alfa Romeo wankt – der einstige Stolz der italienischen Autoindustrie scheint in der Stellantis-Welt zunehmend überflüssig zu werden.

Angesichts wegbrechender Märkte, schrumpfender Margen und kaum sichtbarer Perspektiven wird deutlich: Nicht nur CO₂-Auflagen, sondern vor allem eine strategische Schieflage gefährdet den Kurs des Konzerns – und den Status seiner europäischen Traditionsmarken.

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Antonio Filosa übernimmt in der Krise: Als neuer CEO von Stellantis steht er vor Milliardenrisiken, Absatzkrisen und einer unsicheren Zukunft.

- © Stellantis

Antonio Filosa wird neuer CEO von Stellantis – und übernimmt einen Konzern am Limit

Nach monatelanger Suche hat Stellantis Ende Mai endlich einen neuen CEO gefunden: Antonio Filosa, 52, ein erfahrener Manager aus den eigenen Reihen, übernimmt die Führung des angeschlagenen Autokonzerns – zu einem Zeitpunkt, an dem der Druck kaum größer sein könnte. Der Verwaltungsrat habe seiner Ernennung einstimmig zugestimmt, teilte das Unternehmen mit. Vorausgegangen war ein intensiver Auswahlprozess, bei dem laut Corriere della Sera sowohl interne als auch externe Kandidaten geprüft wurden – darunter Einkaufschef Maxime Picat und Ex-AutoNation-CEO Mike Manley.

Filosa, ein Ingenieur mit Fiat-Wurzeln, ist seit 1999 im Unternehmen. In den vergangenen Jahren war er als COO für das Nordamerika-Geschäft zuständig – vor allem für die Marken Jeep, Dodge und Chrysler. Dort sollte er angeschlagene Beziehungen zu Gewerkschaften, Zulieferern und Händlern wiederherstellen, die unter dem Führungsstil des früheren CEOs Carlos Tavares gelitten hatten.

Der überraschende Abgang von Ex-CEO Carlos Tavares hinterließ ein Machtvakuum an der Spitze des weltweit viertgrößten Autokonzerns. Verwaltungsratschef John Elkann musste kurzfristig einspringen und übernahm interimsweise die Führung. Tavares war zwar als harter Sanierer bekannt, sein Führungsstil galt jedoch als kompromisslos – und nicht selten als konfrontativ. Besonders in Italien stießen seine Entscheidungen, etwa die drastische Reduktion von Produktionskapazitäten, auf heftige Kritik – sowohl vonseiten der Gewerkschaften als auch aus der Politik.

Mit Filosa bekommt Stellantis einen Konzernchef, der das Unternehmen kennt, aber auch als pragmatischer Sanierer gilt. Ob das reicht, um den Konzern zu stabilisieren, wird sich schnell zeigen – denn viel Zeit bleibt nicht. Stellantis hat einen CEO – jetzt braucht es einen echten Kurswechsel.

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Stellantis stellt Alfa Romeo und Maserati auf den Prüfstand

14 Marken unter einem Dach – das war einmal das große Versprechen von Stellantis. Entstanden 2021 aus der Fusion von Fiat Chrysler und der französischen PSA-Gruppe, umfasst der Konzern heute alles vom Volumenhersteller bis zur Luxusikone: Citroën, Fiat, Opel, Peugeot, Jeep, Ram – aber eben auch Sorgenkinder wie Alfa Romeo, Maserati, Lancia und Dodge.

Doch was einst als Stärke galt, droht nun zur Last zu werden. Die Verkaufszahlen sinken, die Margen bröckeln – und der Konzern beginnt, sein Markenportfolio kritisch zu hinterfragen. Besonders Alfa Romeo und Maserati, einstige Prestigeobjekte der italienischen Autokultur, geraten zunehmend unter Druck. Die Produktion im Werk Cassino steht beinahe still, wichtige Absatzmärkte wie die USA sind teuer und kompliziert zu bedienen: Weil dort keine lokale Fertigung existiert, schlägt jeder Import mit 25 Prozent Zoll zu Buche – ein Geschäftsmodell, das wirtschaftlich kaum noch tragfähig ist.

Inzwischen hat Stellantis laut Bloomberg die Unternehmensberatung McKinsey ins Boot geholt. Geprüft werden alle Optionen: von strategischen Partnerschaften bis hin zu einer möglichen Abspaltung. Der Verkauf traditionsreicher Marken ist längst kein Tabu mehr – im Gegenteil. Ex-CEO Carlos Tavares hatte es einst unmissverständlich formuliert: „Wir können es uns nicht leisten, Marken zu haben, die kein Geld verdienen.“

Während in den Chefetagen die Markenstrategie überdacht wird, spitzt sich die operative Lage weiter zu. Stellantis ringt nicht nur mit geopolitischen Unsicherheiten und Handelskonflikten, sondern auch mit hausgemachten Problemen – von ineffizienten Werken bis zur schleppenden Elektrifizierungsstrategie. Die nächsten Entscheidungen könnten weitreichend sein – und für Alfa Romeo und Maserati sogar existenziell.

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Unter dem Dach des Stellantis-Konzerns tummeln sich 14 Marken.

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Stellantis in der E-Mobilitätskrise – Batterie-Zukäufe, Softwarepannen und wackelige Modelle bremsen den Konzern aus

Der Übergang in die Elektromobilität verläuft bei Stellantis alles andere als reibungslos – vielmehr reiht sich ein Rückschlag an den nächsten. Hoffnungsträger wie der günstige Citroën ë-C3 mussten wegen technischer Probleme verspätet an den Start gehen. Der Elektro-Supersportwagen Maserati MC20 Folgore wurde im März kurzerhand gestrichen, bevor er überhaupt auf den Markt kam. Und selbst bei Volumenmodellen wie dem elektrischen Peugeot 3008 führten Antriebsprobleme zu Produktionsstopps.

Der Grund für die schleppende Entwicklung liegt auch in strategischen Versäumnissen: Stellantis hat den Aufbau eigener Batteriezellentechnologie lange verschlafen – und zahlt nun die Quittung. Batterien müssen teuer zugekauft werden, obwohl sie rund ein Drittel bis 40 Prozent der Gesamtkosten eines E-Autos ausmachen. Das drückt die Margen – gerade in einem Segment, das für die Zukunft entscheidend ist.

Erst Ende 2024 zog der Konzern die Reißleine und kündigte eine Partnerschaft mit dem US-Hersteller Zeta Energy an. Die beiden Unternehmen wollen gemeinsam neue Lithium-Schwefel-Batterien entwickeln, die mehr Reichweite bieten und günstiger produziert werden können. Hoffnung macht das Projekt – doch realer Impact ist frühestens ab 2030 zu erwarten.

Parallel kämpft Stellantis auch mit gravierenden Softwareproblemen – ein Dauerbrenner in der Kritik. Im Februar 2025 mussten über 100.000 Fahrzeuge der Marken Peugeot, Citroën, DS, Opel und Fiat wegen fehlerhafter Harnstoffdosierung in die Werkstätten zurückgerufen werden. Bereits im Herbst 2024 hatte ein Softwarefehler im Antiblockiersystem für einen globalen Rückruf von 1,46 Millionen Fahrzeugen gesorgt – allein in den USA waren 1,23 Millionen Ram 1500 betroffen. Laut der US-Behörde NHSA konnte der Fehler im schlimmsten Fall zur Deaktivierung der elektronischen Stabilitätskontrolle führen.

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Mit China gegen Tesla: Stellantis setzt auf Leapmotor und unterbietet die Konkurrenz im Preisrennen

Im Kampf um Marktanteile im immer wichtiger werdenden E-Auto-Segment greift Stellantis nun zu einer neuen Waffe – und sie kommt ausgerechnet aus China. Mit der Beteiligung am chinesischen E-Autohersteller Leapmotor will der angeschlagene Autokonzern verlorenes Terrain zurückerobern. Für rund 1,5 Milliarden Euro sicherte sich Stellantis Ende 2023 nicht nur 20 Prozent der Anteile, sondern vor allem: Zugriff auf moderne, günstige Elektroplattformen. Kernstück der strategischen Allianz ist das Joint Venture Leapmotor International, das zu 51 Prozent Stellantis gehört – und den weltweiten Vertrieb übernimmt.

Herzstück des Plans: Zwei neue Stromer, die seit Herbst 2024 schrittweise in Europa eingeführt werden – zunächst in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien, seit April 2025 auch in Österreich. Mit dem Kleinstwagen T03 und dem Mittelklasse-SUV C10 geht Stellantis direkt in die Offensive – und zielt mit aggressiven Preisen auf Tesla, VW und Renault.

Der Leapmotor T03 ist ein 3,62 Meter kurzer Fünftürer im A-Segment, bietet aber Platzverhältnisse wie ein B-Segment-Modell. Mit 70 kW Leistung und 265 km WLTP-Reichweite konkurriert er technisch mit dem Fiat 500 Elektro – unterbietet ihn aber preislich deutlich: ab 18.900 Euro ist der T03 erhältlich, günstiger als Citroën ë-C3 (ab 23.300 Euro) und der Fiat 500 Elektro (ab 29.490 Euro). Damit liegt er sogar auf dem Niveau des Dacia Spring – allerdings mit deutlich besserer Ausstattung.

Noch selbstbewusster tritt der Leapmotor C10 auf. Der 4,74 Meter lange Elektro-SUV basiert auf der neuen LEAP 3.0-Plattform mit integrierter Batteriezelle (Cell-to-Chassis) – eine Technik, die Reichweite, Stabilität und Raumausnutzung verbessern soll. Der C10 zielt direkt auf Volumenmodelle wie den VW ID.4, Ford Explorer oder Renault Mégane – und vor allem auf das Tesla Model Y. Mit einem Einstiegspreis von 36.400 Euro liegt der C10 fast 9.000 Euro unter dem Tesla – bei vergleichbarer Technik.

Stellantis nutzt die Leapmotor-Offensive nicht nur, um preislich anzugreifen – sondern auch, um verlorene Glaubwürdigkeit im E-Segment zurückzugewinnen. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen. Fest steht: Der Preiskampf in Europas E-Markt hat mit dem China-Deal eine neue Dynamik bekommen.

Die Zwischenbilanz ist ernüchternd: Statt technologischer Führerschaft kämpft Stellantis mit Verzögerungen, Qualitätsmängeln und strategischem Rückstand. Ein echter Befreiungsschlag in der Elektromobilität steht weiterhin aus.

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Mit dem C10 greift Stellantis im E-Markt an: Das chinesische SUV soll dem Tesla Model Y und dem VW ID.4 Kunden abjagen – zu deutlich günstigeren Preisen.

- © Stellantis

CO₂-Ziele sind ein Risiko – aber nicht die Wurzel des Problems

Die CO₂-Vorgaben der EU sind zweifellos eine Herausforderung für Stellantis – aber sie sind längst nicht das einzige Problem. Die strukturellen Schwächen des Konzerns wiegen schwerer: Absatzrückgänge, hausgemachte Qualitätsprobleme, eine zu spät gestartete E-Offensive und ein überladenes Markenportfolio setzen das Unternehmen massiv unter Druck. Die Regulierung verschärft die Lage, ist aber nicht ihr Auslöser.

Tatsächlich könnten CO₂-Strafzahlungen in Milliardenhöhe zur ernsten Belastung werden, wenn Stellantis die Wende zur Elektromobilität weiter verschleppt. Doch entscheidend wird sein, ob es dem neuen CEO Antonio Filosa gelingt, nicht nur auf äußeren Druck zu reagieren – sondern die tiefere strategische Krise aktiv anzugehen. Denn eines ist klar: Die Zeit für Ausreden ist vorbei.

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Video: Warum Stellantis 2025 der Absurz droht

Warum taumelt einer der größten Autokonzerne der Welt – und was bedeutet das für Marken wie Opel, Fiat oder Jeep? In unserem Video zeigen wir, wie tief die Krise bei Stellantis wirklich reicht, warum 2025 zum Schicksalsjahr werden könnte – und welche Entscheidungen jetzt über Werksschließungen, Milliardenstrafen oder ein Comeback entscheiden. 

INDUSTRIEMAGAZIN-News zeigt im Video die Hintergründe der Krise – und was jetzt über Zukunft oder Zerfall entscheidet.