KTM Insolvenz : Nach der KTM-Insolvenz: MV Agusta startet mit Vollgas in die Zukunft!

MV Agusta Motorrad vor Werkstor, dramatischer Himmel

MV Agusta bestätigt, dass Art of Mobility S.A., ein Unternehmen, das von der Familie Sardarov kontrolliert wird, die vollständige Kontrolle über die MV Agusta-Gruppe zurückerlangt hat. Damit ist die Trennung von KTM offiziell besiegelt.

- © MV Agusta

Im Februar 2025 ging die Liaison zwischen KTM und MV Agusta offiziell zu Ende – keine zwei Jahre nach dem Einstieg der österreichischen Pierer Mobility Gruppe, zu der KTM gehört. Was als vielversprechende Partnerschaft begann, endete aus strategischen Differenzen und möglicherweise kulturellen Gegensätzen zwischen den beiden Traditionsunternehmen. Während KTM vor allem auf Skalierung und Effizienz bedacht war, blieb MV Agusta dem Image einer exklusiven, designorientierten Luxusmarke treu – ein Spagat, der sich als schwer vereinbar erwies.

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Internen Quellen zufolge war insbesondere die unterschiedliche Auffassung in Bezug auf die Markenpositionierung und das Produktportfolio ausschlaggebend für die Trennung. Auch die Integration in das KTM-eigene Logistik- und Vertriebsnetz stieß auf Widerstände in Schiranna, dem historischen Hauptsitz von MV Agusta.

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KTM am Ende: So kam es zum Bruch mit MV Agusta

Ein entscheidender Auslöser für die Trennung zwischen KTM und MV Agusta war jedoch die finanzielle Schieflage der österreichischen Pierer Mobility AG, zu der auch KTM gehört. Ende November 2024 stellte die KTM AG einen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung, nachdem das Unternehmen mit einem Schuldenstand von rund drei Milliarden Euro konfrontiert war. Die angespannte Finanzlage zwang das Management zu drastischen Maßnahmen – darunter auch die Überprüfung und Abgabe nicht zum Kerngeschäft gehörender Beteiligungen.

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In diesem schwierigen Umfeld geriet auch die Beteiligung von 50,1 % an MV Agusta zunehmend unter Druck. Die italienische Markenikone galt im Konzernumfeld nicht als zur Kernstrategie gehörend, sodass entschieden wurde, den Anteil abzugeben, um MV Agusta vom Restrukturierungsverfahren abzukoppeln.

Am 31. Januar 2025 gab MV Agusta offiziell bekannt, dass Art of Mobility S.A. – ein von der Familie Sardarov kontrolliertes Unternehmen – die Mehrheit übernommen hat. Ziel war es, die Marke vollständig aus den finanziellen Turbulenzen der Pierer-Gruppe herauszuhalten. In einer offiziellen Mitteilung hieß es, der Schritt schaffe Klarheit und Stabilität, sodass MV Agusta unbeeinträchtigt vom KTM-Sanierungsprozess weiter operieren könne: "Nach einem erfolgreichen Jahr für MV Agusta hätte die kürzlich bekannt gewordene finanzielle Situation der PIERER Mobility AG erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit der Marke aus Schiranna haben können." 

Im Jahr 2024 setzte MV Agusta 4.000 Motorräder ab – ein Plus von 116 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bereits im Juli letzten Jahres wurden die Gesamtverkäufe aus 2023 übertroffen. Auch im Aftersales-Bereich markierte 2024 ein Rekordjahr: Der Hersteller verzeichnete die höchsten Ersatzteilverkäufe seiner Geschichte, bei einer Teileverfügbarkeit von 99 Prozent für Modelle der vergangenen sieben Produktionsjahre.

Die Rückkehr der Legende: Was Timur Sardarov jetzt plant

Doch das Schicksal meinte es gut mit dem einstigen Motorradjuwel. Der frühere Eigentümer Timur Sardarov – ein russischer Unternehmer mit Faible für italienisches Design und High-Performance-Technik – kehrte Anfang 2025 überraschend zurück. Mit einer Finanzspritze sicherte er kurzfristig das Überleben der Marke und leitete damit auch den strategischen Neustart ein. Nun will er gemeinsam mit CEO Luca Martin die Weichen für eine zukunftsfähige, unabhängige MV Agusta stellen.

Timur Sardarov

- © MV Agusta

Insider-Infos: Wie MV Agusta sein Logistikproblem löst

In einem aktuellen Halbjahresbericht sprach Luca Martinm der erst vor wenigen Tagen vom bisherigen Chief Operating Officer (COO) zum CEO von MV Agusta Motor S.p.A. aufrückte, erstmals seit der Trennung öffentlich über den Zustand des Unternehmens – und verbreitete vorsichtigen Optimismus. Martin bringt Erfahrung aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie mit und soll die nächste Wachstumsphase leiten. Er plant schlankere Strukturen, neue Designteams in Europa und Asien sowie eine engere Zusammenarbeit mit Technikpartnern im Bereich Elektronik und Fahrwerk.

Zwar bleibt die logistische Zusammenarbeit mit KTM vorerst bestehen, insbesondere zur Sicherstellung der Ersatzteilversorgung. Doch MV Agusta arbeitet bereits an einem neuen globalen Logistikkonzept. Laut Martin stehen die Verhandlungen mit einem weltweit tätigen Dienstleister kurz vor dem Abschluss. Ziel ist es, sich auch in dieser Hinsicht unabhängig aufzustellen.

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Parallel dazu entsteht ein eigenständiges Vertriebsnetz für die Kernmärkte Europa, Nordamerika, Ozeanien und Asien. Hierbei setzt das Unternehmen auf dezentrale Verantwortung und stärkere Marktanpassung. Das bestehende Händlernetz wird überarbeitet und gezielt erweitert, um näher an den Kunden ranzurücken – ein Schritt, der nicht nur die Markenpräsenz stärken, sondern auch die Servicequalität verbessern soll.

Das weltweite Vertriebsnetz von MV Agusta bleibt mit allen 219 Verkaufsstellen – darunter 41 Servicepunkte – vollständig erhalten. Im Laufe des Jahres soll die Zahl der Standorte auf bis zu 270 anwachsen. Ergänzt wird das globale Netzwerk durch 20 Importeure außerhalb Europas.

Luca Martin, CEO von MV Agusta

- © MARCOCAMPELLI/ MV Agusta

Comeback-Pläne: Diese neuen Modelle erwarten uns 2025

Ein zentrales Element des Transformationsprozesses bei MV Agusta ist die umfassende Modernisierung der Produktionsabläufe. Statt klassischer Manufaktur setzt das Unternehmen auf ein neues, effizientes Fabriklayout im historischen Werk in Schiranna. Dieses Lean-Production-Modell, begleitet von optimierten Materialflüssen, modularer Fertigung und digital unterstützter Produktionsplanung, führte bereits zu spürbaren Effizienz- und Kostenvorteilen – unter anderem durch die Internalisierung vormals ausgelagerter Verarbeitungsschritte.

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Auch das Designstudio Centro Stile wurde wieder nach Schiranna verlagert, um Design und Technik enger zu verzahnen. Damit will die Marke schlanker, effizienter und wirtschaftlicher arbeiten – ohne den Verlust ihrer legendären Design-DNA. Produktseitig arbeitet MV Agusta mit Hochdruck an der Überarbeitung der bestehenden Modellpalette. Zur Motorradmesse EICMA 2025 will man ein neues Modell präsentieren. Gerüchten zufolge könnte es sich um eine Mischung aus Supersport-Design und elektrischer Antriebstechnologie handeln. Ein symbolischer Meilenstein, der nicht nur technologische Kompetenz, sondern auch den Überlebenswillen der Marke demonstrieren soll.

Parallel wird an einer komplett neuen Motorenplattform gearbeitet – leistungsstärker, leichter und modular für verschiedene Modelle nutzbar. Die Entwicklung erfolgt vollständig in Varese. MV Agusta setzt künftig wieder auf das, was die Marke seit jeher besonders macht: Einzigartiges italienisches Design, High-End-Technik und limitierte Stückzahlen. Jede MV Agusta soll ein Sammlerstück sein – kein Massenprodukt. Die neue Strategie umfasst Boutique-Showrooms, exklusive Test-Events und erweiterte Concierge-Dienste für Kunden.

Video: KTM unter neuer Führung

KTM befindet sich mitten in einer strukturellen Neuaufstellung. Nach dem Insolvenzantrag in Eigenverwaltung plant das Unternehmen, die Produktion an den oberösterreichischen Standorten Mattighofen und Munderfing ab dem 28. Juli 2025 wieder hochzufahren. Die Leitung übernimmt nun ein neues Managementteam mit klarer Zielsetzung: Effizienz steigern, Prozesse modernisieren und die Marke neu positionieren. Im Fokus steht dabei die Rückbesinnung auf die Kernwerte von KTM – Innovation, sportlicher Anspruch und Nähe zur Community –, ohne dabei wirtschaftliche Realitäten aus den Augen zu verlieren. Trotz der aktuellen Herausforderungen soll KTM als bedeutender Player in der internationalen Motorradbranche erhalten bleiben und durch die neuen Strukturen wieder an frühere Stärke anknüpfen.