Interview mit Michael Toiner : Warum tun Sie sich das an, Herr Tojner?

Michael Tojner Unternehmer Investor CEO Private Equity Montana Tech Components AG VARTA AG B?ro
© Jeff Mangione / KURIER / picturedesk.com

Michael Tojner ist Eigentümer einer Industriegruppe mit 7500 Beschäftigten in 20 Werken weltweit - und der Allgemeinheit doch nur als umstrittener Immobilieninvestor bekannt. Was will der Mann mit seinen Industrieunternehmen erreichen - und wie sehr verkomplizieren ihm seine Immo-Deals das Industriegeschäft?

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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Tojner, würden Sie sich eigentlich als Industriellen bezeichnen?

Michael Tojner: Ich bin kein Industrieller im herkömmlichen Sinne. Ich stehe für die dynamische Entwicklung meiner Industrieunternehmen, für Managementbeteiligung und aggressives Wachstum. Ich würde mich als Industriellen Entrepreneur bezeichnen.

IM: Ihre Gruppe, die Montana Tech Components, wirkt auf Außenstehende wie ein Bauchladen: Sie produzieren bei Alu Menziken Aluminiumteile für die Luftfahrtindustrie, sind mit Asta im Transformatorengeschäft für die Energiewirtschaft, mit Aluflexpack im Packaginggeschäft für die Lebensmittelindustrie und zukünftig mit Varta vielleicht im Stromspeichergeschäft für die Automobilindustrie. Was ist Ihre Strategie?

Tojner: Ich komme aus dem Venture Capital-Geschäft und für mich ist es sehr wichtig, in Branchen zu agieren, wo Dynamik herrscht – und wo ein globaler Markt existiert. Allen Kernunternehmen, die ich bisher gekauft habe, ist gemeinsam, dass sie Familienunternehmen waren, die etwas ihren Fokus und ihre Ausrichtung verloren haben. Und alle haben gemeinsam, dass ich das Potenzial sehe, mit ihnen auf dem Weltmarkt unter die Top Drei zu kommen.

IM: Wie funktioniert Ihre Unternehmensgruppe?

Tojner: Wir sind keine Beteiligungsgesellschaft, die inaktiv ist. Als Industriegruppe sind wir in die Vorgabe der Vision und in die strategische Planung unserer Unternehmen involviert. Ich teile mir meine Arbeit mit Martin Ohneberg, Herbert Roth und Michael Pistauer. Ich selbst mache Aerospace, also Alu Menziken und Varta mit Michael Pistauer. Martin macht Aluflexpack, Herbert den Metaltech-Bereich, zu dem Asta gehört. Zentral wird von uns im Konzern das Controlling, Finanzen, Steuern, strategische Planung und M&A gemacht. Selbstverständlich ist auch das Treasury bei uns im Haus. Ansonsten agieren die Vorstände mit ihren Teams selbstständig.

IM: Wie tief sind Sie in das operative Geschäft involviert? Wie oft sehen Sie Ihre Vorstände – abgesehen von Aufsichtsratssitzungen und dem jährlichen Managementtreffen in Traunkirchen?

Tojner: Drei bis vier Tage im Monat bin ich zum Teil auch durchaus operativ eingebunden und mit den Vorständen stehe ich in regelmäßigen Abständen im Austausch. Am vorvergangenen Freitag war ich in München, um gemeinsam mit meinem Vorstandsvorsitzenden von Varta den Förderantrag zur Elektromobilität abzustimmen.

IM: Sie bewerben sich im Konsortium mit Ford um einen Teil des milliardenschweren Fördertopfes, den die deutsche Bundesregierung zum Aufbau eines europäischen Champions für die Batteriezellenproduktion für Automobile bereitstellen will. Neben Varta bewerben sich so bekannte Namen wie BASF, Volkswagen oder BMW. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie da weiterkommen?

Tojner: Als ich 2007 die von allen als wertlos betrachteten Reste von VARTA von der Deutschen Bank und der Industriellenfamilie Quandt (Anm. d. Red: BMW-Großaktionäre) gekauft habe, hat niemand an die Marke, den Standort Ellwangen und die Technologie geglaubt. Damals ist eine Zeit zu Ende gegangen, in der 20 Jahre an der Batterie nicht mehr geforscht wurde. Und ich habe ein Forschungszentrum, das viel zu viele Mitarbeiter hatte, übernommen. Mit einer De facto-Überschuldung bin ich dann bei der Bank Austria, die das finanziert hat, gesessen – in der Restrukturierungsabteilung.

IM: Das alleine wird sie für Förderungen in Milliardenhöhe nicht qualifizieren...

Tojner: Natürlich nicht. Aber ich hoffe, dass Herr Altmaier (Anm. d. Red. deutscher Wirtschaftsminister) ein Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland abgibt, so wie ich das damals getan habe. Heute sind unsere wieder aufladbaren Mikrobatterien in allen globalen Kopfhörermarken verbaut, wir produzieren Energiespeicherlösungen für OEM-Kunden und Haushalte und haben gemeinsam mit Fraunhofer die Basis für die Massenproduktion von großformatigen Batteriezellen am Standort Ellwangen gelegt. Von all den von Ihnen genannten Mitbewerbern um die Förderung ist Varta derzeit der einzige Produzent von Lithium-Ionen Batterien - und weltweit bezüglich Energiedichte, Sicherheit und Technologie mit führend.

IM: Warum legen Sie nicht einfach los? Das Kapital sollte nach dem erfolgreichen Börsegang der Varta 2017, der 150 Millionen Euro fürs Unternehmen und 80 Millionen für Sie eingebracht hat, ja vorhanden sein...

Tojner: Das Risiko ist selbst heute noch sehr schwer abschätzbar: Kommt die Brennstoffzelle vielleicht doch? Schafft man die Batteriezelle wirklich zu einem Preis zu produzieren, der wettbewerbsfähig ist? Gibt es in den kommenden Jahren eine disruptive Technologie, die alle Kalkulationen über den Haufen wirft? Wir reden hier über Investitionen in Milliardenhöhe. Da braucht es neben den Eigenmitteln auch zusätzliche Finanzmittel.

IM: Als Sie 2007 die Reste der Varta um 30 Millionen Euro gekauft haben, war Ihnen da eigentlich klar, welches Potenzial das Unternehmen hat?

Tojner: Wir haben damals auch massive Verbindlichkeiten und Verpflichtungen mit übernommen. Sie können mir das jetzt glauben oder nicht: Mich hat fasziniert, die Marke, immerhin eine der Top 30 Industriemarken im deutschsprachigen Raum, zu kaufen. Und ich habe natürlich Potenzial in dem gesehen, was da von Varta übriggeblieben ist. Aber das ganze Ausmaß der Chance ist mir erst mit der Zeit bewusst geworden...

IM: Das Entwicklungszentrum in Ellwangen und die Knopfzellenproduktion sollten 2007 eigentlich dem Käufer der Autobatteriesparte, Johnson Controls, mitgeschenkt werden. Warum hat außer Ihnen niemand das Potenzial gesehen?

Tojner: Gegenfrage: Warum hat nur Herr Pierer sich getraut, die KTM von Herrn Taus zu kaufen, als es dem Unternehmen nicht gut gegangen ist? Und warum hat Herr Leitner die Andritz gekauft?

IM: Noch einmal zurück zur Frage Ihrer strategischen Steuerung von Managemententscheidungen: Als im vergangenen Jahr intern der Beschluss fiel, auf die Serienproduktion von E-Auto-Batterien zu setzen – wer hat da wen überzeugt? Sie Ihren Vorstandschef Herbert Schein – oder er Sie?

Tojner: Die Entscheidung fiel gemeinsam, aber auf Vorschlag unserer Vorstände. Aber natürlich hole ich mir selbst auch zweite Meinungen ein. Einer der führenden Lehrstühle für Material- und Batteriewesen der Welt befindet sich in Stanford. Zu Professor Prinz, einem Österreicher, der vor 20 Jahren ausgewandert ist, bin ich selbst hingefahren. Ich bin kein Technologe, aber ich glaube von mir sagen zu können, dass ich ein gutes Gespür für Opportunitäten habe...

IM: Das würden Ihre Kritiker auch so sehen. Und in den Unternehmenssparten Energiespeichersysteme, Verpackung und Metalltechnik hat Ihr Gespür Sie scheinbar auch nicht getäuscht. Einzig das Transformatorengeschäft kann nicht nach Ihren Vorstellungen laufen...

Tojner: (lacht) Drei von vier Bereichen – das ist doch ein guter Schnitt! Wir haben uns sicherlich beim Transformatorengeschäft, der Asta mit unserem Werk in Oed, mehr Potenzial erhofft. Die Umbrüche im Generatoren- und Transformatorenmarkt haben uns überrascht. Energieunternehmen investieren derzeit nicht, ein Investitionsstillstand, der auch bei Mitbewerbern wie ABB oder Siemens zu Restrukturierungen führt. Da sind wir noch nicht, wo wir hinwollten. Aber es wäre ja auch nicht normal, wenn alles gut gehen würde. Schwierigkeiten sind wir ja auch gewohnt, das gehört zum Unternehmertum, sonst würde es jeder machen. Aber wir werden das schon hinkriegen.

IM: Was passiert mit Asta – immerhin ein Unternehmen mit 200-jähriger Tradition in Niederösterreich...

Tojner: Wir werden das Unternehmen darauf vorbereiten, wo wir uns in Zukunft sehen und werden aus der 100-Prozent-Abhängigkeit von Transformatoren und Generatoren hinausgehen. Wir wollen da Synergien in der Gruppe heben und sowohl im Aerospace- als auch Automotive-Bereich mit den Kupferprodukten Fuß fassen.

IM: In den Bereichen Automotive und Aerospace sind Sie mit Alu Menziken gut aufgestellt... Wie oft sind Sie eigentlich in Ihrem Ranshofener Werk?

Tojner: Nicht so oft. Es ist im Bereich Aerospace eines von neun Werken und das kleinste. Als wir es 2014 gekauft haben (Anm. d. Red.: von der Salzburger Aluminium AG, die Euromotive wiederum 1994 von der AMAG erworben hat) war das ein im Sanierungsmodus befindliches Unternehmen mit einem Low Tech-Produkt. Jetzt produzieren wir da Sitzstrukturen für die vielleicht heikelste Kundengruppe der Welt: Die Flugzeugindustrie. Wir wurden Supplier of the Year bei Boeing und bei Airbus.

IM: Sie haben im Alubereich massiv in Rumänien investiert. Mittlerweile beschäftigt Alu Menziken in Satu Mare fast 3000 Mitarbeiter. Ist Produktionswachstum tatsächlich nur noch in Osteuropa möglich?

Tojner: Wissen Sie, bisher war die Wertschöpfungskette für die extrem kritischen Flugzeugteile, die wir produzieren (Anm. d. Red.: u.a. Verbindungsteile zum Flugzeugflügel) so: Gegossen und extrudiert wurde im schweizerischen Menziken. Zum Schneiden, Härten und Anodisieren wurden sie nach Ludwigshafen geschickt, in Frankreich wurden sie zusammengebaut und in Hamburg dann eingebaut. Wir haben Airbus angeboten, einen großen Teil dieser Wertschöpfungskette in Rumänien abzubilden: Vom Gießen bis zum Anodisieren alles in einer Kette – in einem Werk, das einen Kilometer lang ist. Heute kommt jeder zweite extrudierte Aluminiumteil von Boeing von uns. Der Aufbau dieser Werke in Westeuropa wäre so nicht möglich gewesen – vom Lohnunterschied Schweiz – Rumänien ganz abgesehen.

IM: Verstehen Sie die Kritik, wenn mit EU-Förderungen Produktionsstätten in Osteuropa hochgezogen werden, die dann dazu führen, dass Arbeitsplätze in Hochlohnländer abwandern?

Tojner: Wir haben in Rumänien von der EU die Hälfte der Investitionskosten gefördert bekommen – und sind mit unseren 3000 Mitarbeitern und 100 Prozent Exportquote natürlich die Lieblinge der rumänischen Politik. Weil wir dafür sorgen, dass das passiert, was jeder in der Europäischen Union will: Dass hochqualifizierte Menschen nicht mehr abwandern müssen – dass die Löhne sich irgendwann in den nächsten Jahrzehnten in ganz Europa angleichen. Ich sehe da nichts, was zu kritisieren wäre.

IM: Wo wollen Sie mit Ihrer Industriegruppe in Zukunft hin?

Tojner: Wir möchten mit VARTA wieder einen weltweiten Champion im Batteriewesen entwickeln. Das Unternehmen ist jetzt mit einem Streubesitz von rund 30 Prozent an der Börse gelistet und hat jetzt genügend Kapital, um selbstständig zu wachsen. Auch das Verpackungsunternehmen Aluflexpack soll sich selbstständig entwickeln. Für die anderen Unternehmen der Gruppe wollen wir die Synergien nutzen, um sie zu einem der drei weltweit führenden Aerospace Komponenten-Zulieferer unter dem Namen „Montana Aerospace“ in den Materialien Aluminium, Titanium, Stahl, Kupfer und Composites mit den Standorten in den USA, Europa und Asien zu machen. Wir haben das Ziel, unseren Umsatz von 1,3 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren zu verdoppeln.

IM: Herr Tojner, Sie sehen sich selbst, wie Sie Eingangs erklärt haben, als Industriellen Entrepreneur. Ihre Geschäfte im Industriebereich sind auch vom Volumen weitaus größer als die Immobiliendeals, mit denen Sie immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Hand aufs Herz: Warum tun Sie sich das an?

Tojner: Ich stehe zu meinen Immobilienengagements, ich bin Architekturfan und habe die Auseinandersetzung mit Architektur und Immobilien immer auch für eine persönlich sehr bereichernde Tätigkeit gehalten.

IM: Haben Sie nicht das Gefühl, dass Ihnen Ihre Geschäfte im Immobilienbereich Ihr Entrepreneurdasein in der Realwirtschaft erschweren?

Tojner: (lacht) Bis zum 17. Januar 2019 hatte ich dieses Gefühl nicht.

IM: An diesem Tag hat der burgenländische Landeshauptmann Anzeige wegen Untreue und Betrug gegen Sie wegen eines Kaufes von gemeinnützigen Wohnungen gestellt. Eine Anzeige, die im Wettbewerb um EU-Fördermittel für die Batteriezellenproduktion im Werk Ellwangen ziemlich im Weg stehen könnte...

Tojner: Ja, und dagegen setze ich mich juristisch zur Wehr. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich habe die Auseinandersetzung mit Architektur und Immobilien immer auch für eine persönlich sehr bereichernde Tätigkeit gehalten - die letzten zwei Monate kann ich das nicht mehr so sehen.

IM: Wollen Sie sich in Zukunft stärker auf Ihre Industriebeteiligungen konzentrieren?

Tojner: Das habe ich eigentlich auch bisher schon gemacht. Der Industrieteil meiner Investitionen ist der weitaus größere Teil. Er erlaubt mir, überhaupt diese Projekte umzusetzen. Momentan ist mein Enthusiasmus allerdings zugegebenermaßen sehr begrenzt.

IM: Herr Tojner, würden Sie sich eigentlich als Industriellen bezeichnen?

Tojner: Ich bin kein Industrieller im herkömmlichen Sinne. Ich stehe für die dynamische Entwicklung meiner Industrieunternehmen, für Managementbeteiligung und aggressives Wachstum. Ich würde mich als Industriellen Entrepreneur bezeichnen.

IM: Ihre Gruppe, die Montana Tech Components, wirkt auf Außenstehende wie ein Bauchladen: Sie produzieren bei Alu Menziken Aluminiumteile für die Luftfahrtindustrie, sind mit Asta im Transformatorengeschäft für die Energiewirtschaft, mit Aluflexpack im Packaginggeschäft für die Lebensmittelindustrie und zukünftig mit Varta vielleicht im Stromspeichergeschäft für die Automobilindustrie. Was ist Ihre Strategie?

Tojner: Ich komme aus dem Venture Capital-Geschäft und für mich ist es sehr wichtig, in Branchen zu agieren, wo Dynamik herrscht – und wo ein globaler Markt existiert. Allen Kernunternehmen, die ich bisher gekauft habe, ist gemeinsam, dass sie Familienunternehmen waren, die etwas ihren Fokus und ihre Ausrichtung verloren haben. Und alle haben gemeinsam, dass ich das Potenzial sehe, mit ihnen auf dem Weltmarkt unter die Top Drei zu kommen.

IM: Wie funktioniert Ihre Unternehmensgruppe?

Tojner: Wir sind keine Beteiligungsgesellschaft, die inaktiv ist. Als Industriegruppe sind wir in die Vorgabe der Vision und in die strategische Planung unserer Unternehmen involviert. Ich teile mir meine Arbeit mit Martin Ohneberg, Herbert Roth und Michael Pistauer. Ich selbst mache Aerospace, also Alu Menziken und Varta mit Michael Pistauer. Martin macht Aluflexpack, Herbert den Metaltech-Bereich, zu dem Asta gehört. Zentral wird von uns im Konzern das Controlling, Finanzen, Steuern, strategische Planung und M&A gemacht. Selbstverständlich ist auch das Treasury bei uns im Haus. Ansonsten agieren die Vorstände mit ihren Teams selbstständig.

IM: Wie tief sind Sie in das operative Geschäft involviert? Wie oft sehen Sie Ihre Vorstände – abgesehen von Aufsichtsratssitzungen und dem jährlichen Managementtreffen in Traunkirchen?

Tojner: Drei bis vier Tage im Monat bin ich zum Teil auch durchaus operativ eingebunden und mit den Vorständen stehe ich in regelmäßigen Abständen im Austausch. Am vorvergangenen Freitag war ich in München, um gemeinsam mit meinem Vorstandsvorsitzenden von Varta den Förderantrag zur Elektromobilität abzustimmen.

IM: Sie bewerben sich im Konsortium mit Ford um einen Teil des milliardenschweren Fördertopfes, den die deutsche Bundesregierung zum Aufbau eines europäischen Champions für die Batteriezellenproduktion für Automobile bereitstellen will. Neben Varta bewerben sich so bekannte Namen wie BASF, Volkswagen oder BMW. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie da weiterkommen?

Tojner: Als ich 2007 die von allen als wertlos betrachteten Reste von VARTA von der Deutschen Bank und der Industriellenfamilie Quandt (Anm. d. Red: BMW-Großaktionäre) gekauft habe, hat niemand an die Marke, den Standort Ellwangen und die Technologie geglaubt. Damals ist eine Zeit zu Ende gegangen, in der 20 Jahre an der Batterie nicht mehr geforscht wurde. Und ich habe ein Forschungszentrum, das viel zu viele Mitarbeiter hatte, übernommen. Mit einer De facto-Überschuldung bin ich dann bei der Bank Austria, die das finanziert hat, gesessen – in der Restrukturierungsabteilung.

IM: Das alleine wird sie für Förderungen in Milliardenhöhe nicht qualifizieren...

Tojner: Natürlich nicht. Aber ich hoffe, dass Herr Altmaier (Anm. d. Red. deutscher Wirtschaftsminister) ein Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland abgibt, so wie ich das damals getan habe. Heute sind unsere wieder aufladbaren Mikrobatterien in allen globalen Kopfhörermarken verbaut, wir produzieren Energiespeicherlösungen für OEM-Kunden und Haushalte und haben gemeinsam mit Fraunhofer die Basis für die Massenproduktion von großformatigen Batteriezellen am Standort Ellwangen gelegt. Von all den von Ihnen genannten Mitbewerbern um die Förderung ist Varta derzeit der einzige Produzent von Lithium-Ionen Batterien - und weltweit bezüglich Energiedichte, Sicherheit und Technologie mit führend.

IM: Warum legen Sie nicht einfach los? Das Kapital sollte nach dem erfolgreichen Börsegang der Varta 2017, der 150 Millionen Euro fürs Unternehmen und 80 Millionen für Sie eingebracht hat, ja vorhanden sein...

Tojner: Das Risiko ist selbst heute noch sehr schwer abschätzbar: Kommt die Brennstoffzelle vielleicht doch? Schafft man die Batteriezelle wirklich zu einem Preis zu produzieren, der wettbewerbsfähig ist? Gibt es in den kommenden Jahren eine disruptive Technologie, die alle Kalkulationen über den Haufen wirft? Wir reden hier über Investitionen in Milliardenhöhe. Da braucht es neben den Eigenmitteln auch zusätzliche Finanzmittel.

IM: Als Sie 2007 die Reste der Varta um 30 Millionen Euro gekauft haben, war Ihnen da eigentlich klar, welches Potenzial das Unternehmen hat?

Tojner: Wir haben damals auch massive Verbindlichkeiten und Verpflichtungen mit übernommen. Sie können mir das jetzt glauben oder nicht: Mich hat fasziniert, die Marke, immerhin eine der Top 30 Industriemarken im deutschsprachigen Raum, zu kaufen. Und ich habe natürlich Potenzial in dem gesehen, was da von Varta übriggeblieben ist. Aber das ganze Ausmaß der Chance ist mir erst mit der Zeit bewusst geworden...

IM: Das Entwicklungszentrum in Ellwangen und die Knopfzellenproduktion sollten 2007 eigentlich dem Käufer der Autobatteriesparte, Johnson Controls, mitgeschenkt werden. Warum hat außer Ihnen niemand das Potenzial gesehen?

Tojner: Gegenfrage: Warum hat nur Herr Pierer sich getraut, die KTM von Herrn Taus zu kaufen, als es dem Unternehmen nicht gut gegangen ist? Und warum hat Herr Leitner die Andritz gekauft?

IM: Noch einmal zurück zur Frage Ihrer strategischen Steuerung von Managemententscheidungen: Als im vergangenen Jahr intern der Beschluss fiel, auf die Serienproduktion von E-Auto-Batterien zu setzen – wer hat da wen überzeugt? Sie Ihren Vorstandschef Herbert Schein – oder er Sie?

Tojner: Die Entscheidung fiel gemeinsam, aber auf Vorschlag unserer Vorstände. Aber natürlich hole ich mir selbst auch zweite Meinungen ein. Einer der führenden Lehrstühle für Material- und Batteriewesen der Welt befindet sich in Stanford. Zu Professor Prinz, einem Österreicher, der vor 20 Jahren ausgewandert ist, bin ich selbst hingefahren. Ich bin kein Technologe, aber ich glaube von mir sagen zu können, dass ich ein gutes Gespür für Opportunitäten habe...

IM: Das würden Ihre Kritiker auch so sehen. Und in den Unternehmenssparten Energiespeichersysteme, Verpackung und Metalltechnik hat Ihr Gespür Sie scheinbar auch nicht getäuscht. Einzig das Transformatorengeschäft kann nicht nach Ihren Vorstellungen laufen...

Tojner: (lacht) Drei von vier Bereichen – das ist doch ein guter Schnitt! Wir haben uns sicherlich beim Transformatorengeschäft, der Asta mit unserem Werk in Oed, mehr Potenzial erhofft. Die Umbrüche im Generatoren- und Transformatorenmarkt haben uns überrascht. Energieunternehmen investieren derzeit nicht, ein Investitionsstillstand, der auch bei Mitbewerbern wie ABB oder Siemens zu Restrukturierungen führt. Da sind wir noch nicht, wo wir hinwollten. Aber es wäre ja auch nicht normal, wenn alles gut gehen würde. Schwierigkeiten sind wir ja auch gewohnt, das gehört zum Unternehmertum, sonst würde es jeder machen. Aber wir werden das schon hinkriegen.

IM: Was passiert mit Asta – immerhin ein Unternehmen mit 200-jähriger Tradition in Niederösterreich...

Tojner: Wir werden das Unternehmen darauf vorbereiten, wo wir uns in Zukunft sehen und werden aus der 100-Prozent-Abhängigkeit von Transformatoren und Generatoren hinausgehen. Wir wollen da Synergien in der Gruppe heben und sowohl im Aerospace- als auch Automotive-Bereich mit den Kupferprodukten Fuß fassen.

IM: In den Bereichen Automotive und Aerospace sind Sie mit Alu Menziken gut aufgestellt... Wie oft sind Sie eigentlich in Ihrem Ranshofener Werk?

Tojner: Nicht so oft. Es ist im Bereich Aerospace eines von neun Werken und das kleinste. Als wir es 2014 gekauft haben (Anm. d. Red.: von der Salzburger Aluminium AG, die Euromotive wiederum 1994 von der AMAG erworben hat) war das ein im Sanierungsmodus befindliches Unternehmen mit einem Low Tech-Produkt. Jetzt produzieren wir da Sitzstrukturen für die vielleicht heikelste Kundengruppe der Welt: Die Flugzeugindustrie. Wir wurden Supplier of the Year bei Boeing und bei Airbus.

IM: Sie haben im Alubereich massiv in Rumänien investiert. Mittlerweile beschäftigt Alu Menziken in Satu Mare fast 3000 Mitarbeiter. Ist Produktionswachstum tatsächlich nur noch in Osteuropa möglich?

Tojner: Wissen Sie, bisher war die Wertschöpfungskette für die extrem kritischen Flugzeugteile, die wir produzieren (Anm. d. Red.: u.a. Verbindungsteile zum Flugzeugflügel) so: Gegossen und extrudiert wurde im schweizerischen Menziken. Zum Schneiden, Härten und Anodisieren wurden sie nach Ludwigshafen geschickt, in Frankreich wurden sie zusammengebaut und in Hamburg dann eingebaut. Wir haben Airbus angeboten, einen großen Teil dieser Wertschöpfungskette in Rumänien abzubilden: Vom Gießen bis zum Anodisieren alles in einer Kette – in einem Werk, das einen Kilometer lang ist. Heute kommt jeder zweite extrudierte Aluminiumteil von Boeing von uns. Der Aufbau dieser Werke in Westeuropa wäre so nicht möglich gewesen – vom Lohnunterschied Schweiz – Rumänien ganz abgesehen.

IM: Verstehen Sie die Kritik, wenn mit EU-Förderungen Produktionsstätten in Osteuropa hochgezogen werden, die dann dazu führen, dass Arbeitsplätze in Hochlohnländer abwandern?

Tojner: Wir haben in Rumänien von der EU die Hälfte der Investitionskosten gefördert bekommen – und sind mit unseren 3000 Mitarbeitern und 100 Prozent Exportquote natürlich die Lieblinge der rumänischen Politik. Weil wir dafür sorgen, dass das passiert, was jeder in der Europäischen Union will: Dass hochqualifizierte Menschen nicht mehr abwandern müssen – dass die Löhne sich irgendwann in den nächsten Jahrzehnten in ganz Europa angleichen. Ich sehe da nichts, was zu kritisieren wäre.

IM: Wo wollen Sie mit Ihrer Industriegruppe in Zukunft hin?

Tojner: Wir möchten mit VARTA wieder einen weltweiten Champion im Batteriewesen entwickeln. Das Unternehmen ist jetzt mit einem Streubesitz von rund 30 Prozent an der Börse gelistet und hat jetzt genügend Kapital, um selbstständig zu wachsen. Auch das Verpackungsunternehmen Aluflexpack soll sich selbstständig entwickeln. Für die anderen Unternehmen der Gruppe wollen wir die Synergien nutzen, um sie zu einem der drei weltweit führenden Aerospace Komponenten-Zulieferer unter dem Namen „Montana Aerospace“ in den Materialien Aluminium, Titanium, Stahl, Kupfer und Composites mit den Standorten in den USA, Europa und Asien zu machen. Wir haben das Ziel, unseren Umsatz von 1,3 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren zu verdoppeln.

IM: Herr Tojner, Sie sehen sich selbst, wie Sie Eingangs erklärt haben, als Industriellen Entrepreneur. Ihre Geschäfte im Industriebereich sind auch vom Volumen weitaus größer als die Immobiliendeals, mit denen Sie immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Hand aufs Herz: Warum tun Sie sich das an?

Tojner: Ich stehe zu meinen Immobilienengagements, ich bin Architekturfan und habe die Auseinandersetzung mit Architektur und Immobilien immer auch für eine persönlich sehr bereichernde Tätigkeit gehalten.

IM: Haben Sie nicht das Gefühl, dass Ihnen Ihre Geschäfte im Immobilienbereich Ihr Entrepreneurdasein in der Realwirtschaft erschweren?

Tojner: (lacht) Bis zum 17. Januar 2019 hatte ich dieses Gefühl nicht.

IM: An diesem Tag hat der burgenländische Landeshauptmann Anzeige wegen Untreue und Betrug gegen Sie wegen eines Kaufes von gemeinnützigen Wohnungen gestellt. Eine Anzeige, die im Wettbewerb um EU-Fördermittel für die Batteriezellenproduktion im Werk Ellwangen ziemlich im Weg stehen könnte...

Tojner: Ja, und dagegen setze ich mich juristisch zur Wehr. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich habe die Auseinandersetzung mit Architektur und Immobilien immer auch für eine persönlich sehr bereichernde Tätigkeit gehalten - die letzten zwei Monate kann ich das nicht mehr so sehen.

IM: Wollen Sie sich in Zukunft stärker auf Ihre Industriebeteiligungen konzentrieren?

Tojner: Das habe ich eigentlich auch bisher schon gemacht. Der Industrieteil meiner Investitionen ist der weitaus größere Teil. Er erlaubt mir, überhaupt diese Projekte umzusetzen. Momentan ist mein Enthusiasmus allerdings zugegebenermaßen sehr begrenzt.