Nutzfahrzeuge : VW-Manager Renschler erneuert Kampfansage an Ex-Arbeitgeber Daimler

Der Volksmund kennt das ja: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing." Andreas Renschler gibt ein gutes Beispiel dafür.

Der gebürtige Schwabe, lange in Vorstandsdiensten bei Daimler in Stuttgart, lenkt heute die Nutzfahrzeug-Sparte beim Konkurrenten Volkswagen. Und das Lied seines neuen Brötchengebers hat er schon gut verinnerlicht.

"Der globale Champion in unserer Industrie zu werden - das ist es, was uns antreibt", erneuerte Renschler während der IAA die Kampfansage gegen den Nutzfahrzeug-Weltmarktführer Daimler, den er mit Volkswagen einholen soll. So lautet zumindest der Plan.

Volkswagen gegen Daimler

Und als wäre er nie bei den Schwaben gewesen, frotzelte Renschler am Vorabend der Branchenmesse noch vor großem Publikum, Daimler verstehe nichts vom Feiern. "Sie können ja nachher hierher zurückkommen zur echten Party", meinte er - denn auch Daimler hatte für den Abend zu einer eigenen IAA-Eröffnungsfeier nach Hannover geladen.

Volkswagen gegen Daimler. Der Zwist läuft seit Jahren - der Ton aber wird zunehmend rauer. So holten die Schwaben auch rasch zur Retourkutsche aus: Renschlers früherer Daimler-Vorstandskollege Wolfgang Bernhard - er führt die Lkw- und Bus-Sparte der Schwaben - stellte zum Start der IAA klar, dass Daimler bei der Vernetzung des Logistik-Warenstroms seinem Weltmarktführer-Anspruch gerecht werde.

"Diesbezüglich sind wir schon sehr weit - weiter als jeder Wettbewerber", sagte Bernhard. Das Ziel dieser Botschaft war klar: Zuvor hatte Renschler mit viel Tamtam angekündigt, die neue VW-Vernetzungslösung "Rio" sei das Nonplusultra.

Die erst im vergangenen Jahr geschaffene Nutzfahrzeugsparte im VW-Konzern will Renschler zum profitabelsten machen, was die Branche zu bieten hat. "Wir sind dort sehr ehrgeizig unterwegs", sagt er. 9 Prozent Umsatzrendite sollen es im kommenden Jahrzehnt im Schnitt sein. Im ersten Halbjahr 2016 waren es gut 7 Prozent.

Renschler gibt sich als Pragmatiker: Der Kunde stehe immer im Vordergrund. Deshalb verzichte man auch auf die großen Knalleffekte auf der Messe, "sondern wir zeigen die Realität". Daimler hatte in der Vorabend-Show Paket-Drohnen fliegen und Roboter rollen lassen.

Sticheleien auf oberster Ebene

Generell reagiert Bernhard auf die Kampfansage aus Wolfsburg gelassen. Zwar schickte er zunächst diplomatisch voraus: "Selbstverständlich haben wir großen Respekt vor allen Wettbewerbern. Wir beobachten all diese Entwicklungen mit größtem Interesse." Die jüngste Ankündigung von Volkswagen etwa, beim US-Lkw-Hersteller Navistar einzusteigen, überrasche ihn nicht. "Wir sehen das seit zwei Jahren kommen", sagte Bernhard. Dann ließ er aber doch durchblicken: Daimler habe allen Grund für ein gesundes Selbstbewusstsein.

Die Schwaben seien gut aufgestellt, ihre Hausaufgaben längst gemacht. In Richtung Renschler sagt Bernhard denn auch: "Deswegen sehen wir das eigentlich mit Interesse - und sehen mal, was dabei herauskommt."

Der Nutzfahrzeug-Kampf zwischen Stuttgart und Wolfsburg kennt schon viele Kapitel. Mal brach Bernhard ein ungeschriebenes Branchengesetz und plauderte vor Finanzanalysten über angebliche milliardenschwere VW-Pläne. Ein anderes Mal stichelte Konzernboss Dieter Zetsche höchstpersönlich in einem Interview gegen die sechste Generation des legendären VW Bulli, den Transporter.

Reibungen gab es auch im Segment der Großtransporter. VW ließ den Crafter lange bei Daimler bauen, er ist identisch mit dem Mercedes Sprinter. Nun folgt zum Herbst der Alleingang, VW produziert selbst.

Noch baut Daimler deutlich mehr Laster und Busse als der VW-Konzern

Noch baut Daimler deutlich mehr Laster und Busse als der VW-Konzern, unter dessen Dach die zugekauften Nutzfahrzeugmarken MAN und Scania stehen sowie das Eigengewächs der leichteren VW-Nutzfahrzeuge VWN. Doch will Renschler seine Ansage wahr machen und Daimler vom Thron stoßen, müssen Zukäufe und mehr Internationalität her. Der Einstieg beim US-Hersteller Navistar ist ein erster Schritt.

Das bekräftigte Renschler auch entsprechend zur IAA: "Es gibt keine Alternative zu einer soliden globalen Aufstellung." Schon länger wird über einen Teil-Börsengang gemunkelt, bei dem die Holding, die seit Frühling 2015 MAN und Scania umfasst, Geld für das Wachstum sammelt.

Beobachter erwarten enorme Veränderungen in der Branche

Bewegung genug dürfte es auch ohne das Wettrennen zwischen den Schwaben und den Niedersachsen geben. Denn bis 2030 wird sich die Branche laut dem Beratungsunternehmen A.T. Kearney enorm wandeln. Gebe es heute nur die vier global agierenden Konzerne Daimler, VW, Volvo und Paccar aus den USA, dürften es in 15 Jahren sechs bis acht globale Gruppen sein, zwei bis vier davon aus Fernost. FAW aus China ist ein Kandidat. Bei Pkw arbeitet Volkswagen schon mit FAW zusammen.

Renschler will auf jeden Fall kräftig mitmischen. Weiße Flecken auf der Weltkarte sollen gefüllt werden, "wenn sich Chancen bieten". In Indien und darüber hinaus prüfe man Optionen. "Gehen Sie mal davon aus, dass uns auch für Asien (...) in entsprechender Zeit bestimmte Dinge einfallen werden", sagt er mehrdeutig. Zu sehr in die Karten schauen lassen will sich der Ex-Daimler-Mann bei VW aber doch nicht.

(Von Heiko Lossie/dpa, und Marco Engemann /dpa-AFX/APA/red)