Autoindustrie : Studie: In Europa sterben jedes Jahr tausende Menschen wegen Autoabgasen

Die Betrügereien bei Dieselmotoren verursachen laut einer neuen Studie in Europa jährlich fast 5.000 Todesfälle. In den 28 EU-Ländern sowie in Norwegen und der Schweiz gebe es jährlich 10.000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Ausstoß von Feinstaub durch Dieselmotoren, erläuterten Forscher aus Österreich, den Niederlanden, Schweden und Norwegen in einer Studie.

Etwa 4.750 dieser Todesfälle könnten verhindert werden, wenn die manipulierten Diesel-Modelle tatsächlich nur so viel Feinstaub ausstoßen würden wie unter Laborbedingungen, so die Autoren in der am Montag im britischen Fachblatt "Environmental Research Letters" publizierten Studie. Wenn die Diesel-Autos einen so niedrigen Ausstoß von Stickoxiden hätten wie Benzin-Modelle, könnten den Forschern zufolge rund 4.000 dieser knapp 5.000 vorzeitigen Todesfälle verhindert werden.

Studie: Die meisten Todesopfer in Italien, Deutschland und Frankreich

Laut der neuen Studie verursachte der erhöhte Stickoxid-Ausstoß von Diesel-Modellen am meisten Todesopfer in Italien, Deutschland und Frankreich. Dies liege zum einen an der hohen Bevölkerungszahl dieser drei Länder, zum anderen an dem hohen Anteil von Diesel-Modellen auf ihren Straßen.

Den Wissenschaftern zufolge hat die Zahl der Diesel-Autos auf europäischen Straßen seit den 90er-Jahren generell deutlich zugenommen. Mittlerweile machen sie demnach fast die Hälfte der Fahrzeugflotte in Europa aus. Mit mehr als hundert Millionen Wagen fahren in Europa zwei Mal so viele Diesel-Autos wie im Rest der Welt.

Dieselmotoren: Weniger Kohlendioxid, mehr Stickoxide

Dieselmotoren stoßen weniger klimaschädliches Kohlendioxid aus als Ottomotoren, dafür aber deutlich mehr Stickoxide als die Benziner. Stickstoffoxide tragen unter anderem zur Bildung von Feinstaub bei, der in die Lungen und in den menschlichen Blutkreislauf eindringt und Atemwegsbeschwerden verursachen kann. Auch Sehprobleme, Appetitlosigkeit, angegriffene Zähne und Kopfschmerzen werden auf Stickoxide zurückgeführt, die zudem zur Bildung von saurem Regen beitragen.

Im Mai war im Fachblatt "Nature" eine Schätzung veröffentlicht worden, wonach es 2015 weltweit 38.000 vorzeitige Todesfälle durch Stickoxide gab.

Dieselskandal führt in Österreich zu 80 Todesfällen jährlich

Unter den Opfern sind nach Berechnungen der Studie auch jeweils 80 Österreicher. Die Studie erschien im Fachmagazin "Environmental Research Letters". Aufgedeckt wurden die "Umgehungsstrategien" bezüglich der Abgaswerte zwar erstmals in den USA, eigentlich handelt es sich aber vor allem um ein europäisches Problem, erklärte Jens Borken-Kleefeld vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien im Gespräch mit der APA.

Hier wären nämlich mit 100 Millionen Dieselfahrzeugen mehr als doppelt so viele auf den Straßen unterwegs, wie im Rest der Welt zusammen. Die Zahl sei in Europa so groß, weil die Politik Diesel-PKWs seit Jahren etwa über steuerliche Begünstigungen des Treibstoffes unterstützt, sagte er: "Hauptargument ist hier meist, dass diese weniger CO2-Emissionen haben als Benzin-betriebene Fahrzeuge".

Den Zahlen liegen Modellrechnungen zugrunde

Die Forscher um Jan Eiof Jonson vom Norwegian Meteorological Institute fanden in Modellberechnungen heraus, dass die Dieselfahrzeuge aber jährlich Grund für 10.000 vorzeitige Todesfälle in Europa sind. Würden die Autos die Abgaslimits nicht nur in den Testlabors, sondern auch im realen Betrieb auf der Straße einhalten, wären es 5.000 - also um die Hälfte weniger.

"Bei den allermeisten Fahrzeugen unterschiedlichster Hersteller sieht man, dass sie vor allem für den Laborbetrieb abgestimmt sind und außerhalb die Emissionsreinigung zurückgefahren wird", so Borken-Kleefeld. Selbst bei geringer Geschwindigkeit und Beschleunigung wäre der NOx Ausstoß auf der Straße um vier bis siebenmal höher als beim identen Prüfzyklus in Labors.

Italien laut Angaben der Forscher am stärksten betroffen

In Österreich sind 170 vorzeitige Todesfälle auf die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen zurückzuführen, 80 davon gehen auf das Konto der geschönten Abgaswerte. "Das Ganze passiert zudem jährlich, solange diese Fahrzeuge im Einsatz sind, und das ist sicherlich zehn bis fünfzehn Jahre lang der Fall", sagte der Forscher. Am stärksten betroffen ist in diesem Zusammenhang Italien, das 1.250 vorzeitige Todesfälle jährlich durch die erhöhten Stickoxid-Belastung verzeichnen muss, gefolgt von Deutschland (960) und Frankreich (680).

Stickstoffoxide schädigen die Lunge, führen zu Bronchitis und tragen entscheidend zur Entstehung von Feinstaub sowie bodennahem Ozon bei, das ein starkes Reizmittel für die Atemwege ist. Sie erhöhen das Risiko zum Beispiel für Schlaganfälle, Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs. (APA/AFP/red)