Rechnerwolke : SAP, Microsoft, Google: Wie Cloud-Plattformen die betriebliche Effizienz steigern

An den Reparaturintervallen ist nichts Auffälliges zu bemerken. Die Liftanlagen in den New Yorker Hotels funktionieren meist gut, manchmal gibt es aber doch etwas zu richten. Bei den unzähligen Aufzügen, die der Lifthersteller Thyssen-Krupp in der Riesenstadt unterhält, kein Wunder. Dass die Servicetechniker an manchen Tagen mehr im Stau stehen, als die Lifte zu warten, ist in einer Riesenstadt wie New York auch nicht wirklich überraschend.
Die Überraschung lauert anderswo. Als die Datenplattform, die man seit Kurzem nützt, die Reparaturdaten mit den parallel aufgezeichneten Umweltparametern abgleicht, kristallisiert sich auf einmal ein erstaunlich klares Muster heraus. Bei einer bestimmten Kombination von Luftfeuchtigkeit und Temperatur sind die Aufzüge für Pannen deutlich anfälliger. Ein wichtiger Hinweis, um die nächste Baureihe zu verbessern und die aktuellen Wege der Service-Teams besser zu planen. Und etwas worauf man, von alleine vielleicht niemals gekommen wäre.
Als die großen Helfer-Werkzeuge bei der Digitalisierung werden Datenplattformen angepriesen. Das verlockende Versprechen dabei: Aus Big Data soll Smart Data werden. Datenplattformen sollen Daten nicht nur sammeln, sondern sie sinnvoll und kreativ miteinander verknüpfen. Und das ist erst die Ausbaustufe eins, heißt es bei den Anbietern dieser Systeme.
In der Endstufe sollen Datenplattformen überhaupt durchgängig die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens abbilden. Wenn es so weit ist, wird man nicht nur einzelne Steuerungs- und Planungselemente wie ERP, CRM oder SCM miteinander verknüpfen können, sondern jede einzelne Maschine, jedes einzelne Produkt einer Fabrik als digitales Abbild verfügbar haben. Gesteuert, konstruiert, verbessert wird dann nur noch in der digitalen Welt. Die Änderungen, die der User dort vornimmt, werden aber, wenn gewünscht, sofortige Folgen auf die reale Produktion haben. „Eines Tages wird es darum gehen, das, was heute noch Ingenieurskunst ist, in Apps oder gleich Bots zu gießen“, sagt ein IT-Entwickler.
Turboooster Datenplattform: Was Cloud-Systeme können
Mit SAP-4/HANA hat der Walldorfer Software-Gigant der Diskussion um cloudbasierte Datenplattformen in Österreich einen ersten großen Schub gegeben. Schon bald folgten andere nach wie etwa Microsoft mit seiner Plattform-Lösung Azure IoT. Inzwischen ist das Thema derart viral, dass kaum ein Anbieter daran vorbei kann und will.
„Die Fähigkeit, auch größte Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten, Predictive Analytics zu betreiben oder auch Text-Mining“, nennt Christina Wilfinger, Leiterin Sales LoB/Cloud/Platform bei SAP Österreich als den großen Pluspunkt für jene User, die die SAP-HANA-Plattform verwenden. „Unsere Kunden können die Vorteile der Technologie durchgängig nutzen.“
Auch Robert Rosellen, Leiter des Geschäftsbereichs Enterprise & Partner Group bei Microsoft, sieht die großen Vorteile von cloudbasierten Datenplattformen in den fast endlosen Möglichkeiten, Daten miteinander zu verknüpfen und das in einem bisher nie dagewesenen Tempo: „Als entscheidender Vorteil kommt aber dazu, dass diese Verknüpfungen nicht schematisch passieren, sondern intelligent. Dadurch ergeben sich oft überraschende und für das Geschäftsmodell des Kunden sehr wichtige Einsichten.“
Und Christina Wilfinger von SAP ergänzt: „Außerdem machen es spezielle Internet-of-Things-Services möglich, Maschinen und Geräte schnell zu verbinden und komfortabel zu verwalten – das automatische On- oder Off-Boarding von Geräten inklusive.“.
Die Vorteile, einer Bedienung aus der Ferne sehen auch Praktiker. Für Heinz Moitzi, COO bei AT&S gehören sie zu jenen Bereichen, in denen er durchaus spannende Einsatzfelder ortet: „In Verbindung mit unserer Produktion sehen wir vor allem noch Potenzial im Bereich der Kommunikation und der Online-Problemlösungen“, sagt er. „Zum Beispiel könnte ein Video Remot Support System zu einer viel schnelleren Fehlerbehebung beitragen, da der Fehler eben virtuell behoben werden kann.“
Mitgegangen, mitgehangen? Was Anwender zögern lässt
Heute verwendet AT&S Cloudlösungen im administrativen Bereich wie CRM, ERP, beim elektronischen Lohnzettel und im Recruiting sowie für den Datenaustausch und Kommunikation. Im Bereich der Produktion hält man sich hingegen aus der Sache bewusst raus: „Hier machen Cloudlösungen aufgrund der Größe unserer Daten wenig Sinn. Außerdem wollen wir kundenspezifische Daten nicht aus der Hand geben“, sagt Moitzi. Noch zurückhaltender ist man übrigens bei etlichen namhaften österreichischen Maschinenbauern. Sie verwenden Cloud-Lösungen gleich gar nicht.
Die Angst, eigene Daten aus der Hand zu geben, ist ein Einwand gegen Datenplattformen aus der Cloud. Möglicherweise schwerwiegender ist allerdings ein anderer. Im Nachhinein, sagen viele IT-Verantwortliche, sei die Entscheidung für eine bestimmte Datenplattform kaum noch umkehrbar. „Natürlich, in der Theorie kann ich immer den Anbieter oder das System wechseln. In der Realität ist die Migration von Daten ein derart großer Aufwand, dass man sich das dreimal überlegt“, sagt der IT-Chef eines großen österreichischen Industrieunternehmens. Und er fügt hinzu, dass sich dadurch auch ungesunde Abhängigkeiten entwickeln können. „Oft wird man dann mit der Zeit in einen immer höheren Preis gedrängt, weil die Plattform-Anbieter ganz genau wissen, dass ein Wechsel für das Unternehmen sehr mühsam wäre.“
Ein Vorwurf, den die Anbieter naturgemäß so nicht stehen lassen wollen. Man gebe den Kunden immer Lösungen in die Hand, bei denen sie ihre Daten im Ausstiegsfall einfach mitnehmen können, kontern sie. Und außerdem, ergänzt Robert Rosellen von Microsoft: „Oft haben solche Rohdaten ohnehin nur historischen Wert. Sind sie erst einmal ausgewertet, stellt sich sowieso die Frage, wie sehr man sie dann noch braucht.“
Und Jürgen Horak, Direktor Solutions bei Dimension Data Austria, merkt ganz grundsätzlich an, dass Cloudlösungen für Unternehmen ohnehin unumgänglich sind: „Die Cloud bietet die Möglichkeit, Daten und Applikationen sicher und kosteneffizient zu speichern und zu betreiben, unabhängig von Zeit und Ort. Damit bildet sie den Schlüssel zur vielzitierten Digitalisierung von Unternehmen. Ohne eine leistungsfähige und agile IT-Infrastruktur ist der Weg in Richtung Digitalisierung nicht möglich.“
Zwei Welten, zwei Zugänge: Warum IT und Produktion einander nicht immer verstehen
Was den wirklich flächenhaften Siegeszug von Datenplattformen derzeit noch verhindert, ist unter anderem die vielfach unterschiedliche Wahrnehmung der Wirklichkeit durch IT-Visionäre einerseits und das Bodenpersonal in der Produktion andererseits. Während die Visionäre in den hohen Sphären einer durchgehenden Digitalisierung und Vernetzung sämtlicher Wertschöpfungsprozesse über Kontinente hinweg schweben, geht es unten auf der Erde deutlich hemdsärmeliger zu. Denn in der Realität sind in Unternehmen oft erst einmal ganz profane Probleme zu lösen. Zum Beispiel, wenn man Sensoren, die man braucht nicht bekommt oder sie nicht schnell genug bekommt. Oder nicht in der nötigen Qualität.
Bisweilen müssen die IT-Abteilungen außerdem auch um das IT-Budget kämpfen. Was vielfach zu einer eher defensiven Haltung führt. „Wir versuchen nicht auf jeden Hype aufzuspringen, gleichzeitig ist uns aber klar, dass wir gar nicht anders können als mitzumachen, weil wir sonst im Wettbewerb nicht mithalten können“, sagt ein IT-Verantwortlicher aus einem österreichischen Mittelständler und fasst damit die Haltung vieler seiner Kollegen Datenplattformen gegenüber sehr treffend zusammen.
Was freilich nicht heißt, dass Österreichs Wirtschaft das Thema ignorieren würde. Im Gegenteil. Martina Szabo, Produktionsleiterin bei Kapsch Components Lösungen erklärt zum Beispiel: „Wir haben ein System aufgebaut, das den direkten Datenaustausch von Betriebs- und Maschinendaten und unserem ERP System ermöglicht.“ Die Produktionsdaten stehen dann in Echtzeit zur Verfügung und ermöglichen so ein Monitoring über die Maschinenperformance und etwaige Störungen, was wiederum die Basis für die Prozessoptimierung darstellt.
Knackpunkt Implementierung: Wie Unternehmen Datenplattformen noch besser nutzen können
Wenn Systemlandschaften, wie etwa die von SAP, sich zusätzlich auch in fast jede beliebige Richtung erweitern lassen, bringt das weiter Vorteile. So sagt zum Beispiel Maximilian Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung von EPLAN und Cideon: „Mit dem SAP Engineering Control Center Interface to EPLAN ist ein großer Schritt in Richtung Mechatronik gelungen, da SAP nun auch die Elektrotechnik als weitere Disziplin im Produktlebenszyklus unterstützt.“
Einen Nachteil haben derart umfangreiche und komplexe Systemlandschaften freilich dennoch: Sie sind oft mit einem nicht zu unterschätzenden Implementierungsaufwand verbunden. Produkte, um die mit der Zeit ein organisch gewachsenes System an Beratern entstanden ist, federn dieses Problem etwas ab. Bei NTT Data etwa ist man darauf spezialisiert, Anwender aus den unterschiedlichsten Bereichen, bei der optimalen Nutzung von SAP-Produkten zu unterstützen und sie so zu neuen Geschäftsmodellen zu begleiten. „Wir machen aus Strategien Realität“, heißt es dementsprechend bei NTT Data.
Ein weiterer Vorteil, den ein großer Berater-Pool mit sich bringt, ist auch die intensive Kommunikation mit den Kunden. „Ob bei ERP-Neueinführungen, bei Systemerweiterungen, bei der Optimierung der Logistikprozesse oder bei der Verfeinerung des SAP-Management-Cockpits, unsere Kunden erhalten den vollen Durchblick“, sagt etwa Helmut Rumpf von unit-IT.
Und schließlich bieten Kompetenzzentren, wie sie etwa der weltweit mit 11.000 Beratern tätige SAP-HANA-Implementierungsspezialist Atos unterhält, die Möglichkeit, dass Unternehmen die Einführung von Datenplattformen nicht nur geschmeidig über die Bühne bekommen, sondern von Anfang an dabei Wertzuwachs generieren. Womit klar ist: So komplex das Thema Datenplattformen auch ist, an der Implementierung der Systeme muss kein Unternehmen scheitern.