Kreislauffähige Elektro- und Elektronikindustrie : Recycling & Elektronik: Herausforderungen und Hürden

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Seit 2023 beschäftigen sich der Cleantech- und der Mechatronik Cluster in der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria im EU-Interreg-Projekt CIRCOTRONIC mit einer kreislauffähigen Elektro- und Elektronikindustrie. In den vergangenen Wochen wurden die Meinungen und Erfahrungen der Stakeholder zum aktuellen Stand sowie der zukünftigen Entwicklung einer kreislauffähigen Elektronik- und Elektrobranche eingeholt. Die Befragten nannten die folgenden Punkte als am dringendsten zur Schließung von Kreisläufen. Michaela Streicher, Projektmanagerin im Cleantech-Cluster, stellt allerdings fest: „Die Meinungen der Stakeholder gingen durchaus auseinander. Mitunter handelt es sich um Einzelmeinungen.“

Gesetzliche Verpflichtungen


Die Befragten sind sich weitgehend darin einig, dass es Gesetze und Bestimmungen braucht, die Kreislaufwirtschaft ermöglichen und fördern.

Informationen im digitalen Produktpass


Um Fehlwürfe zu reduzieren und zu informieren, was mit entsorgten Produkten passiert, schlugen die Stakeholder vor, dass Recyclingmethoden in der Produktbeschreibung enthalten sein sollten, etwa im digitalen Produktpass. Dieser dürfe aber nicht zu überladen sein, um nicht in überbordende Bürokratie auszuufern. An der Gestaltung dieser Vorgaben und Anforderungen wollen sich die Unternehmen beteiligen.

Vollharmonisierung der Kreislaufwirtschaftsanforderungen


Bürokratie wird als zweischneidiges Schwert betrachtet. Zum einen sind sich die befragten Stakeholder einig, dass es Regelungen braucht. Zum anderen sorgt die Vielzahl an Vorgaben für einen hohen administrativen und finanziellen Aufwand, etwa durch Dokumentationspflichten. Sie verhindert zeitnahe Umstrukturierungen und schränkt den Handlungsspielraum von Akteuren erheblich ein. Die Vielzahl an Regelungen und Verordnungen sei mittlerweile unübersichtlich. Häufig ist Unternehmen nicht klar, welche sie erfüllen müssen. Ein Beispiel für eine bürokratische Hürde ist die Definition des Abfallbegriffs an sich, die u. a. die ReUse-Möglichkeiten einschränkt. Null-Schadstoff-Toleranzgrenzen erschweren beispielsweise das Recycling von veralteten Produkten.

Kosten & Qualität von Sekundärrohstoffen


Des Weiteren gilt die fehlende Wirtschaftlichkeit als Herausforderung bei der Schließung von Kreisläufen. Dabei deckt der Rohstofferlös, ausgenommen bei der Metallfraktion, den Aufwand, der mit der Sammlung und Aufbereitung verbunden ist, nicht. Die Befragten betonen, dass Primärrohstoffe zu bequem und billig erworben werden können und es an der Bereitschaft fehlt, Sekundärrohstoffe einzusetzen. Strukturen gelten zudem häufig als eingefahren und folgen dem Weg des geringsten finanziellen Aufwands. Mehrere Befragte haben auch erwähnt, dass die Produktqualität aus ihrer subjektiven Sicht sinkt (z. B. Gehäuse aus Kunststoff vs. Gehäuse aus Metall), dies wirkt sich im Weiteren negativ auf die ökonomische Attraktivität des Recyclings aus.

Hohe Diversität als Herausforderung


Auch die Qualität und fehlende Planbarkeit von Sekundärrohstoffen wird problematisch gesehen. Sie finden oft wegen subjektiv wahrgenommener schlechter Qualität und fehlender Daten nicht zurück in den Kreislauf. Eine große Herausforderung ist die hohe Produktdiversität mit unterschiedlichen Produktgruppen, Zusammensetzungen und Lebensdauern. Sie erschwert die sortenreine Sammlung und Trennung und somit das Schließen von Kreisläufen. Zudem kritisierten Befragte die unzureichende Herstellerverantwortung. Es geht um die Frage: Wer trägt die Verantwortung/Kosten für Produkte, die nicht richtig entsorgt wurden? Auch wurde infrage gestellt, ob eine Sammelquote zur Schließung des Kreislaufs beiträgt oder ob sie diese Entwicklung durch das bloße Erreichen von Mindestquoten nicht eigentlich ausbremst. Denn die Sammelquote liefere aufgrund ihrer Berechnungsbasis ein verzerrtes Bild.

Bewusstseinsbildung


Die Befragten meinten, dass es ein besseres Bewusstsein über die Elektroaltgeräte-Sammlung brauche. Sie forderten ein bequemeres Sammelnetz, das sicherstellt, dass Produkte fachgerecht entsorgt werden. Landen Elektroaltgeräte (EAG) und Batterien im falschen Abfallstrom, sind die darin verbauten Ressourcen nicht nur für eine Weiternutzung weitgehend verloren, sie können auch ein Sicherheitsrisiko darstellen. Neben der richtigen Entsorgung stellen auch die fehlende Zerlegbarkeit sowie ein Mangel an Informationen darüber, welche Stoffe (z. B. Additive) im Produkt enthalten sind, eine Herausforderung dar. „Es reicht nicht, dass Produkte nur theoretisch recyclingfähig sind. Es braucht auch tatsächliche und reale Recyclingfähigkeit. Das bedeutet, dass Wertstoffe weitgehend als solche erkannt, ausgeschleust und in ein Sekundärprodukt überführt werden können“, betont Roland Pomberger, Lehrstuhlleiter Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft an der Montanuniversität Leoben.

Bei der Entsorgung ansetzen


Die Befragten haben eine Reihe von Punkten genannt, die dazu beitragen können, dass Elektro- und Elektronikprodukte am Produktlebensende richtig entsorgt werden. Insbesondere bei Kleingeräten brauche es intensive Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung von Konsument:innen. Sie müssten darüber aufgeklärt werden, was mit den EAG passiert, warum diese wertvoll sind und was kluge Produkte sind. Sammelstellen bzw. Rückgabe- und Recyclingmöglichkeiten müssen ausreichend vorhanden und bequem erreichbar sein. Die Stakeholder schlugen auch Incentives für die Entsorgung vor, weil das den zu entsorgenden Produkten einen Wert gäbe. Eine Möglichkeit wäre ein Pfandsystem, die Befragten können sich aber auch nicht-monetäre Anreize vorstellen.


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Viele der Befragten sind davon überzeugt, dass es langfristig die Entwicklung weg vom Produktbesitz hin zum Product-as-a-Service (PaaS) braucht. Um die Produktlebensdauer generell zu verlängern beziehungsweise dafür zu sorgen, dass ein Produkt so lange wie möglich genutzt wird, müssen Unternehmen Strategien, Geschäftsmodelle und Business Cases entwickeln, um die Rücknahme von Produkten zu ermöglichen.