Magna Steyr : Produzieren XPeng und GAC bald bei Magna in Graz?

Beim Autohersteller stehen zwei neue Großkunden in der Pipeline
- © APA/ERWIN SCHERIAUKann gut sein, dass es genau jenes Meeting war, das den Ausschlag gegeben hat. Im Oktober des Vorjahres, knapp vor dem Pariser Autosalon, hat sich eine hochkarätige Delegation des staatlichen chinesischen Autobauers GAC bei Magna Steyr in Graz-Liebenau eingefunden. Die Anwesenden etwa Feng Xingya, der Präsident der GAC-Gruppe oder Wei Haigang, Präsident von GAC International liessen sich auch die Produktion der Grazer zeigen. Die Chinesen, so hiess es damals, interessieren sich für einen europäischen Produktionspartner um – vielleicht sogar noch 2025 – mit dem neuen Aion V auch am europäischen Markt vorfahren zu können.
Nun dürfte der Plan der Grazer aufgehen: Ab Juni sollen bei Magna Steyr Fahrzeuge von GAC produziert werden berichtet die steirische Kleine Zeitung. Ausserdem dürfte eine Produktion von XPeng im Raum stehen. Damit könnten die beiden Unternehmen die EU-Sonderzölle umgehen, die seit November auf E-Autos aus China zusätzlich zu den bereits bestehenden 10 Prozent erhoben werden. Je nach Modell erhöhen sich durch das Zollregime die Preise von aus China importierten E-Autos um bis zu 45 Prozent.
Aufträge: dringend gebraucht
Magna-Steyr könnte die neuen Aufträge gut gebrauchen. Das Unternehmen verzeichnete im vergangenen Jahr einen deutlichen Produktionsrückgang: 2024 wurden nur mehr 71.900 Fahrzeuge gefertigt, im Vorjahr waren es noch 105.100. Ein Rückgang um über 30 Prozent - und das bei einer Produktionskapazität in Graz von jährlich etwa 200.000 Fahrzeugen. Neben der generell anhaltenden Flaute im Automobilsektor belastete insbesondere die Insolvenz des E-Auto-Start-ups Fisker im September 2024 den Absatz. Ursprünglich plante Magna 40.000 Fahrzeuge des Fisker Ocean in Graz zu produzieren. Tatsächlich wurden es nur knapp 10.000 Einheiten, bevor das Unternehmen zahlungsunfähig wurde. Zudem entschied das britische Unternehmen Ineos einen weiteren Hoffnungsträger der Steirer, die Fertigung des Elektro-SUV "Fusilier" auf Eis zu legen. Aber auch die künftige Auftragslage scheint alles andere als rosig: Jaguar zog bereits Ende 2024 die Fertigung der Modelle E-Pace und I-Pace aus Graz ab, die Verträge mit Toyota (Sportcoupé GR Supra) und BMW (Z4) laufen Anfang 2026 aus.
Magna muss diese Ausfälle nun kompensieren. Da die europäischen Hersteller in Zeiten der Absatzkrise als Kunden ausfallen, bieten sich chinesische Autobauer an. Magna verfügt in China über einen exzellenten Ruf und profitiert von der starken Präsenz der Muttergesellschaft Magna International in China, die über 55 Produktionsstätten und 13 Engineering-Zentren mit mehr als 22.000 Mitarbeitern im Land verfügt. In den vergangenen Monaten führte Magna Steyr Verhandlungen über Entwicklung und Produktion mit Chery Automobile, Geely, BYD, XPeng und GAC. Bei XPeng und GAC scheinen diese nun kurz davor erfolgreich abgeschlossen zu werden.

Fertigungstiefe: Unklar
Wieviel Ingenieurs-Know How der Grazer für die Produktion der Chinesen benötigen wird, ist allerdings noch nicht klar: Die Fertigung wird aller Voraussicht nach nach der so genannten Semi-Knocked-Down-Methode (SKD) erfolgen. Vorgefertigte Bauteile aus China werden angeliefert und in Graz komplettiert und assembliert. Diese Vorgehensweise erlaubt es den Herstellern, offiziell nur Auto-Teile und nicht komplette Fahrzeuge zu importieren, wodurch andere - geringere - Zollsätze greifen. Allerdings bleibt dabei ein Großteil der Wertschöpfung in der Volksrepublik. Das Prozesswissen der Ingenieure bei Magna würde in geringerem Ausmaß benötigt – und auch die Marge würde nur für die finale Fertigungsstufe erwirtschaftet.
Was will GAC mit der Magna-Produktion?
Bisher ist der chinesische Autokonzern GAC noch nicht am europäischen Markt vertreten. Doch das soll sich ändern: Beim Pariser Autosalon 2024 stellte GAC das Elektro-SUV Aion V vor und kündigte an, verstärkt in Europa aktiv zu werden. Derzeit arbeitet das Unternehmen an einem Händlernetzwerk und sucht gezielt Vertriebspartner in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Es wird erwartet, dass GAC Ende 2025 den Vertrieb in Deutschland startet und neben dem Aion V weitere Modelle anbietet. Bis 2028 will man eine vollständige Modellpalette anbieten und ab 2030 rund 500.000 Autos in Europa verkaufen. Das Unternehmen plant mittelfristig eine eigene Produktion in Europa aufzubauen und prüft derzeit, ob bestehende Werke übernommen oder neue Standorte aufgebaut werden können. Ob und inwiefern die Magna Produktion ein Testballon ist, bleibt abzuwarten.
Die in Staatsbesitz befindliche Guangzhou Automobile Group (GAC) ist der drittgrößte chinesische Autohersteller, im Vorjahr produzierte das Unternehmen 2,5 Millionen Fahrzeuge. GAC fertigt und vertreibt Fahrzeuge unter eigenen Marken wie Trumpchi und Aion sowie im Rahmen von Joint Ventures mit internationalen Herstellern wie Toyota, Honda oder Fiat Chrysler. Im Jahr 2024 verzeichnete GAC einen Produktionsrückgang von 24% und einen Absatzrückgang von 20%. Der Rückgang ist insbesondere auf Anteilsverluste am chinesischen Heimatmarkt an kleinere Konkurrenten zurückzuführen.
Was will XPeng mit der Produktion bei Magna?
Im Unterschied zu GAC ist XPeng, oder Xiaopeng Motors, ein privater Elektrofahrzeughersteller – mit Hauptsitz ebenfalls in der chinesischen Millionenmetropole Guangzhou. Zu den prominenten chinesischen und internationalen Eigentümern gehören Alibaba, Foxconn und IDG Capital. Gegründet wurde das Unternehmen 2014 von Xia Heng und He Tao, zwei ehemaligen Managern der Guangzhou Automobile Group (GAC). Produziert werden die Fahrzeuge - noch - ausschließlich in China. 2024 wuchs das Produktionsvolumen um über 30 Prozent auf weltweit 190.000 Fahrzeuge. In Europa ist XPeng bereits am Markt vertreten, das Modellangebot umfasst die Elektro-SUVs G6 und G9 sowie die Limousine P7.
XPeng und Volkswagen pflegen seit Jahren eine enge Partnerschaft. 2023 investierte Volkswagen rund 700 Millionen US-Dollar in XPeng und erwarb damit eine 4,99 % Beteiligung. Gemeinsam entwickeln die Unternehmen zwei Elektrofahrzeuge für den chinesischen Markt, die ab 2026 unter der Marke Volkswagen verfügbar sein sollen. Zudem erhält VW Zugang zu XPengs fortschrittlicher E-Auto-Software ADAS für autonomes Fahren. Am 6. Januar 2025 unterzeichneten beide Unternehmen eine Vereinbarung, um eines der größten Ultra-Schnellladenetze in China aufzubauen.
Autoindustrie in Europa – die Chinesen kommen.
Erklärtes Ziel von XPeng ist es, zu einem der wichtigsten Akteure auf dem europäischen Markt für Elektrofahrzeuge zu werden. Dafür treibt XPeng den Ausbau seines Händlernetzes konsequent voran. In Deutschland startete das Unternehmen im Mai 2024 mit zehn Händlern, bis Ende des Jahres wuchs das Netzwerk auf 30 Verkaufsstellen. Bis 2026 sollen es 60 Händler mit insgesamt 120 Standorten sein. Um eine möglichst flächendeckende Distribution zu erreichen, setzt XPeng auf strategische Partnerschaften in Europa. In Deutschland, der Schweiz, der Tschechischen Republik und der Slowakei kooperiert XPeng mit der Hedin Mobility Group, die als Importeur und Vertriebspartner fungiert. In den Niederlanden übernimmt Emil Frey die Rolle des Vertriebspartners, während in Schweden Bilia, der
größte Autohändler des Landes, für Verkauf und Service verantwortlich ist. Darüber hinaus hat XPeng bereits in Norwegen, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und Belgien Fuß gefasst. Nachdem XPeng sein Händlernetz in Europa erfolgreich etabliert hat, scheint es, als plane das Unternehmen nun, die Produktion vor Ort zu sichern, um seine Marktpräsenz weiter zu stärken.
Sollte die Kooperation zwischen Magna Steyr, XPeng und GAC wider Erwarten doch
nicht zustande kommen, dürften in Graz-Liebenau wohl erneut hochkarätig besetzte
Meetings hinter verschlossenen Türen stattfinden.