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Interview : Produktion neu denken

Gundula Pally, Roland Berger

Gundula Pally, Managing Roland Berger

- © Klaus Ranger

Immer mehr Kunden fordern lokal produzierte Güter, die unabhängig von kritischen Lieferketten hergestellt werden und zudem hohen Nachhaltigkeitsansprüchen genügen. Damit adressieren sie gleich mehrere der sechs Megatrends für die Produktion (siehe Kasten), die Roland Berger als maßgeblich identifiziert hat und die oft Hand in Hand gehen. Gundula Pally und Oliver Knapp - zwei erfahrene Partner bei Roland Berger - im Interview über die großen Chancen, Produktion neu auszurichten.

Zu allererst: Next Generation Manufacturing – was ist das überhaupt?

Oliver Knapp:
Es bedeutet, sich die vorherrschenden Megatrends für die Produktion aktiv und strategisch zu Nutze zu machen. Wer seine Produktion darauf ausrichtet, schafft Differenzierung am Markt und steigert die Wettbewerbsfähigkeit der Produktion und damit sogar des Gesamtunternehmens. Kurz „NGM“ ist kein anderer Begriff für Digitalisierung der Produktion – das wird oft missverstanden. Unser NGM-Konzept gibt einen ganz konkreten Handlungsrahmen vor, entlang folgender sechs Megatrends die Produktion neu zu denken und und neu zu konfigurieren: Nachhaltigkeit, Lokalisierung, Disruption der Industrie, Digitalisierung, Individualisierung und Populismus.

Nachhaltigkeit, Lokalisierung und natürlich Digitalisierung thematisieren auch andere Beraternetzwerke. Worin besteht das Alleinstellungsmerkmal von Roland Berger?

Knapp:
Natürlich ist der einzelne Trend nichts Neues. Wir sind jedoch die Einzigen, die diese sechs Bereiche kombiniert auf die Produktion projizieren…

Gundula Pally:
… und sich systematisch damit beschäftigen. Die Megatrends im Framework als Konzept ganzheitlich zu sehen, das ist der große Mehrwert, den wir in den Diskussionen mit unseren Kunden damit bieten. Wenn wir mit ihnen das erste Mal darüber sprechen, sagen sie häufig: „Stimmt, das sind alles Themen, mit denen wir uns einzeln schon beschäftigen, aber noch ohne konkrete Klammer“. Mit „New Generation Manufacturing“ haben wir ein Programm entwickelt, um für Unternehmen genau diese Klammer nachvollziehbar zu machen und um konkrete Optimierungsmaßnahmen umzusetzen.

Oliver Knapp
Oliver Knapp, Leiter Operations - © Roland Berger GmbH

Welcher der Megatrends sticht aktuell besonders hervor – die Lokalisierung?

Pally: Wir heben keinen der Trends besonders hervor; von Industrie zu Industrie oder Unternehmen zu Unternehmen kann es andere Priorisierungen geben. Das Thema Lokalisierung hat in den letzten Jahren jedoch an Gewicht zugelegt. Insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs beschäftigen sich Unternehmen noch intensiver damit. Wir arbeiten aktuell mit vielen Kunden daran die Risiken von den globalen Lieferketten zu reduzieren, z.B. über Region for Region oder Local for local Produktionsansätze – aber natürlich auch in anderen Funktionen.

Inwiefern unterscheiden sich denn die Gegebenheiten der einzelnen Länder?

Pally: Hier kommt unser „Country Radar“ ins Spiel: Er gibt als Tool basierend auf länderspezifischen Kennzahlen Aufschluss darüber, welche politische, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen man in welchen Ländern vorfindet. Österreich schneidet hierbei positiv ab. Dies bestätigen auch die von uns befragten C- Level Entscheider, die das Umfeld zur Nutzung der NGM-Trends in Österreich am positivsten Einschätzen im Vergleich zu anderen Industrieländern.

Künstliche Intelligenz ist bereits ein Teil der Produktion."
Gundula Pally, Managing Roland Berger

Waren Sie überrascht?

Pally: Dass Österreich in der Wahrnehmung der Befragten so gut abschneidet und das weltweite Länder-Ranking anführt, hat uns schon überrascht. Dass das Land beim Thema Nachhaltigkeit – Stichwort Wasserkraft – beispielsweise gut aufgestellt und weiter als viele andere ist, sticht heraus. Doch im Detail sieht man natürlich auch Bereiche, an denen man noch arbeiten sollte. Beim Trend der Digitalisierung gibt es noch großen Gestaltungsspielraum. Um als Land und Standort für Unternehmen auch in Zukunft attraktiv zu bleiben, bedarf es zudem einer kontinuierlichen und intensiven Synchronisation zwischen Wirtschaft und Politik.

Welche Hindernisse bestehen denn für Unternehmen, ihre Produktion umzugestalten?

Knapp: Aus meiner Sicht sind viele Initiativen noch einzelne Use Cases. Das ist auch verständlich: Die wenigsten haben ja auch die Chance, eine neue Fabrik auf der ‚grünen Wiese‘ hochzuziehen und dort alles perfekt zu machen. Viele Aktionen sind noch rein effizienzgetrieben. Wenn wir aber Digitalisierung weiterdenken, gerade im NGM-Kontext, passiert noch zu wenig. Ein Beispiel: Auch B2B-Kunden möchten online bestellen und in Echtzeit eine Aussage zum Liefertermin und später dann zum Status eines Herstellungsauftrags haben – das leisten viele noch nicht. Mit durchgängiger Digitalisierung und der damit verbundenen Transparenz kann man die Durchlaufzeit von Wochen auf Tage reduzieren. Digitalisierung verbindet den Kunden bis zum Shop Floor. So steigt die Wettbewerbsfähigkeit der Produktion, ja sogar des gesamten Unternehmens!
Wichtig ist auch, die Megatrends in Kombination zu denken. Ein weiteres Beispiel: Ein Konsumgüterhersteller konnte durch die Nutzung von Industrie 4.0-Lösungen seinen Wasserverbrauch um 30%, sowie seine Produktionsabfall um 20% reduzieren. Für andere verbessert eine Produktion nahe am Kunden – Local for Local – nicht nur den CO2-Fußabdruck durch reduzierte Transportwege, sondern verkürzt auch die Lieferzeiten und das Ausfallrisiko bei globalen Krisen. Für Kunden ist diese Kombination kaufentscheidend und sie sind oft gewillt ein Preis-Premium zu zahlen.

Wichtig ist auch, die Megatrends in Kombination zu denken
Oliver Knapp, Leiter Operations

Zuerst war es Digitalisierung, jetzt reden alle über KI. Wie sehen die von Ihnen betreuten Industrieunternehmen KI? Als Schlagwort oder bereits als Teil der Praxis?

Pally:
Künstliche Intelligenz ist bereits ein Teil der Produktion. Denken Sie an Qualitätskontrolle mit High-End-Bild- und Objekterkennungs-Algorithmen. Diese Systeme erkennen Fehlertypen, lernen wo sie vorkommen und lernen aus Fehlern. Das sind gute Beispiele für KI.

Die 6 Megatrends

Nachhaltigkeit, Lokalisierung, Disruption der Industrie, Digitalisierung, Individualisierung und Populismus, womit ein verändertes gesellschaftspolitisches Umfeld beschrieben ist, das zunehmend Anreize schafft, die heimische Produktion zu fördern und die Abhängigkeit von Importen zu verringern.