Near Field Communication : NFC als Produktivitätsturbo

Paul Hubmer weiß, wo sie liegt, die Komfortzone der Industrie. Dort, wo Produkte ohne Informationsverlust schnell durch verschiedene Fertigungsschritte geschleust werden können – und rückverfolgbar bleiben "von der Wiege bis zur Bahre", so Hubmer. Er ist General Manager NFC Reader Solutions beim Halbleiterhersteller NXP, hat also den Adlerblick auf all die RFID-Speziallösungen, die es mittlerweile zum berührungslosen Identifizieren von Objekten – etwa Werkstücken – gibt. Warum die RFID-Sonderform NFC – kurz für Nahfeldkommunikation – auch in Industriekreisen auf Interesse stößt, wo sie doch eigentlich eher auf den Consumer-Bereich – Stichwort kontaktloses Bezahlen per Handy – abzielt? "Weil der zusätzliche Wert, den Betriebe aus der Lösung ziehen können, beträchtlich ist", fasst der Halbleiterexperte zusammen.

"Ohne Backoffice aufgeschmissen"

Der Clou: Wie bei RFID wird das Werkstück zum Informationsträger. Anders als bei aktiven RFID-Systemen, die Störungen anderer Kommunikationseinrichtungen zur Anlagensteuerung hervorrufen können, besteht diese Problematik bei den passiven NFC-Tags jedoch nicht. Zudem müsse ein aktiver RFID-Tag aus Kostengründen recycelt werden; ihn einfach zum Auftraggeber oder Kunden mitzuschicken, wäre zu teuer. Anders bei NFC: Der Tag kann auf dem Produkt verbleiben. Sollte er sogar. Denn die Rückverfolgbarkeit von Produkten ist in der Prozess-, aber auch Fertigungsindustrie das Gebot der Stunde. Die Information, die darauf gespeichert werden kann, liegt in der Größenordnung von 1.000 bis 1.200 Zeichen, "das Format ist frei wählbar", schildert NXP-Spezialist Paul Hubmer. Ein gewaltiger Unterschied zu den in der klassischen Logistik gängigen UHF (Ultrahochfrequenz)-Tags, also simplen elektronischen Produktcodes: Dort transportieren die Tags mitunter nur einen Link zu einer Datenbank, "ohne Backoffice sind sie aufgeschmissen", so Hubmer.

Steuerung per Tablet

Höhere Anlagenverfügbarkeit – also Effizienz – im eigenen Produkt, nämlich hochproduktiven Fertigungslinien: Die realisierte etwa ein deutscher Hersteller von Handling- und Sondermaschinen mittels NFC. Taktraten von nur zehn Sekunden bei penibel ineinandergreifenden Prozessschritten brachten draußen beim Kunden bisher nicht nur einen schönen Durchstoß, sondern forderten – die Kehrseite – dort auch hochalerte Mitarbeiter ein: Optische und akustische Signale benachrichtigten sie im Störfall – die Aufmerksamkeit galt also ganz diesen Schlüsselsignalen, um Stillstandszeiten zu vermeiden. Ein Assistenzsystem zur Steuerung und Kontrolle von Fertigungslinien per Tablet aber liefert alle Informationen der Module einer Linie optisch fassbar auf den Schirm. NFC-Transponder sitzen seither direkt an den einzelnen Modulen – und sorgen für einen Produktivitätsschub: "Sobald ein NFC-Transponder an einem der Module erfasst wird, können aktuelle Maschinendaten ausgelesen sowie automatisierte Fehler- oder Statusmeldungen verschickt werden", heißt es bei dem Anlagenbauer. Und die technische Leitung des Unternehmens geht noch weiter – sie spricht gar von einer solchermaßen in die Wege geleiteten Mensch-Maschine-Kommunikation: "Mit wenigen Klicks werden – ganz nach den gängigen Industrie-4.0-Konzepten – Fehler- oder Statusmeldungen an vorab definierte E-Mail-Adressen versendet."

Stärken anerkannt

Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums Steyr, kann sich prinzipiell gut vorstellen, dass NFC in der Produktion und generell der Lieferkette seine Stärken ausspielen kann, sieht aber nicht zwangsläufig einen ergänzenden Nutzen bei Unternehmen, die Bereits mit RFID arbeiten. "Voraussetzung für all das ist, dass das Unternehmen seine Prozesse im Griff hat", sagt er. Was Unternehmen bräuchten, sei in Wahrheit eine Strategie für den betrieblichen Informationsfluss – die sei "unbedingte Voraussetzung, um Technologien und eben auch NFC sinnvoll und nutzbringend" einzusetzen, sagt Staberhofer. Die Praxis würde allerdings zeigen, dass etliche Unternehmen mit ERP-Systemen arbeiten, die nicht direkt in die Produktion überleiten – und wenn die Einführung einer solchen Lösung scheitert, dann liegt es meist nicht an der Software, "sondern an den internen Unternehmensprozessen", beobachtet Dietmar Winterleitner, COO des oberösterreichischen CRM- und ERP-Systemeanbieters FWI. Auch bei der Produktrückverfolgbarkeit gebe es auf der Österreichkarte weiße Flecken: "Beeindruckend viele Unternehmen arbeiten noch ohne Barcode, nur ganz wenige schon mit RFID", beobachtet der Experte.

Nächste Zündstufe

Vom technologischen Aspekt ist bei NFC jedenfalls noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Den besten Beweis dafür liefert der Elektronikhersteller NXP. Dort hat einer der führenden NFC-Entwickler des Betriebs – der Steirer Franz Amtmann – kürzlich für sein Werk den Europäischen Erfinderpreis erhalten. Derzeit arbeitet Amtmann unter anderem an einem NFC-Tag mit höherer Reichweite (Type 5), der auch in der Produktion seinen größeren Wirkradius – nämlich bis zu einem Meter – ausspielen könnte. Gleichgesinnte, die die Technologie ebenfalls treiben, gibt es übrigens mehr als genug: Seit einem Jahrzehnt treibt das NFC Forum die Standardisierung voran. Mitbeteiligt: nicht weniger als 170 Unternehmen.

NFC kann: das Produkt vom Lieferant bis zum Kunden rückverfolgbar machen, Daten im Nahbereich (bis einen Meter) sicher übertragen und nachVerwendung einfach entsorgt werden (keine Recyclingkosten wie bei RFID-Tags).

NFC kann nicht: Datendurchgängigkeit simulieren, wo keine ist (etwa bei fehlendem ERP-System).