Frachtraten : Luftfracht: Schwere Belastungen

Eberhard Centner hat schon so manchen Warenstrom umgelenkt. Die erfolgreiche Klage seiner „Bürgerinitiative gegen Fluglärm“ hat erfolgreich Klage für eine Null-Toleranz-Politik des Frankfurter Flughafens geführt. Seither wurde schon so mancher Frachter, der fünf Minuten nach 11 starten sollte von der Piste zurückbeordert. „Aber wir wollen mehr. Ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr“ sagt Centner zu INDUSTRIEMAGAZIN. Ende März entscheidet der deutsche Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig, ob Flugzeuge eines der zehn weltweit wichtigsten Drehkreuze für Luftsendungen des Nachts anfliegen dürfen. Sollte das Nachtflugverbot am Fraport aufrecht bleiben, droht der Lufthansa-Cargo-Sparte auf ihrer Heimatbasis ein Geschäftsentgang in zweistelliger Millionenhöhe. Elf im Winterflugplan fix eingeplante Frachtflüge wurden bereits gestrichen.Für den Wiener Flughafen könnte das zur Chance werden: Plant doch AUA-Mutter Lufthansa ohnehin, Wien verstärkt als Osteuropa-Drehscheibe zu nutzen. Einen Impuls könnte das Frachtgeschäft gut vertragen. 2011 trudelte das Volumen (Luftfracht und Trucking, also Transport per LKW zu anderen Flughäfen) gegenüber 2010 um mehr als 6 Prozent auf 278.000 Tonnen nach unten. Vor allem asiatische Fracht-Carrier haben ihre Wien-Connection gekappt – Jade Air hat den Flugbetrieb eingestellt, auch Air China fliegt Wien nicht mehr mit Cargo an. Immerhin einen Neuzugang verzeichnete der Flughafen 2011: Royal Jordanian liefert einmal pro Woche Fracht von Amman nach Wien. Insgesamt flogen voriges Jahr elf Fracht-Fluglinien Schwechat regelmäßig an. Keine Hochsaison.Nachtflugverbot e sind nur eine von mehreren Fronten, an denen die Luftfahrtindustrie derzeit zu kämpfen hat. Den Fracht-Airlines droht ein Schifffahrtsschicksal mit mehr Kapazität als Nachfrage. „Derzeit ist haben wir einen Angebotsmarkt“, diagnostiziert Christian Fanta, bei Panalpina Österreich für das Osteuropa-Luftfrachtgeschäft verantwortlich. Auch dem bislang boomenden Asien-Geschäft geht langsam die Luft aus: „2011 gab es erstmals von Fernost nach Europa keine Luftfracht-Hochsaison im November und Dezember.“ Die Effizienz des Frachtflugverkehrs könnte die China-Delle sogar steigern, meint Fanta: „Die traditionell unausgeglichenen Verkehrsströme gleichen sich etwas an.“Nils Haupt, Sprecher von Lufthansa Cargo, sieht die Abschwächung noch nicht so bedrohlich wie den Einbruch 2008/09. Höchstens Wartungsarbeiten an Frachtmaschinen werde man vorziehen, aber nicht wie am Höhepunkt der Krise Flugzeuge stilllegen: „Wir rechnen mit einem ziemlich normalen Frachtjahr.“ Zwar schwächte sich die Nachfrage aus Richtung China ab, aber der Export aus Deutschland und Österreich lief zumindest bis Ende 2011 noch gut. Für eine Angebotsausweitung reicht es entgegen früheren Planungen aber nicht, wie Lufthansa- Finanzchef Stephan Gemkow unlängst einräumen musste: Der Kranich hat fürs erste ein Ein-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm schubladisiert. Bei der Tochter AUA wird um ein neues Sparpaket gerangelt.Franz Zöchbauer, Geschäftsführer von Austrian Lufthansa Cargo, rechnet mit einem „schwierigen“ Jahr. Das Joint-venture von AUA und Lufthansaist mit 40 Prozent der aus Wien geflogenen Ladung größter Fracht-Kunde des Wiener Flughafens. Wobei für Zöchbauer das flauere Transportaufkommen mehr mit Marktsättigung zu tun hat als mit einem echten Konjunkturabschwung. „Wenn jeder einen Flachbildfernseher zu Hause stehen hat, haben wir in Europa Saturierung.“ Verlagerungstendenzen zur – billigeren – Seefracht kann er derzeit keine erkennen. „Das hat schon stattgefunden.“ Bleibe doch die Luftfracht der „Eildienst“ für hochwertige Produkte. Fortsetzung auf Seite 2: Luftfracht: Zertifikate-Mikado

Die Preissignale sind widersprüchlich – eigentlich müssten Fluglinien gestiegene Kosten weitergeben, allein schon um ihrer prekären Bilanzen willen. Doch die Konjunkturdelle erlaubt genau das derzeit nicht. Panalpina-Luftfrachtexperte Fanta rechnet nach der Stagnation der Frachtraten (die mittlerweile zu bis zu zwei Dritteln aus Zuschlägen bestehen) 2011 für heuer sogar mit einem deutlichen Nachgeben der Preise. Leisten können sich die Carrier das nicht, zumal einige Kostentreiber vorinstalliert sind.So ist der Flugverkehr seit Jänner in den Handel mit CO2-Emissionszertifikaten einbezogen. Einen Teil bekommen die Fluglinien umsonst, den Rest müssen sie kaufen. Die erste Abrechnung ist im März 2013 fällig.Allein die Lufthansa rechnet aus diesem Titel 2012 mit einem zusätzlichen Aufwand von 130 Millionen Euro. Über kurz oder lang werden die Kosten dafür auch bei Fracht in den Kerosin-Zuschlag wandern. Vorerst wird noch Mikado gespielt: Wer sich als Erster bewegt, hat verloren. „Das System schüttelt und rüttelt sich erst zurecht. Der Kerosin-Zuschlag wird 2012 wegen der Zertifikate nicht erhöht“, sagt Lufthansa Cargo-Sprecher Nils Haupt. So lange ist die letzte Preisrunde auch noch nicht her – zuletzt war konzernweit im der Sprit-Aufschlag angehoben worden. Thomas Lieb, Luft- und Seefracht-Chef von DB Schenker, sieht die drohenden CO2-Aufschläge jedoch nicht als bedrohlich für das Frachtgeschäft an: „Güter, die so zeitkritisch sind, dass sie mit dem Flugzeug befördert werden müssen, werden das auch bei 10 oder 20 Prozent höheren Energiekosten."Dass die Bilanzen Luftfahrtindustrie nicht rosig ausschauen, spricht eher für frühere Bewegung an der Preisfront. Allerdings nicht bei allen Fluglinien, vermutet Fanta: „Carrier mit einem guten Netz werden sagen: Wir müssen erhöhen. Wenn sie nach einer Preiserhöhung um zehn Prozent dann nur sieben Prozent Frachtgeschäft verlieren, geht sich das auch aus.“ Andere würden sich hingegen auf einen Verdrängungswettbewerb über den Preis einlassen und die CO2-Kosten schlucken. Fortsetzung auf Seite 3: Luftfracht: Sicher oder nicht

Teurer wird Frachtfliegen auch wegen neuer EU-Sicherheitsbestimmungen. Zur Zeit liegt die Verantwortung für die Sicherheit der Lieferkette bei den Luftfracht-Speditionen. Nächstes Jahr wandert sie zu den verladenden Unternehmen. Das bisherige Gentlemen’s Agreement: Speditionen stellen ihren (Stamm-)Kunden einen Persilschein für gesetzeskonformes Luftfracht-Handling aus, bestimmen also quasi selbst, welche ihrer Kunden sicher sind und welche nicht, haften aber auch für das Ergebnis. Die erste Kunden-Gruppe bekommt den Status als „Bekannter Versender“, bei der zweiten muss jede einzelne Luftfracht- Sendung am Flughafen separat und entsprechend teuer durchleuchtet werden. Harald Bollmann, Präsident des Zentralverbandes Spedition und Logistik, beschreibt die gängige Vorgangsweise: „Durch die Überprüfung kann sich für den Auftraggeber die Luftfracht um bis zu 400 Prozent verteuern. Da das den Kunden schwer vermittelbar ist, hat nahezu jeder Auftraggeber den Status ‚Bekannter Versender’ erhalten.“Mit dieser legeren Praxis ist ab Mai 2013 Schluss. Dann müssen die Unternehmen, die regelmäßig Luftfracht versenden, ihre Sicherheitsmaßnahmen von einer unabhängigen Stelle zertifizieren lassen. Das kann unter Umständen teure Investitionen nach sich ziehen – von der vergleichsweise schlichten Umzäunung des gesamten Firmengeländes über die Installation von Extra-Überwachsungsgerät in Bereichen, in denen Produkte gelagert werden, die per Luftfracht versandt werden, bis hin zu Überprüfungen und Schulungen des Personals, das mit Luftfracht in Berührung kommt. Und natürlich ist für den Sicherheits-Persilschein, die so genannte „Validierung“, die noch dazu alle fünf Jahre erneuert werden muss, auch eine Gebühr fällig. Luftfrachtstandort „erledigt“.In Österreich hat das Verkehrsministerium die einzige Konzession dafür an die Salzburger Zertifizierungsfirma Sequrity vergeben. Deren Muttergesellschaft ist mit der Augustin Quehenberger-Gruppe pikanterweise ein Großspediteur. Bollmann schäumt: „Durch die Vergabe an nur einen Anbieter wurde nicht nur ein Validierungsmonopol geschaffen, es wurde noch dazu ein einzelner Mitbewerber dafür ausgewählt, der damit einen exklusiven Zugang zu Luftfrachtkunden und allen Daten erhält.“ Sequrity-Geschäftsführer Wilhelm Schicho beteuert unparteiisch vorzugehen. Eilig hätten es die Unternehmen mit der Abnahme ihrer Sicherheitsmaßnahmen ohnehin nicht – seit Konzessionserteilung im Herbst hat Sequrity gerade eine Handvoll Verfahren abgeschlossen (Kostenpunkt je nach Zahl der Sicherheitsbeauftragten pro Unternehmen ab 2120 Euro): "Wir haben viele Anfragen und rund 40 Anträge im Laufen.“ Schicho schätzt die Zahl der Exporteure, die sich validieren lassen werden, auf bis zu 2000. Für diese könne es zeitlich eng werden, wenn sie länger als bis zum zweiten Halbjahr 2012 zuwarten. Nonchalance könnte sich rächen, warnt Schicho. Verpassen Versender ihre Validierung, müssen an den Flughäfen alle ihre Ladungen einzeln gescreent werden – Experten warnen jetzt schon vor drohenden Staus in den Abfertigungszentren, falls diese – wie vorhersehbar - nicht mit genügend Hardware ausgerüstet werden.Vom Zentralverband vermutete Personalengpässe bei Sequrity dementiert Firmen-Chef Schicho hingegen – er stocke das Personal nach Auftragsstand kontinuierlich auf, im Herbst sollen bis zu 20 Mitarbeiter im Einsatz sein. Was Bollmann allerdings anzweifelt: „Wenn das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, den Auftrag zu erfüllen, hat das auch schwerwiegende Folgen für die heimische Exportwirtschaft. Damit wäre der Luftfrachtstandort Österreich von einem Tag auf den anderen erledigt.“ Fortsetzung auf Seite 4: So entwickeln sich die Frachtraten 2012

StraßengüterverkehrDas Vorkrisenniveau haben Transporteure und Speditionen 2011 verfehlt und werden es auch 2012 nicht erreichen.Heuer ist bestenfalls mit einem schwachen Wachstum der Transportnachfrage zu rechnen. Wegen des starken Wettbewerbsdrucks konnten österreichische Frächter die Kostensteigerungen auch in der Wachstumsphase 2010/11 nicht voll an ihre Kunden weiter geben: Während Güterbeförderung im Straßenverkehr 2009 und 2010 um durchschnittlich je ein Prozent billiger wurde, stiegen die Transportkosten um ein Prozent pro Jahr an. Von Mitte 2010 bis Mitte 2011 erhöhten die Straßentransporteure ihre Preise um ein Prozent, die Transportkosten legten im selben Zeitraum aber um 7 Prozent zu – vor allem wegen des starken Dieselpreisanstiegs. SeefrachtDas Jahr 2011 wollen die Seefracht-Reedereien am liebsten ganz schnell vergessen. Doch 2012 dürfte der Preisverfall weitergehen.An der ökonomischen Misere, die Neil Dekker, Container-Experte des Londoner Analysehauses Drewry’s, mit einem Branchen-Verlust von mehr als 5 Milliarden US-Dollar beziffert, sind sie allerdings selbst schuld. Sie legten Schiff um Schiff auf Kiel – als Folge drücken massive Überkapazitäten auf den Preis: Ende 2011 sind die Spotraten auf wichtigen Linienrouten teils um die Hälfte eingebrochen; 40-Fuß-Container werden bereits um 1100 Dollar von Europa nach Asien verschifft – ein Preis weit unterhalb des Breakeven. Ein Ende ist nicht abzusehen: Die Zahl der Großcontainerschiffe, die über die Ozeane schippern, wird heuer trotz Konjunkturabkühlung um ein Viertel steigen. Dekker schätzt, dass in der zweiten Hälfte 2012 bis zu acht Prozent der Welt-Flotte stillgelegt werden müssen. LuftfrachtDie Abschwächung des globalen Wachstums trifft auch die Frachtfluglinien. Gesättigte Märkte und Stagnation in Westeuropa, aber auch eine zuletzt gedämpfte Nachfrage aus China drücken auf den Preis, allerdings wird der Treibstoff Kerosin auch nicht billiger. Zusätzliche Preistreiber für die Luftfracht sind die Einbeziehung in den CO2-Zertifikatehandel seit Jänner und verschärfte Sicherheitsbestimmungen für regelmäßige Versender, die ab Frühjahr 2013 nicht mehr wie bisher relativ einfach einen Persilschein bei ihrer Spedition lösen können, sondern ihre Sicherheitsvorkehrungen entweder alle fünf Jahre neu zertifizieren oder jede einzelne ihrer Sendungen teuer am Flughafen screenen lassen müssen.