Interview : „Ich bin der Kümmerer“

Franz Schwammenhöfer Logistikbeauftragter im Verkehrsministerium bmvit
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Schwammenhöfer, Sie sind seit kurzem Logistikbeauftragter im Verkehrsministerium. Was bedeutet das?

Franz Schwammenhöfer: Dazu gab es zwei Ansätze: Manche wollten eine Art Elder Statesman, der das Thema Logistik vor allem gegenüber dem Ausland vertritt. Andere meinten, wir brauchen einen „Kümmerer“ im Ministerium. Jemanden, der mit der Materie vertraut ist und der als Kommunikationsschnittstelle zwischen der Logistik-Wirtschaft und dem bmvit fungiert.

Und Sie sind?

Schwammenhöfer: Ich bin der Kümmerer. Ich soll vor allem dafür sorgen, dass die 119 Maßnahmen im Rahmen des Gesamtverkehrsplans abgearbeitet beziehungsweise entscheidungsreif gemacht werden. So sehe ich meine Rolle. Ich bin Beamter der Republik und keine Business Agency. Ich denke außerdem, man sollte nicht den Logistik- sondern den gesamten Wirtschaftsstandort bewerben.

Haben Sie die Hand gehoben, oder waren Sie nur nicht rechtzeitig in Deckung?

Schwammenhöfer: Keines von beidem. Ich arbeite seit über 20 Jahren im Ministerium, und im Zuge der Erstellung des Grundlagenpapiers leitete ich die Arbeitsgruppe Schienenverkehr. Ich bin gewissermaßen in diese Rolle hineingewachsen, und als klar war, dass es nicht um einen „Logistik-Repräsentanten“ gehen würde, war naheliegend, dass ich es mache.

Wie beurteilen Sie die Qualität des Grundlagenpapiers?

Schwammenhöfer: Ich denke, wir haben eine wirklich solide Basis erarbeitet. Und vor allem ist mir der Geist dieses Prozesses sehr sympathisch. Wenn Interessenvertretungen und Ministerien aufeinander treffen, kann es atmosphärisch ja manchmal schwierig werden. Ich habe aber in diesen beiden Jahren einen offenen und fairen Austausch auf Augenhöhe erlebt. Das hat mir gezeigt, dass man auch in Österreich einen Prozess dieser Größe zu einem Ergebnis führen kann. Und vor allem, dass man auch Dissens stehen lassen kann.

Bei vielen der 119 Punkte ist detailliert vermerkt, wer aus welchen Gründen die Maßnahme nur teilweise oder gar nicht unterstützt.

Schwammenhöfer: Ja, aber das ist die einzige Möglichkeit, bei einem Prozess mit so vielen Beteiligten etwas Substanzielles zu schaffen. Wäre Konsens die Voraussetzung gewesen, dann hätten wir heute einen weiteren beliebigen Zehn-Punkte-Plan, den jeder unterschreiben kann. Ich finde es bemerkenswert, dass wir diesen Prozess gemeinsam und ohne mediatorische Begleitung zu einem Ende brachten.

Aber was bedeutet der teilweise Dissens für die nächsten Schritte?

Schwammenhöfer: Der nächste Schritt ist der Versuch, thematische Pakete zu schnüren. Am einfachsten umzusetzen sind natürlich Maßnahmen, bei denen Konsens erzielt wurde, von denen wir eine hohe Wirkung erwarten, die wenig kosten und die rasch umzusetzen sind. Einiges davon haben wir schon erledigt. Alle anderen Punkte werden wir zu thematischen Bündeln zusammenfassen. Im Idealfall bekommen wir diese Bündel als Gesamtpakete beschlussreif. Das kann und wird natürlich nicht ohne Kompromisse möglich sein, doch wenn man sich der legistischen Sphäre nähert, ist dies ohnehin unvermeidlich – wir versuchen also gewissermaßen, die politisch notwendigen Kompromisse möglichst weit vorzuziehen.

Manche sehen im bmvit das „Bahn-Ministerium“. Schwächt das Ihre neutrale Position nicht?

Schwammenhöfer: In den vergangenen Jahren hat sich atmosphärisch viel geändert. Gewisse Reibereien zwischen den Verkehrsträgern wird es immer geben, doch die Profis kennen die Vorteile und die Grenzen der einzelnen Modalitäten sehr genau. Und eine gewisse Polemik seitens der Interessenvertreter gehört zum Geschäft – wer seine Klientel nicht konsequent vertritt, ist hier fehl am Platz. Gehässigkeiten habe ich jedoch schon lange nicht mehr erlebt. Und zum System Bahn: In Österreich kann man zwischen rund 30 Eisenbahnverkehrsunternehmen wählen. Wer da keinen Anbieter findet, der zu ihm passt, hat vielleicht falsche Erwartungen an den Verkehrsträger.

Und was entgegnen Sie dem Vorwurf, in Österreich gebe es generell keine stringente Verkehrspolitik?

Schwammenhöfer: Ich denke, hier artikuliert sich vor allem das Bedürfnis nach einer langfristigen, vorhersehbaren Gestaltung der Rahmenbedingungen. Ich gebe zu, dass Bundes- und Landesgesetzgeber, aber auch die Ministerien speziell in der Kommunikation der nationalen Umsetzung europäischer Vorgaben nicht immer ideal agiert haben. Dass es aber keine klaren Pläne und Programme gäbe, stimmt einfach nicht. Sie werden von den Menschen nur nicht immer gefunden. Allein auf den Homepages von Asfinag oder ÖBB Infrastruktur AG können Sie für nahezu jeden Meter Autobahn oder Schiene nachlesen, was in den kommenden Jahren im Detail geplant ist.

Österreich fiel im Logistik-Performace-Index der Weltbank zuletzt weiter zurück. Alarmiert Sie das?

Schwammenhöfer: Einerseits schneiden Binnenländer in derartigen Studien immer schlechter ab als solche mit großen Seehäfen. Andererseits gibt es eine Reihe von Studien, deren Belastbarkeit ich schon angesichts ihrer Sample-Größe anzweifle. Eines muss man allerdings einräumen: In all diesen Rankings erlebte Österreich in den vergangenen zehn Jahren kumuliert eine zwar nicht dramatische, aber kontinuierliche Verschlechterung. Das ist nicht alarmierend, aber ernst zu nehmen: Besser wurden wir zuletzt nicht.

Der Plan

Im Dezember 2012 wurde der „Gesamtverkehrsplan für Österreich“, der Ziele und Strategien der heimischen Verkehrspolitik bis 2025 formuliert, der Öffentlichkeit vorgestellt. Darauf aufbauend, begannen Anfang 2013 die Arbeiten an der Konkretisierung des Gesamtverkehrsplanes im Bereich Güterverkehr und Logistik. Das im vergangenen November vorgelegte, rund 600 Seiten starke Grundlagenpapier listet unter anderem 119 konkrete Maßnahmen. Am zweijährigen Prozess beteiligt waren (und sind weiterhin) bmvit, Wirtschaftskammer, Bundesarbeitskammer, Industriellenvereinigung, Zentralverband Spedition und Logistik, die Gewerkschaft vida, Logistikum Steyr sowie das Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien. Der Gesamtprozess wurde von TU-Professor Sebastian Kummer koordiniert. Der Gesamtverkehrsplan für Österreich steht auf der Website des bmvit zum Download bereit.