Rechtliche Fragen zu COVID-19 : Höhere Gewalt, Arbeitsrecht und Versicherungsschutz: Das ist die rechtliche Situation
Die Krise rund um COVID-19 bringt rechtliche Fragen rund um Produktions- und Lieferkettenunterbrechungen auf. Die Anwaltskanzlei DLA Piper beantwortet die drängendsten rechtlichen Fragen für Unternehmen.
Arbeitsrechtliche Fragestellungen: Arbeitsverweigerung, Homeoffice, Sonderurlaub und Entgeltfortzahlung
Prinzipiell ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitsleistung wie vereinbart zu erbringen. Ein grundloses einseitiges Fernbleiben von der Arbeit stellt eine Dienstpflichtverletzung dar und kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entlassung nach sich ziehen. Sofern jedoch eine objektiv nachvollziehbare Gefahr einer Infizierung mit dem Virus im Betrieb besteht, wie etwa eine Vielzahl an Ansteckungen im unmittelbaren Arbeitsumfeld, könnte eine Verweigerung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt sein. Der Arbeitnehmer ist weiters verpflichtet, wie üblich unter Beachtung der Reisewarnungen des Außenministeriums Kundentermine und sonstige Dienstreisen vorzunehmen. Die Durchführung einer Dienstreise in ein von den Behörden eingestuftes Risikogebiet dürfte der Arbeitnehmer jedoch verweigern.
Ist ein Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt oder hatte Kontakt zu einer erkrankten Person, ist er im Regelfall an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert und darf nicht zur Arbeit erscheinen. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Entgelt fortzuzahlen. Wird über den Arbeitnehmer eine Quarantäne verhängt, hat der Arbeitgeber gemäß § 32 Epidemiegesetz einen Anspruch auf vollständigen Ersatz des fortgezahlten Entgelts gegenüber dem Bund. Um diesen Anspruch geltend zu machen, muss ein entsprechender Antrag bei der Bezirksverwaltungsbehörde (zuständiges Magistrat oder Bezirkshauptmannschaft) gestellt werden. Die Frist dafür beträgt sechs Wochen und beginnt ab dem Tag der Aufhebung der Quarantäne zu laufen.
Homeoffice muss zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausdrücklich vereinbart werden. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers ist jedoch möglich, wenn eine diesbezügliche Teleworking-Vereinbarung oder eine sogenannte einseitige Versetzungsklausel bereits im Arbeitsvertrag enthalten ist. Darüber hinaus wäre der Dienstnehmer auch dann zur Erbringung seiner Arbeitsleistung von zu Hause verpflichtet werden, wenn sein Dienstort derart weit gefasst ist, dass auch sein Wohnort dadurch erfasst wäre; zB: der Dienstvertrag sieht vor, dass der Dienstort Wien ist und der Arbeitnehmer wohnt in Wien.
Der Arbeitgeber wiederum hat dieser Tage verstärkt auf die gesundheitsbezogenen Schutzpflichten zu achten. Dies liegt auch im Interesse des Arbeitgebers: Waren infizierte Personen im Betrieb tätig, droht eine behördlich angeordnete Quarantäne, wodurch die normale Arbeitspflicht aufgehoben wird und der Betrieb zum Erliegen kommt. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses treffen den Arbeitgeber vertragliche Fürsorge- und Schutzpflichten, die durch öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften ergänzt werden. Über die aktuelle Situation im Zusammenhang mit dem Coronavirus muss sich der Arbeitgeber stets informiert halten und entsprechende Maßnahmen setzen. Die Hinweise und Empfehlungen des Gesundheitsministeriums und der AGES bilden dabei eine sinnvolle Grundlage. Insbesondere ist der Arbeitgeber dazu angehalten, die Arbeitnehmer aufzufordern, allgemeine Vorsorgemaßnahmen, wie täglich mehrmaliges Händewaschen bzw. die Verwendung von Desinfektionsmittel, Vermeidung von Kontakt zu infizierten Personen etc, zu berücksichtigen und die notwendigen Gegebenheiten zur Ermöglichung dieser Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Nach derzeitigen Stand besteht keine Erfordernis sowie allgemeine Verpflichtung des Arbeitgeber, Schutzmasken bzw. Handschuhe an Mitarbeiter auszugeben.
Hilft „höhere Gewalt“ dem Lieferanten in Lieferbeziehungen nach österreichischem Recht?
Force Majeure – oder höhere Gewalt – ist im österreichischen Recht nur vereinzelt geregelt und gesetzlich nicht allgemein definiert. Nach der in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Definition stellt Force Majeure „ein von außen einwirkendes elementares Ereignis dar, das auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist.“ Je nach Ausgestaltung der Rechtsbeziehung kann Force Majeure unterschiedliche Folgen nach sich ziehen.
Im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts (CISG) – sofern dieses nicht vertraglich ausgeschlossen wurde – kann sich der Vertragspartner unmittelbar auf Art 79 berufen, wonach der betroffene Vertragspartner bei Nachweis eines Hinderungsgrundes außerhalb seines Einflussbereiches von einer Schadenersatzpflicht und bei dauerhafter Unmöglichkeit von seiner Erfüllungspflicht befreit ist.
Außerhalb des CISG, dem in der Praxis bloß geringe Bedeutung zukommt, kann im Sinne der Privatautonomie eine entsprechende Regelung für Fälle höherer Gewalt vertraglich vereinbart werden. Dies ist in internationalen Lieferverträgen auch üblich. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen, etwa vorübergehendes Aussetzen der wechselseitigen Pflichten oder Rücktrittsrechte, richten sich dann nach der konkreten Ausgestaltung. Typischerweise enthalten die Regelungen eine eigene abstrakte Definition von Force Majeure mit konkreten Beispielen sowie Informationspflichten.
Fehlen vertragliche Regelungen zu Force Majeure und kommt es zu Verzögerungen bei Lieferungen, so ist das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendbar. Primär kann es im Rahmen von COVID-19 zur vorübergehenden Unmöglichkeit der Vertragserfüllung kommen. Liegt der Grund für diese Unmöglichkeit nicht im Einflussbereich des Schuldners, so ist von objektivem Verzug die Rede. In diesem Fall kommt dem Vertragspartner nach § 918 ABGB das Wahlrecht zu, am Vertrag festzuhalten oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist von diesem zurückzutreten. Beim objektiven Verzug hat der Gläubiger keine Schadenersatzansprüche. Zu beachten ist aber, dass die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten sehr wohl einen Schadenersatzanspruch auslösen kann, so etwa, wenn der Vertragspartner nicht (rechtzeitig) über die vorübergehende Unmöglichkeit der Vertragserfüllung informiert wird.
Andererseits könnte, gerade im Lichte der neuerdings beschlossenen Maßnahmen COVID-19 Gesetz sowie auf Grundlage des Gesetzes erlassenen Verordnungen, das Rechtinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage greifen. Dies setzt voraus, dass die Parteien bei Vertragsabschluss bestimmte Umstände im Vertragsumfeld als selbstverständlich erachtet haben und in dieser Annahme enttäuscht werden, ohne diesbezüglich Vorkehrungen getroffen zu haben. Es soll so ermöglicht werden, eine angemessene Risikoverteilung zwischen der vertraglich vereinbarten Äquivalenz der gegenseitigen Leistungen und dem Grundsatz, dass Verträge zu erfüllen sind, zu schaffen. Analog zu den Rechtsfolgen einer Irrtumsanfechtung nach §§ 871 f ABGB könnte dies zur Aufhebung oder Anpassung des Vertrages führen.
Nach welchem Rechtsinstitut eine Pandemie wie COVID-19 letztendlich zu beurteilen wäre, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Einmal mehr zeigt sich, dass komplexe Lieferbeziehungen immer auch ausdrückliche Vorschriften enthalten sollten, die solche Ausnahmesituationen und ihre Auswirkungen auf die vertraglichen Pflichten adressieren.
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Wie steht es um den Versicherungsschutz von Unternehmen für Schäden infolge der COVID-19-Ausbreitung?
Eine Kompensation von Betriebsausfällen und -unterbrechungen kann grundsätzlich über eine Betriebsausfall- bzw. Betriebsunterbrechungsversicherung erfolgen. In den Basispaketen sind aber in vielen Fällen nur Betriebsunterbrechungen wegen Krankheit oder Unfall versichert. Bei erweiterten Paketen sind teilweise auch Leistungen im Falle Betriebsunterbrechung durch Quarantäne anlässlich einer Seuche oder Epidemie enthalten. Allerdings setzt die Deckung in der Regel voraus, dass es zu einer behördlich angeordneten Betriebsschließung oder Vernichtung von Waren kommt; beides ist bislang in Österreich noch nicht geschehen.
Wenn Unternehmen für Schäden von Vertragspartnern haftbar gemacht werden, etwa infolge ausbleibender Lieferungen, besteht vielfach ebenfalls kein ausreichender Versicherungsschutz. Hier ist freilich zunächst schon die Haftung des Unternehmens fraglich, da ein Berufen auf das Vorliegen höherer Gewalt bei entsprechenden Vertragsklauseln möglich sein kann. Soweit das Unternehmen jedoch haftet, wird Versicherungsschutz im Rahmen der Haftpflichtversicherung häufig mangels vom Versicherungsvertrag erfasster Schadensposition ausscheiden.
Für Verluste wegen ausgefallener Veranstaltungen kommt die Deckung aus Veranstaltungsausfallversicherung in Frage, sofern eine solche abgeschlossen wurde. Eine Veranstaltungsausfallversicherung deckt den finanziellen Schaden, wenn eine Veranstaltung zB durch höhere Gewalt, Ausfall von maßgeblichen Personen, Unbenutzbarkeit des Veranstaltungsortes, behördliche Maßnahmen oder anderen vereinbarten Ursachen abgesagt, abgebrochen, verlegt oder verschoben werden muss. Ersetzt werden in der Regel die angefallenen und aufgrund von diversen Verträgen zurückzuerstattenden Kosten bzw die Mehrkosten bei einer Verschiebung der Veranstaltung. Auch der entgangene Gewinn kann mitversichert werden. Eine Absage infolge von Seuchen und Pandemien ist oft nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Ansonsten setzt der Versicherungsschutz regelmäßig die behördliche Anordnung der Absage voraus.
Die aktuelle Pandemie kann auch außerhalb spezifischer Deckung versicherungsrechtliche Implikationen entwickeln. Beispielsweise könnten Geschäftsführer für Verluste der Unternehmen durch ein unzureichendes Krisenmanagement haftbar gemacht werden. Für solche Ansprüche kann Versicherungsschutz unter den D&O-Versicherungen der Unternehmen eingreifen.
Unternehmen sollten ihren Versicherungsschutz im Lichte der aktuellen Lage überprüfen und darauf bedacht sein, etwaigen Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten gegenüber ihren Versicherern fristgerecht nachzukommen.