Preisstrategie : Hand am Hebel

Falsch gesetzte Anreize bei den Boni im Vertrieb, willkürliche Rabattvergaben, historisch gewachsene Preisstrukturen oder verschenkte Gewinne bei Produktinnovationen – schlechtes Preismanagement ist in Zeiten geringer Auslastung überlebensbedrohlich. In Zusammenarbeit mit den Experten des Marketingberatungsunternehmens Simon Kucher & Partner wollen wir Ihnen Anleitung zur bestmöglichen Optimierung Ihrer Preisgestaltung an die Hand geben. INDUSTRIEMAGAZIN zeigt, wie Sie in zehn einfachen Schritten Effizienz Schlagkraft in Ihre Preisgestaltung bringen:

„Sprechen Sie mit allen Personen, die im Unternehmen an der Preisbildung beteiligt sind“ sagt Harald Schedl, Geschäftsführer von Simon Kucher & Partner in Österreich. „Ich erlebe oft, dass Unternehmer überrascht sind, wer tatsächlich alles im Unternehmen beim Preis mitredet“. Alle Treiber der Preisentscheidung müssen identifiziert werden: Vom Vertriebsleiter, der über Rabatthöhen entscheidet über den Gebietsverantwortlichen, der für die Kundensegmentierung verantwortlich ist und dem Verkäufer, der tatsächlich Rabatte gewährt bis hin zum Expeditleiter, der möglicherweise über die Inrechnungstellung von zahlungspflichtigen Zusatzleistungen entscheidet. „Erst dann kann objektiv bewertet werden, an welchen Hebeln bei der Optimierung des Pricing angesetzt werden muss“ sagt Schedl.

Die Ertragslecks können durchaus vielfältig sein, wie im Falle eines Tiroler Seilherstellers. Eine Analyse hat dort haarsträubendes zu Tage gebracht: Ein Stamkunde, mit einem Umsatz von unter 5000 Euro, erhielt da im Jahre 2007 einen Gesamtnachlass von 63 Prozent. Neben dem Stammkundenrabatt und einem Sondernachlass existierte eine Vereinbarung über einer Frei-Haus-Lieferung der drei Bestellungen. Ein anderer Stammkunde des Tiroler Seilherstellers hatte 2007 weniger Glück: Trotz jährlichem Umsatzvolumens von 250.000 erhielt er lediglich das Sofortzahler-Skonto von drei Prozent. „Wir mussten dem Vertriebsleiter in diesem Fall erst einmal die Bedeutung von wertvollen A-, B- und eher unwichtigen C-Kunden erklären“ sagt Harald Schedl.

Die Antworten auf diese Fragen sind keineswegs banal, haben sie doch konkrete Auswirkungen auf die Preisgestaltung. „Aus Kundensicht muss die Preis-Leistungspositionierung konsistent sein. Als Premiumhersteller kann ich nicht plötzlich Schnäppchenangebote machen, als wahrgenommener Billiganbieter werde ich mit einem Premiumangebot nicht erfolgreich sein“ sagt Harald Schedl. Identifizieren Sie, welche Anforderungen Kunden (und potenzielle Kunden!) an Sie haben. Stellen Sie fest, wie Ihre Kunden Ihre Leistungen im Vergleich zu Wettbewerbern wahrnehmen – und welche Preis-Leistungs-Position am erfolgsversprechendsten ist.

Konkret sind zuerst Bruttopreise zu definieren und dann ein kundenspezifisches Preisdifferenzierungssystem auf diese aufzusetzen. „Zielführend ist es, Rabattsysteme zu definieren, mit deren Hilfe die Preisstellung verschiedener Produktgruppen auf die unterschiedlichen Preisbereitschaften einzelner Kundengruppen angepasst wird“ sagt Harald Schedl von Simon Kucher & Partner. Umfangreiche Analysen und das gesamte Erfahrungswissen von Produktmanagement und Vertrieb sind notwendig, um das optimale Rabatt-/Preisniveau für die einzelnen Felder in der Produkt-/Kunden-Matrix zu bestimmen. Ähnliches gilt auch in Pressystemen die mit Nettopreisen arbeiten. Wichtig ist es, die derart gewonnenen Einsichten in Pricing-Guidelines niederzuschreiben. „Das hilft, bei zukünftigen operativen Preisentscheidungen das Unternehmensziel nicht aus den Augen zu verlieren“ sagt Harald Schedl. Diese Guidelines sollten Gesetzbuch-Charakter haben und öffentlich kommuniziert werden.

Der Produktkatalog von Josef Czerny hat sich noch vor einigen Monaten wie ein Fantasy-Roman gelesen. „Mondpreise,“ sagt der Metallverarbeiter Josef Czerny, „die längst keinen Bezug mehr zur Realität hatten. Wir haben auf unsere Listenpreise dann scheinbar wahllos, teilweise bis zu 90 Prozent Rabatt gegeben haben.“ Vor einer Umstellung seines Preissystems hat Czerny, der das Unternehmen in dritter Generation führt, lange zurückgeschreckt. Wie sollten seine Verkäufer die zukünftig viel schmäleren Rabatte am Markt rechtfertigen? Bis ihn die Realität in Form eines neuen Vertriebschef einholte. Der präsentierte ihm ein Preis- und Konditionensystem, das umsatzstarke Kunden und margenstarke Produkte forcierte – und das Zeug hatte, den Ertrag des Metallverarbeiters deutlich zu steigern. „Vor allem aber traute ich Ihm zu diese Konditionen am Markt auch zu kommunizieren und durchsetzbar zu machen“ sagt Czerny.

In den meisten Industrieunternehmen werden Preise nach wie vor auf der Basis der eigenen Kosten plus Gewinnaufschlag oder Faktor kalkuliert.„Mit sinkenden Kosten sinken bei starr mit der Kostenkalkulation verbundenen Preiskalkulation auch die Preise, ohne dass die Zahlungsbereitschaft des Kunden sinkt“ sagt Harald Schedl. Hier gilt es stärker sowohl auf die Wettbewerbssituation, als auch die vorhandenen Zahlungsbereitschaften der Kunden einzugehen. „Erkennen Sie im Pricing den vorhandenen Mehrwert und –nutzen Ihrer Leistungen und schöpfen Sie ihn ab“ sagt Harald Schedl. Die Automobilhersteller machen es vor: Ein hoher Anteil von Kunden entscheidet sich – trotz kräftigem Mehrpreis – für eine Metalliclackierung auf ihrem KFZ. Aber wussten Sie, dass die Kosten für eine Metallic-Lackierung mit Bruchteilen von Prozenten Unterschied eigentlich nicht höher sind als eine Standardlackierung. Offenbar wird mit Metallic ein erheblicher Mehrwert generiert – der von Automobilherstellern abgeschöpft wird. Welchen Mehrwert wollen zukünftig Sie abschöpfen?

Die erste Preisnennung für ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung kann das Preisniveau einer gesamten Produktgeneration nachhaltig beeinflussen. „Ideal ist hier ein kundenwertorientiertes Vorgehen“ sagt Harald Schedl. Durch die systematische Nutzung von internen und externen Informationen sollte der Mehrwert der Innovation abgeschätzt werden und Preise in Abhängigkeit dieses Wertes für den Kunden gesetzt werden. Kundenbefragungen, Abschätzung von Preiselastizitäten, die Analyse von Informationen zu vergleichbaren Produkten ist bei der Einführung von Produkten unerlässlich! Auch hier ist die Automobilindustrie wieder Vorbild. Die Hersteller investieren grosse Summen in die optimale Preispositionierung bei der Markteinführungspreise für neue Modelle.

„Auch wenn das Unternehmen bei Tiefpreisen schon längst Verluste schreibt, verdient der Aussendienst in diesem System weiter“ sagt Harald Schedl. Eine starre Umsatzzielvorgabe, bei deren Erfüllung der Aussendienstler einen vorher festgelegten Bonusbetrag erhält, ist ähnlich problematisch. „Man kann sich vorstellen, wie preisaggresiv der Ausseindienst seine Produkte verkauft, wenn er knapp unter dem Ziel liegt “ sagt Schedl. Moderne Anreizsysteme sind um eine zusätzliche variable Komponente erweitert: Eine ertrags- oder besser sogar preisdurchsetzungsabhängige Komponente. „Wir haben die Umsatzprämie unserer Aussendienstmitarbeiter um eine Provision ergänzt, die vom realisierten Preisniveau abhängt“ sagt Georg Frühbauer, Geschäftsführer eines steirischen Herstellers von elektrotechischen Installationssystemen. Jeder Vertriebsmitarbeiter Frühbauers erhält seit kurzem neben dem Volumenbonus von 0,5 Prozent des Umsatzes einen Ertragsbonus von 10 Prozent bezogen auf die Differenz des tatsächlich realisierten Preises zum Zielpreis. Das Bonussystem Frühbauers ist radikal: Eine Unterschreitung des definierten Zielpreises führt sogar zu einem Malus – also zur Schmälerung der Gesamtboni. „Für die Ausgestaltung der Balance zwischen den zwei Komponenten gibt es keine allgemeinen Richtlinien – sie sollte die aktuelle Strategie des Unternehmens widerspiegeln“ sagt Harald Schedl.

Die Anzahl so genannter „Sonder- oder strategischer Preise“ ist vielfach alarmierend hoch. Notwendige Unterschriften von Vorgesetzten werden oft erst nach Finalisierung der Transaktion eingeholt.Solches Verhalten kann nur umgangen werden, wenn die Rabattgewährung ein festes Regelwerk bekommt. „Schon die Einlendung eines Rabatt-Korridors im System kann die Situation vereinfachen“ sagt Harald Schedl. Dabei reichen wenige Punkte um solche Rabatt-Korridore aufzubauen. In Frage kommen zum Beispiel Auftragsgrössen, Produktkonfiguration oder Kundenwert sowie die Gewährung von Finanzierungsinstrumenten und Zustzdiensleistungen.

Selbst den wirklich großen Unternehmen ist es oft nicht möglich, Deckungsbeiträge pro Kunden oder pro Transaktion oder gar Vertriebsmitarbeiter zu errechnen. Die Erträge die durch diesen Informationsverlust verloren gehen, sollten Sie sich sichern: Sammeln Sie preisbezogene Informationen, wie die Wettbewerbspreise, analysieren sie den Kundennutzen und Umsatzdaten ihrer Kunden. Definieren Sie aussagekräftige Zielerreichungsindikatoren, controllen sie diese – und steuern Sie ihre Preise auch in Zukunft aktiv!