Familiendisput : Fertighaushersteller Elk: Zoff in Ziesar

Ziesar ist ein kleiner Weiler mit 2900 Einwohnern in Brandenburg, 100 km südwestlich von Berlin. Der einstige Sitz der brandenburgischen Bischöfe liegt „mit eigener Ausfahrt“ an der Autobahn nach Hannover und grenzt an den „Fiener Bruch, eine Wiesen- und Weidelandschaft von lieblichem Reiz“, wie es in der Stadtchronik in bravem Matura-Deutsch heißt. Für den 76jährige Johann Weichselbaum ist die Abfahrt der Autobahn A2 derzeit von größerer Wichtigkeit als die brandenburgische Schönheit von Fauna und Flora. Johann Weichselbaum, der Gründer von Elk Fertighaus, hat in Ziesar Ende Juli seinen Ruhestand beendet und eine Fertighausproduktion aus einer Konkursmasse gekauft. Weichselbaum macht dies in einem Alter, in dem ein ordentlicher ÖBB-Beamter bereits 24 Jahre in Pension ist. Jetzt pendelt der rastlose Unternehmer jeden Montag und Freitag zwischen Ziesar und seinem Wohnort Eichgraben, um neues Leben in leere Hallen zu bringen. Die Zäsur. Der ehemalige Radrennprofi, Jahrgang 1934, hat die feste Absicht, eine neue Fertighaus-Marke aufzubauen, „die in Europa Marktführer wird.“ Damit will er wiederholen, was er 51 Jahre zuvor mit Elk erfolgreich begonnen hat: Ein Unternehmen von ganz unten nach ganz oben zu bringen. Gedanken an die menschliche Endlichkeit lässt er dabei nicht gelten. „Ich habe meine Erfahrung und meine Kontakte, die ich nutze. Ich mache keine Pimperlgeschäfte“. Der Grund für die zweite Karriere des Johann Weichselbaum liegt in einem Konflikt, den er vor mehr als einem Jahr als Aufsichtsratsvorsitzender von Elk vom Zaun gebrochen hat. Die Wirtschaftskrise hatte gerade ihren Tiefpunkt erreicht, als der 88-Prozent-Eigner Johann Weichselbaum im Juni 2009 seinen Sohn und Vorstandsvorsitzenden Erich Weichselbaum sowie CFO Gerhard Schuller vor die Tür setzte. Daraufhin warf auch Vorstandskollege. Walter Fischl (COO Chief Operating Officer) hin, der stark im operativen Alltagsgeschäft engagiert war. Und Weichselbaum musste den alleinigen Entscheidungsträger eines Unternehmens geben, das in zwei Jahren ein Fünftel seines Umsatzes verloren hatte und dringend restrukturiert werden musste. Im Vorfeld des „Fanals“, wie es ein Beteiligter später bezeichnete, lieferten sich Vater und Sohn lautstarke Auseinandersetzungen, wie der Konzern wieder auf den rechten Weg zu führen sei. Konfliktpunkte waren eine neue Deutschlandstrategie – am dortigen Markt werden seit Jahren Millionenverluste eingefahren – und das emotional besetzte Engagement von Elk im Radsport, das seit . 1996 zu den wenigen Aushängeschildern des österreichischen Zweiradsports gehört. Schieflage. Der Zeitpunkt der Eskalation war denkbar ungünstig. Die Elk-Gruppe kämpfte im Vorjahr mit veritablen Liquiditätsproblemen. Zulieferer klagten über Zahlungsverzögerungen weit über das gewohnte Maß hinaus und die Banken, allen voran die Hausbank RLB Niederösterreich Wien, befanden sich im Monat Acht nach Lehman noch im Zustand der Schockstarre. Johann Weichselbaum brachte notwendige Kapitalspritzen zur Überbrückung ein, wodurch er den weniger kapitalstarken Vorstand aus dem Rennen werfen konnte. Dazu kamen aber auch strategische Probleme: Die Kaufhausgruppe Quelle, wichtiger Vertriebspartner im billigpreisigen Volumenssegment, stand im Sommer 2009 vor dem absehbaren Kollaps. Noch bedrohlicher waren aber Verluste der deutschen Mehrheitsbeteiligung Bien-Zenker, die nach dem Wegfall der deutschen Wohnbauförderung 2005 dramatische Löcher in die Konzern-Bilanz rissen. Zwischen 2007 und 2009 betrugen die deutschen Abgänge 16,2 Millionen Euro. Die Gesamt -Bilanzen des Elk-Konzerns, in Österreich mit einem Marktanteil von 15 Prozent mit Abstand größter Branchenakteur und Europas größter Fertighaus-Produzent, wurden 2007 und 2009 mit roter Tinte geschrieben und konnten 2008 nur durch den Verkauf der Markenrechte an die Weichselbaum- kontrollierte Gesellschaft IMG ins Positive gedreht werden. Die Familie brachte auf diesem Weg zehn Millionen Euro in die AG ein. Junior kauft Erbe. Im Sommer war es dann soweit: Während Weichselbaum senior Gespräche mit seinen Banken zur Überbrückung der Liquiditätsengpässe führte, brachte sich Sohn Erich in Stellung gebracht und präsentierte den Geldinstituten ein Sanierungskonzept, in dem sein Vater keine Rolle mehr spielte. Der willensstarke Patriarch musste einsehen, dass sein Zug den Bahnhof verlassen hatte. Erich Weichselbaum kaufte im November 2009 seinen Vater im Zuge es Management Buy Outs aus. Die dafür gegründete „Dein Haus Holding“ hält nun 66 Prozent an der Elk AG, Erich Weichselbaum zehn und ein langjähriger Mitarbeiter zwei Prozent. Firmengründer Johann Weichselbaum besitzt nach wie vor 22 Prozent der Aktien, die sich der neue Eigentümer über eine Call-Option bis 2014 zum Fixpreis sichern kann. Finanziert wird der Kauf des Aktienpakets zu jeweils einem Drittel durch Eigenkapital, Bankkredite sowie durch das Land Niederösterreich in Form einer Mezzaninfinanzierung. Johann wie Erich Weichselbaum machen keine Angaben über die Höhe des MBOs. Erich Weichselbaum sieht sich in jedem Fall in einer Situation, in der er Millionen für Geschäftsanteile bezahlen muss, die er eigentlich im Wege des Erbrechtes erlangen hätte können. Ein umfangreicher Kooperationsvertrag mit IKEA und Pläne für eine Hotelkette nach dem Fertighaus-Prinzip sind Zeichen dafür, dass zumindest das Restrukturierungskonzept für den ELK-Konzern Fortschritte zeigt. Finanzstarker Neubeginn. Der Verkauf seines Anteiles an Elk war auch für Johann Weichselbaum ein Neubeginn. Er ist stolz, dass für sein bisheriges Investment in Ziesar auf keine Bankenunterstützung zurückgreifen musste. Eine Versöhnung und eine spätere Zusammenführung der ostdeutschen Aktivitäten mit Elk schließt Weichselbaum senior ausdrücklich nicht aus: „Wir sind für den Frieden offen“, ohne aber auf den Nachsatz zu verzichten, „für den Krieg auch gerüstet zu sein“. Ein Patriarch gibt nicht so einfach auf. Erich Weichselbaum, der im Gespräch wie sein Vater die Betroffenheit über den Familienzwist nur unvollkommen kaschieren kann, weiß wenig mit der Option einer Heimholung der Investition des Vaters in Ziesar anzufangen. Elk hat erst 2008 einen Produktionsstandort in Deutschland schließen müssen und verfügt bei aktuellen Kapazitäten von 2100 Häusern im Jahr über eine 70prozentige Auslastung. Ein zusätzlicher Standort von 300 bis 400 Häusern, wie ihn sein Vater in Ziesar hochziehen will, macht im Konzept von Erich Weichselbaum keinen Sinn. Und der alte und neue Vorstandsvorsitzende von Elk macht dies sehr deutlich: „Ich schließe mit 100prozentiger Sicherheit aus, das wir uns eine weitere Produktionsstätte in Deutschland zulegen wollen. Der Markt hat Kapazitäten ohne Ende.“ Josef Ruhaltinger